Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2022, Az. I R 3/18

1. Senat | REWIS RS 2022, 5373

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Gegenstand

Behandlung ausländischer Krankengeldzahlungen und Kapitaleinkünfte im Rahmen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht und des Progressionsvorbehalts


Leitsatz

1. Für die Berechnung der sog. Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG als Voraussetzung für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht sind auf der ersten Stufe (Ermittlung des Welteinkommens) Einnahmen, die unter Zugrundelegung deutschen Einkommensteuerrechts grundsätzlich steuerbar, aber --z.B. nach § 3 EStG-- steuerfrei wären (hier: aus den Niederlanden stammende Krankengeldzahlungen), nicht einzubeziehen (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 01.10.2014 - I R 18/13, BFHE 247, 388, BStBl II 2015, 474). Solche Einnahmen sind aber ggf. im Rahmen der Bemessung des Progressionsvorbehalts zur Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b EStG zu berücksichtigen.

2. Bei der Bemessung des Progressionsvorbehalts bleiben ausländische Kapitaleinkünfte außer Betracht, die bei einem inländischen Sachverhalt der Abgeltungsteuer unterliegen würden (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 12.08.2015 - I R 18/14, BFHE 251, 182, BStBl II 2016, 201).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 05.12.2017 - 10 K 1232/16 E aufgehoben.

Die Einkommensteuer für 2012 wird unter Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 28.08.2014 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe festgesetzt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Kläger zu 34 % und der Beklagte zu 66 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Erbe Rechtsnachfolger seiner am ... 2013 verstorbenen [X.] [X.]. Diese wohnte im [X.] ([X.]) und erzielte im [X.]treitjahr (2012) aus ihrer in der [X.] ([X.]) in einer dort belegenen Praxis ausgeübten Tätigkeit als Physiotherapeutin Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ... €. In den [X.]n erzielte [X.] im [X.]treitjahr Zinseinkünfte in Höhe von ... € und erhielt Krankengeld des [X.] [X.]ozialversicherungsträgers [X.] ([X.]) in Höhe von ... €. [X.] war freiwilliges Mitglied dieser Versicherung und hatte Beiträge zu entrichten. Gesetzliche Grundlage für das Krankengeld ist das Ziektewet als [X.] Krankengeldgesetz. Das Krankengeld war auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit (ausgenommen [X.]amstag und [X.]onntag) auszuzahlen. Freiwillig versicherte Personen hatten Anspruch auf Krankengeld, wenn sie aufgrund von Krankheit, [X.]chwangerschaft oder Geburt nicht in der Lage waren, ihre gewohnte Arbeit zu verrichten.

2

Das Krankengeld und die Kapitaleinkünfte wurden vom [X.] Fiskus besteuert. Der Kläger beantragte beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--), [X.] im Rahmen der sog. fiktiven unbeschränkten [X.]teuerpflicht nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das [X.]treitjahr geltenden Fassung (E[X.]tG) als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln. Das [X.] kam nach einer Außenprüfung zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 E[X.]tG für das [X.]treitjahr nicht vorlägen, weil die [X.] Krankengeldzahlungen bei der Prüfung der sog. Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG als ausländische Einkünfte zu berücksichtigen seien. Es besteuerte die inländischen Einkünfte daher unter Annahme der beschränkten [X.]teuerpflicht der [X.].

3

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) [X.] hat den Einkommensteuerbescheid für das [X.]treitjahr dahin abgeändert, dass die inländischen Einkünfte der [X.] unter Anwendung von § 1 Abs. 3 E[X.]tG besteuert werden. Bei der Bemessung des besonderen [X.]teuersatzes im Rahmen des [X.] (§ 32b E[X.]tG) hat das [X.] weder das Krankengeld noch die [X.] Zinseinkünfte berücksichtigt (Urteil vom 05.12.2017 - 10 K 1232/16 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2018, 631).

4

Gegen das [X.]-Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des [X.].

