Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2015, Az. XII ZB 494/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8544

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 494/14

vom

8. Juli 2015

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §
6 Satz
1; [X.] §
1899 Abs.
4
Wird ein Betreuer neben einem Bevollmächtigten bestellt, weil dieser an einer Verrichtung
bestimmter Tätigkeiten rechtlich verhindert ist, ist die Vergütung des Betreuers in entsprechender Anwendung des §
6 Satz
1 [X.] nach kon-kretem Zeitaufwand zu bemessen.
[X.], Beschluss vom 8. Juli 2015 -
XII ZB 494/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der
XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 8.
Juli 2015
durch den
Vor-sitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke
und [X.], Dr.
Günter und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2
wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 15.
Juli 2014 aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bersenbrück
vom 13.
Mai 2014 wird auf Kosten des weiteren Be-teiligten
zu
1 zurückgewiesen.
Die Kosten des [X.] werden dem weite-ren Beteiligten
zu
1 auferlegt.

[X.]: 2.376

Gründe:
I.

Der Beteiligte zu
1 (im Folgenden: Betreuer)
begehrt eine Vergütung nach §§
4, 5 [X.].
Für die Betroffene besteht eine Vorsorgevollmacht. Bevollmächtigt ist [X.] Schwiegertochter, die zugleich Eigentümerin eines Grundstücks ist, für das zugunsten der Betroffenen
ein Nießbrauchsrecht eingetragen
ist, das gelöscht 1
2
-
3
-
werden soll. Eine Befreiung von §
181 [X.] enthält die Vollmacht nicht. Der [X.] wurde deshalb für den Aufgabenkreis "Bewertung und Ablösung des Nießbrauchs an dem Hausgrundstück"
bestellt; ferner stellte das Amtsgericht die berufsmäßige Ausübung seines Amtes fest.
Den auf §§
4, 5 [X.] gestützten Vergütungsantrag des Betreuers hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Auf dessen
Beschwerde hat das [X.] die Vergütung antragsgemäß auf 2.376

die Beteiligte zu
2, die Landeskasse, mit
ihrer zugelassenen [X.].

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] vertritt die Auffassung, dass der Betreuer einen [X.] nach §§
4, 5 [X.] habe. Eine direkte Anwendung der [X.] über die Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand gemäß §
6 Satz
1 [X.] komme nicht in Betracht, weil
es nicht um das Tätigwerden aufgrund ei-ner rechtlichen Verhinderung eines anderen Betreuers im Sinne des §
1899 Abs.
4 [X.], sondern eines [X.]
gehe.
Eine analoge An-wendung des §
6 Satz
1 [X.] scheide ebenfalls aus.
Die Bestellung eines
[X.]s aufgrund der rechtlichen Verhinderung eines [X.] sei nicht mit der gesetzlichen Regelung vergleichbar.
Entgegen der Ansicht des [X.] entstehe kein weiterer finanzieller Aufwand durch die Vergütung des