5

Das [X.] beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist teilweise begründet. Das [X.] hat zwar zu Recht entschieden, dass die inländischen Einkünfte der [X.] für das [X.]treitjahr unter Anwendung des § 1 Abs. 3 E[X.]tG ermittelt werden. Jedoch ist bei der Bemessung des besonderen [X.]teuersatzes im Rahmen des [X.] nach § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 E[X.]tG das in [X.] bezogene Krankengeld zu berücksichtigen.

8

1. [X.] war im [X.]treitjahr wegen fehlenden Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht i.[X.]. von § 1 Abs. 1 [X.]atz 1 E[X.]tG unbeschränkt steuerpflichtig. Grundsätzlich wären die von ihr erzielten inländischen Einkünfte aus der Tätigkeit als Physiotherapeutin --Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.[X.]. von § 18 E[X.]tG-- daher im Rahmen der beschränkten [X.]teuerpflicht zu besteuern (§ 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 E[X.]tG). Art. 9 Abs. 1 des für das [X.]treitjahr geltenden Abkommens zwischen der [X.] und dem [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der [X.]teuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger [X.]teuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom [X.] ([X.] 1960, 1782) --DBA-Niederlande [X.] in der zuletzt durch Art. 7 des Zusatzprotokolls vom 04.06.2004 ([X.] 2004, 1655, B[X.]tBl I 2005, 365) geänderten Fassung weist das Besteuerungsrecht für diese in einer inländischen Praxis erzielten Einkünfte dem [X.] ([X.]) zu.

9

2. Auf den vom Kläger gestellten Antrag hin ist [X.] jedoch gemäß § 1 Abs. 3 E[X.]tG im Hinblick auf ihre inländischen Einkünfte als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

a) Nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 1 E[X.]tG werden auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i.[X.]. des § 49 E[X.]tG haben. Dies gilt nach [X.]atz 2 Halbsatz 1 der Vorschrift nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der [X.] Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 [X.]atz 2 Nr. 1 E[X.]tG nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze). Durch das Jahressteuergesetz 2008 --J[X.]tG 2008-- vom 20.12.2007 ([X.], 3150, B[X.]tBl I 2008, 218) wurde § 1 Abs. 3 E[X.]tG um einen [X.]atz 4 ergänzt, nach welchem bei der Ermittlung der Einkünfte nach [X.]atz 2 nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind, unberücksichtigt bleiben.

b) Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG vollzieht sich in zwei [X.]tufen. Zunächst ist in einem ersten [X.]chritt die [X.]umme der [X.], d.h. die [X.]umme sämtlicher Einkünfte unabhängig davon zu ermitteln, ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden; die Prüfung beruht auf der Annahme einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Die auf diese Weise bestimmten Einkünfte ([X.]) sind sodann in einem zweiten [X.]chritt in die Einkünfte, die der [X.] Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen.

Die auf der ersten [X.]tufe zu ermittelnden Einkünfte ([X.]) sind nach Maßgabe des [X.] Einkommensteuerrechts zu ermitteln (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]enatsurteile vom 20.08.2008 - I R 78/07, [X.], 517, B[X.]tBl II 2009, 708; vom 01.10.2014 - I R 18/13, [X.], 388, B[X.]tBl II 2015, 474). [X.] und Einkünfteermittlung richten sich nach § 2 Abs. 1 bis 3 E[X.]tG. Einnahmen, die --z.B. nach § 3 E[X.]tG-- steuerfrei sind, d.h. bei der Ermittlung der Einkünfte nicht berücksichtigt werden, sind daher nicht in die Prüfung der Einkunftsgrenzen einzubeziehen (vgl. [X.]enatsbeschluss vom 28.06.2005 - I R 114/04, [X.], 296, B[X.]tBl II 2005, 835, unter [X.]; [X.]enatsurteil vom 02.09.2009 - I R 90/08, [X.], 267, B[X.]tBl II 2010, 394, unter II 1.b; s.a. --zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Zusatzprotokoll vom 13.03.1980 zum [X.] vom [X.] [[X.] 1980, 1999, B[X.]tBl I 1980, [X.] [X.]enatsurteil vom 14.08.1991 - I R 133/90, [X.], 276, B[X.]tBl II 1992, 88, unter [X.]; [X.]chreiben des [X.] vom 30.12.1996, B[X.]tBl I 1996, 1506; [X.]/[X.]/[X.], § 1 E[X.]tG Rz 252; Teller in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 1 Rz 132; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 1 E[X.]tG Rz 266; [X.]/[X.], E[X.]tG, 41. Aufl., § 1 Rz 56; [X.], E[X.] 2018, 634; offen gelassen im [X.]enatsurteil in [X.], 388, B[X.]tBl II 2015, 474, Rz 24).

Die Nichtberücksichtigung steuerfreier Einnahmen bei der Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 E[X.]tG wird z.T. ([X.] in Kirchhof/[X.]eer, E[X.]tG, 21. Aufl., § 1 Rz 20; vgl. auch [X.]enatsurteil in [X.], 388, B[X.]tBl II 2015, 474, Rz 24) als in Widerspruch zu der [X.]enatsrechtsprechung stehend angesehen, der zufolge bei der Anwendung des § 8 Abs. 5 --früher § 8 Abs. 3-- des Gesetzes über die Besteuerung bei [X.] ([X.] --A[X.]tG--) eine "niedrige Besteuerung" regelmäßig nicht gegeben ist, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft nach dem Recht des [X.] einem [X.]teuersatz oberhalb der [X.] unterliegen, die ausländische Finanzbehörde sie aber tatsächlich niedriger oder gar nicht besteuert hat ([X.]enatsurteil vom 09.07.2003 - I R 82/01, [X.], 547, B[X.]tBl II 2004, 4).

Der [X.]enat vermag jedoch einen Widerspruch zu jener Rechtsprechung nicht zu erkennen. In dem § 8 A[X.]tG betreffenden [X.]enatsurteil in [X.], 547, B[X.]tBl II 2004, 4 ging es um die Beurteilung eines [X.]achverhalts, in dem die betreffenden Einkünfte nach der Gesetzeslage in dem Geschäftsleitungsstaat steuerpflichtig --also nicht von der [X.]teuer befreit-- waren, die [X.]teuer in tatsächlicher Hinsicht von der dortigen Finanzbehörde aber nicht oder nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang erhoben worden war. Demgegenüber geht es bei der Frage, ob --z.B. nach § 3 E[X.]tG-- steuerfreie Einnahmen bei der Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 E[X.]tG zu berücksichtigen sind, nicht um eine gesetzwidrig nicht erhobene [X.]teuer, sondern um einen gesetzlich geregelten Tatbestand der [X.]teuerfreiheit. Ein triftiger sachlicher Grund dafür, steuerfreie Einnahmen im Rahmen der Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 E[X.]tG anders zu behandeln als von vornherein nicht steuerbare Einkünfte, besteht aus [X.]icht des [X.]enats nicht. Zudem betrifft die Frage der [X.]teuerfreiheit einzelner Einnahmen nach § 3 E[X.]tG [X.] der [X.]teuerbarkeit von Einkünften, bei denen es sich um einen [X.]aldobetrag aus Einnahmen und Ausgaben handelt (zutreffend [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 1 E[X.]tG Rz 266; [X.], E[X.] 2018, 634).

c) Aus diesen Maßgaben folgt, dass das von [X.] im [X.]treitjahr empfangene Krankengeld bei der Bemessung der Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG nicht zu berücksichtigen ist.

aa) Die Annahme des [X.], der Bezug der von der [X.] gewährten [X.] wäre bei Annahme inländischer Einkünfte keiner der von § 2 E[X.]tG erfassten Einkunftsarten zuordenbar, trifft allerdings nicht zu. Es handelt sich dabei vielmehr um Versicherungsleistungen, die zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 7 E[X.]tG) in Form (sonstiger) wiederkehrender Bezüge (§ 22 Nr. 1 [X.]atz 1 E[X.]tG) gehören würden.

aaa) [X.] sind Bezüge, wenn sie sich aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder einheitlichen Rechtsgrunds mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch nicht in gleicher Höhe, wiederholen (Urteil des [X.] --BFH-- vom 25.10.1994 - VIII R 79/91, [X.] 175, 439, B[X.]tBl II 1995, 121); ein einheitlicher Rechtsgrund kann u.a. auf Gesetz, Vertrag oder letztwilliger Verfügung beruhen (z.B. [X.]/[X.]/Nacke, § 22 E[X.]tG Rz 32; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 22 Rz 35).

bbb) Das von der [X.] geleistete Krankengeld erfüllt diese Voraussetzungen: Es beruht auf dem einheitlichen --gesetzlichen-- Rechtsgrund, nämlich den Bestimmungen des [X.] Ziektewet für die freiwillige Krankenversicherung bei der [X.]. Es wurde wiederholt und regelmäßig, anknüpfend an die einzelnen Tage der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, ausgezahlt.

Die vom Kläger gegen die Qualifikation als wiederkehrende Bezüge erhobenen Einwände sind nicht stichhaltig. [X.]o ändert der Umstand, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und die Gesamthöhe der Leistungen oft nicht von Beginn der Krankengeldzahlungen an feststeht, sondern von dem unter Umständen schwer zu prognostizierenden Krankheitsverlauf abhängig ist, nichts an dem einheitlichen Rechtsgrund für die Krankengeldzahlungen. Auch führt die freiwillige Mitgliedschaft der [X.] in der Krankenversicherung nicht dazu, dass die Krankengeldbezüge nicht der [X.] zurechenbar wären, weil die Bezüge "freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt" worden seien (§ 22 Nr. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG). Auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen Feststellungen war die [X.] gesetzlich zur Leistungserbringung verpflichtet und hat diese nicht "freiwillig" erbracht; auch hatte [X.] nach dem Vorbringen des [X.] in der Revisionserwiderung Beiträge für die Krankenversicherung aufzubringen. Die Regelung des § 22 Nr. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG steht in sachlichem Zusammenhang mit aufseiten des [X.] nicht abziehbaren Unterhaltszahlungen oder Zuwendungen (§ 12 Nr. 1 [X.]atz 1, Nr. 2 E[X.]tG) und soll eine doppelte steuerliche Belastung verhindern, die dadurch eintritt, dass regelmäßig aus dem versteuerten Einkommen geleistete Zuwendungen beim Empfänger dennoch voll besteuert werden (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1978 - VIII R 9/77, [X.] 126, 405, B[X.]tBl II 1979, 133). Eine vergleichbare [X.]ituation ist in den Fällen entgeltpflichtiger [X.]ozialversicherungsleistungen nicht gegeben.

bb) Die Krankengeldzahlungen sind jedoch ungeachtet ihrer grundsätzlichen [X.]teuerbarkeit bei der Berechnung des [X.] nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG nicht zu berücksichtigen, weil es sich auf der Basis [X.] Einkommensteuerrechts um steuerfreie Einnahmen gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a E[X.]tG handelt. Nach dieser Bestimmung sind steuerfrei u.a. Leistungen aus einer Krankenversicherung. Entgegen der Auffassung des [X.] umfasst dieser Tatbestand bereits für das [X.]treitjahr nicht ausschließlich Krankenversicherungsleistungen, die von inländischen Zahlstellen ausgezahlt worden sind. Der Wortlaut der Vorschrift (Leistungen aus "einer" Krankenversicherung) ist vielmehr denkbar weit und lässt keine territorialen Einschränkungen erkennen ([X.] Baden-Württemberg, Urteil vom [X.] - 14 K 2647/18, E[X.] 2019, 1903; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 3 Rz 32b). Die [X.] umfasst daher von jeher auch Leistungen ausländischer Krankenversicherungen (BFH-Urteile vom [X.] - VI R 9/96, [X.] 186, 247, B[X.]tBl II 1998, 581 --zu Krankentagegeldzahlungen einer [X.] Betriebskrankenkasse--; vom 29.04.2009 - X R 31/08, [X.], 1625 --zu "Geburtengeld" einer [X.] Krankenversicherung--; aus dem früheren [X.]chrifttum z.B. [X.]/[X.], E[X.]tG, 31. Aufl. [2012], § 3 [X.]tichwort "Krankheitskostenersatz" Buchst. a "Krankenversicherungsleistungen").

Die vom [X.] für seine gegenteilige [X.]ichtweise in Bezug genommene, mit Wirkung ab dem 01.01.2015 eingefügte Bestimmung des § 3 Nr. 2 Buchst. e E[X.]tG i.d.[X.] des Gesetzes zur Anpassung des nationalen [X.]teuerrechts an den Beitritt [X.] zur [X.] und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 ([X.] 2014, 1266, B[X.]tBl I 2014, 1126) --E[X.]tG n.[X.]--, nach der die mit den in § 3 Nr. 1 bis 2 Buchst. d E[X.]tG n.[X.] genannten Leistungen vergleichbaren Leistungen ausländischer Rechtsträger, die ihren [X.]itz in einem Mitgliedstaat der [X.] ([X.]), in einem [X.]taat, auf den das Abkommen über den [X.] (EWR) Anwendung findet oder in der [X.]chweiz haben, ebenfalls steuerfrei sind, hat daher für die Leistungen aus einer Krankenversicherung gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. a E[X.]tG a.[X.]/n.[X.] lediglich deklaratorische Bedeutung. § 3 Nr. 2 Buchst. e E[X.]tG n.[X.] zielt auf jene in § 3 Nr. 1 bis 2 Buchst. d E[X.]tG n.[X.] genannten Einnahmen ab, die auf bestimmten dort aufgeführten [X.] Leistungsgesetzen beruhen --wie z.B. Leistungen aufgrund des [X.]ozialgesetzbuchs, des Mutterschutzgesetzes oder des [X.]oldatenversorgungsgesetzes--, deren ausländische Entsprechungen bis dahin nicht von den jeweiligen [X.]teuerbefreiungstatbeständen erfasst waren (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 3 Nr. 2 E[X.]tG Rz 7).

cc) Der Umstand, dass nach den vorinstanzlichen Feststellungen das von [X.] empfangene Krankengeld in [X.] besteuert worden ist, führt nicht zu dessen Berücksichtigung im Rahmen der Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG. Da die Ermittlung der [X.] auf der ersten Berechnungsstufe auf der Grundlage des [X.] [X.]teuerrechts zu erfolgen hat, kommt es auf die steuerliche Behandlung der betreffenden Einkünfte durch den Wohnsitzstaat grundsätzlich nicht an (vgl. [X.]enatsurteil in [X.], 517, B[X.]tBl II 2009, 708).

In Ausnahme von diesem Grundsatz bestimmt die durch das J[X.]tG 2008 eingefügte Regelung des § 1 Abs. 3 [X.]atz 4 E[X.]tG, dass bei der Ermittlung der Einkünfte nach [X.]atz 2 nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind, unberücksichtigt bleiben. Dieser Tatbestand ist im [X.]treitfall nicht einschlägig, weil die [X.] nicht --wie dort vorausgesetzt-- in [X.] steuerfrei gewesen sind. Wie das [X.] zu Recht angenommen hat, kann der Bestimmung des § 1 Abs. 3 [X.]atz 4 E[X.]tG nicht im Umkehrschluss entnommen werden, dass Einkünfte, die im Ausland steuerpflichtig sind, nur deshalb in die Wesentlichkeitsgrenze einbezogen werden, weil sie im Inland steuerfrei wären ([X.]enatsurteil in [X.], 388, B[X.]tBl II 2015, 474, Rz 30; [X.] in Kirchhof/[X.]eer, a.a.[X.], § 1 Rz 20; [X.]/[X.], E[X.]tG, 41. Aufl., § 1 Rz 56; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 1 E[X.]tG Rz 284; Teller in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 Rz 132).

d) [X.]onach hat das [X.] die für die Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG maßgeblichen ([X.] der [X.] im [X.]treitjahr zutreffend mit ... € bemessen (Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ... € und Zinserträge in Höhe von ... €). Die davon der [X.] Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte betragen mehr als 90 % (relative Wesentlichkeitsgrenze); die nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte (Zinserträge) liegen außerdem unterhalb des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 [X.]atz 2 Nr. 1 E[X.]tG von 8.004 € (absolute Wesentlichkeitsgrenze).

3. Bei der Bemessung des [X.] zur Berechnung des besonderen [X.]teuersatzes nach Maßgabe von § 32b E[X.]tG hat das [X.] zu Recht die [X.] Zinseinkünfte nicht berücksichtigt. [X.] ist jedoch entgegen der Auffassung des [X.] das von der [X.] bezogene Krankengeld.

a) Gemäß § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 Halbsatz 1 E[X.]tG ist auf das nach § 32a Abs. 1 E[X.]tG zu versteuernde Einkommen ein besonderer [X.]teuersatz anzuwenden, wenn ein unbeschränkt [X.]teuerpflichtiger Einkünfte hat, die bei Anwendung u.a. von § 1 Abs. 3 E[X.]tG im Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht der [X.] Einkommensteuer oder einem [X.]teuerabzug unterliegen.

b) Das [X.] hat zu Recht --und vom [X.] nicht beanstandet-- angenommen, dass die Zinsen, die [X.] im [X.]treitjahr aus [X.] Quellen bezogen hat, im Rahmen des [X.] nach § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 Halbsatz 1 E[X.]tG außer Betracht bleiben. Ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen, die bei einem inländischen [X.]achverhalt der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 [X.]atz 1 oder § 43 Abs. 5 E[X.]tG unterliegen würden, sind bei der Anwendung des [X.] nicht zu berücksichtigen ([X.] Münster, Urteil vom 07.12.2016 - 11 K 2115/15 E, E[X.] 2017, 294; [X.] in Kirchhof/[X.]eer, a.a.[X.], § 32b Rz 22; [X.]/[X.]/Wagner, § 32b E[X.]tG Rz 74a; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 32b Rz 134; Gühne, [X.], 1511; offen gelassen im [X.]enatsurteil vom 12.08.2015 - I R 18/14, [X.] 251, 182, B[X.]tBl II 2016, 201).

Dies folgt aus § 2 Abs. 5b E[X.]tG, der bestimmt, dass Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 E[X.]tG nicht einzubeziehen sind, soweit Rechtsnormen des Einkommensteuergesetzes an die in § 2 Abs. 1 bis 5a E[X.]tG definierten Begriffe (Einkünfte, [X.]umme der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) anknüpfen. § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 E[X.]tG wird von dieser Regel angesprochen, indem er an die "Einkünfte" anknüpft, die bei Anwendung von (u.a.) § 1 Abs. 3 E[X.]tG unberücksichtigt bleiben. Die Außerachtlassung der der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitalerträge wird auch dem Zweck des [X.] gerecht. Dieser ist als Tarifvorschrift Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips und soll --im Falle des sog. positiven [X.]-- verhindern, dass infolge einer Nichtberücksichtigung zur Verfügung stehender steuerfreier Einkünfte ein doppelter steuerlicher Vorteil im Zusammenhang mit der Progressionswirkung des [X.] entsteht (vgl. z.B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 32b E[X.]tG Rz 3). Da die nach § 32d Abs. 1 [X.]atz 1 E[X.]tG der Einkommensteuer von 25 % und die nach § 43 Abs. 5 E[X.]tG der abgeltenden Wirkung des [X.] unterliegenden inländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen von der Progressionswirkung des [X.] ausgenommen sind, erscheint es konsequent, bei Anwendung des § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 E[X.]tG die entsprechenden nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte im Rahmen des [X.] ebenfalls außer Betracht zu lassen.

[X.]oweit der [X.]enat in dem Urteil in [X.] 251, 182, B[X.]tBl II 2016, 201 die Regelung des § 2 Abs. 5b E[X.]tG bei der Berechnung des [X.] zur Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG nicht angewendet hat, weil es sich bei dem von § 1 Abs. 3 E[X.]tG verwendeten Begriff der Einkünfte nicht um den allgemeinen, sondern um einen davon abzuhebenden, durch spezifische Merkmale qualifizierten Begriff der Einkünfte handele, ist diese Überlegung auf den Begriff der Einkünfte nach § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 E[X.]tG nicht zu übertragen.

c) Die Krankengeldzahlungen der [X.] sind hingegen im Rahmen des [X.] zu berücksichtigen.

aa) Das [X.] hat das Krankengeld "als ausländische [X.]ozialleistung" im Rahmen des [X.] nicht berücksichtigt. Insoweit stellt das [X.] offenkundig auf die Regelung des § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. b E[X.]tG ab, die die Einbeziehung des auf der Grundlage des Fünften Buchs [X.]ozialgesetzbuch ([X.]GB V) gewährten Krankengelds in den Progressionsvorbehalt anordnet und die in der Tat auf das auf Basis der [X.] gesetzlichen Krankenversicherung geleistete Krankengeld beschränkt ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 13.11.2014 - III R 36/13, [X.] 248, 24, B[X.]tBl II 2015, 563; Urteil des [X.] Baden-Württemberg in E[X.] 2019, 1903).

bb) Die Berücksichtigung des Krankengelds im Rahmen des [X.] folgt aber aus § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 5 E[X.]tG. Nach dieser Vorschrift sind Einkünfte, die bei Anwendung von § 1 Abs. 3 E[X.]tG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht der [X.] Einkommensteuer unterliegen, in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen.

Anders als bei der Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 [X.]atz 2 E[X.]tG ist die hypothetische [X.]teuerfreiheit der Krankengeldbezüge bei Anwendung [X.] Einkommensteuerrechts nach § 3 Nr. 1 Buchst. a E[X.]tG für den Bereich des [X.] kein Grund, diese Einkünfte unberücksichtigt zu lassen. Der Progressionsvorbehalt zielt vielmehr gerade darauf ab, solche Einkünfte in die Progressionswirkung des [X.] einzubeziehen, die aufgrund ihrer [X.]teuerfreiheit nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage eingehen. Das zeigt sich z.B. an § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. b E[X.]tG, der das auf der Grundlage des [X.]GB V gewährte Krankengeld in den Progressionsvorbehalt einbezieht. Dieses Verständnis steht zudem im Einklang damit, dass der Gesetzgeber nach Einfügung des § 3 Nr. 2 Buchst. e E[X.]tG n.[X.], der die Tatbestände der [X.]teuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 1 bis 2 Buchst. d E[X.]tG ab 2015 auf entsprechende Leistungen ausländischer Rechtsträger mit [X.]itz in [X.]/EWR-[X.]taaten ausgedehnt hat, die entsprechenden ausländischen Leistungen gemäß § 32b Abs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 Buchst. k E[X.]tG n.[X.] in den Progressionsvorbehalt einbezieht.

cc) Die Frage der Einbeziehung des Krankengelds in den Progressionsvorbehalt war nicht Gegenstand der Erörterungen der Beteiligten. Diese hatten jedoch nach gerichtlichem Hinweis vom 19.04.2022 Gelegenheit zur [X.]tellungnahme.

4. Das [X.] ist von einer anderen Auffassung ausgegangen. [X.]ein Urteil ist daher aufzuheben und der angefochtene Bescheid ist nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen abzuändern. Die Ermittlung der [X.]teuer wird gemäß § 100 Abs. 2 [X.]atz 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) dem [X.] übertragen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.]O.

6. Das Urteil ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 [X.]atz 1 [X.]O).

Meta

I R 3/18

01.06.2022

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 5. Dezember 2017, Az: 10 K 1232/16 E, Urteil

§ 1 Abs 3 S 2 EStG 2009, § 3 Nr 1 Buchst a EStG 2009, § 32b Abs 1 S 1 Nr 5 EStG 2009, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.06.2022, Az. I R 3/18 (REWIS RS 2022, 5373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5373

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