für einen verhinderten [X.] tätig wer-denden

Betreuers nach §§
4, 5 [X.]. Dies folge daraus, dass Vorsorgebe-3
4
5
-
4
-
vollmächtigte im Gegensatz zu beruflichen Betreuern häufig kostenlos und rein altruistisch tätig würden.
Im Übrigen stehe einer analogen Anwendung der Ausnahmecharakter des §
6 Satz
1 [X.] entgegen. Eine allgemeine Ausnahme von der pauscha-lierten Vergütung für alle Fälle, in denen der Betreuer nur für einen begrenzten Aufgabenbereich oder eine einzelne Angelegenheit bestellt werde, sei nicht gewollt.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Entgegen der Auffassung des [X.]s findet §
6 Satz
1 [X.] in Verbindung mit §
1899 Abs.
4 [X.] entsprechend Anwendung, wenn ein [X.] wegen einer rechtlichen Verhinderung des [X.] bestellt werden muss.
aa) Gemäß §
1899 Abs.
4
[X.] kann das Gericht mehrere Betreuer in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert
ist. Nach §
6 Satz
1 [X.] erhält der Betreuer in diesem Fall eine Vergütung nach §
1 Abs.
2 i.V.m. §
3 [X.], also nach konkretem Zeitaufwand. Eine Ausnahme hiervon sieht §
6 Satz
2 [X.] nur für den Fall vor, dass die Verhinderung tatsächlicher Art ist. Dabei unterscheidet §
6 Satz
2 [X.] ausdrücklich zwischen der dort genannten tat-sächlichen Verhinderung, die eine anteilige pauschale Vergütung unberührt lässt, und der -
nicht ausdrücklich genannten
-
rechtlichen Verhinderung. Aus Rechtsgründen verhindert ist eine Person,
die die Voraussetzungen der §§
1908
i Abs.
1, 1795 [X.] oder des §
181 [X.] erfüllt, die also bereits von Gesetzes wegen zur Vertretung der betroffenen Person nicht berechtigt ist oder der gemäß §§
1908
i Abs.
1, 1796 [X.] wegen Interessenkollision die Vertre-6
7
8
9
-
5
-
tungsbefugnis entzogen worden ist oder nicht übertragen werden kann (Se-natsbeschluss vom 20.
März 2013 -
XII
ZB
231/12
-
FamRZ 2013, 873 Rn.
14).
Die hier zu beantwortende Frage, ob die Verweisung auf §
1899 Abs.
4 [X.] auch den Fall erfasst, dass nicht ein vom Gericht bestellter Betreuer, son-dern ein Bevollmächtigter rechtlich verhindert ist, hat der [X.] bislang aus-drücklich offen gelassen ([X.]sbeschluss vom 20.
März 2013 -
XII
ZB
231/12
-
FamRZ 2013, 873 Rn.
13).
Nach der zu §
6 [X.] ergangenen Rechtsprechung des [X.]s kann die Vergütungsregelung des §
6 [X.] zum einen über die dort genannten Sonderfälle des [X.] aus Rechtsgründen und des [X.] hinaus nicht analog auf Betreuer angewandt werden, die nur für eine Angelegenheit bestellt worden sind
([X.]sbeschluss vom 20.
März 2013

XII
ZB
231/12
-
FamRZ 2013, 873
Rn.
16
ff.).
Andererseits kann ein Ergän-zungsbetreuer, der wegen einer rechtlichen Verhinderung des Betreuers be-stellt worden ist, auch
dann keine pauschale Vergütung nach §§
4, 5 [X.] ver-langen, wenn seine Tätigkeit auf einen längeren Zeitraum angelegt ist und sich nicht in einer konkreten, punktuellen Maßnahme erschöpft
([X.]sbeschluss vom 4.
Juni 2014

XII
ZB
625/13

FamRZ 2014, 1449
Rn.
13
ff.).
Dabei hat der [X.] im ersten Fall eine analoge Anwendung und im zweiten Fall eine teleolo-gische Reduktion des §
6 [X.] unter Hinweis auf den Gesetzeszweck abge-lehnt: Mit der Einführung der pauschalen Betreuervergütung sollte ein einfaches und streitvermeidendes Abrechnungssystem geschaffen werden. Um diesen Zweck weitestgehend zu erreichen, hat der Gesetzgeber in §
6 [X.] nur zwei Ausnahmen von dem Pauschalierungssystem geschaffen. Eine allgemeine Ausnahme von der pauschalen Vergütung für alle Fälle, in denen der Betreuer nur für einen begrenzten Aufgabenbereich oder eine einzelne Angelegenheit bestellt wird, war nicht gewollt. Bis auf die zahlenmäßig geringen Sonderfälle 10
11
-
6
-
des §
6 [X.] sollte es von der Pauschalvergütung keine Ausnahmetatbestän-de geben, weil jeder Ausnahmetatbestand zu Streitigkeiten über seinen An-wendungsbereich und gegebenenfalls eine analoge Anwendung führen würde. Dieser gesetzgeberische Wille würde missachtet, wenn über die Sonderfälle des §
6 [X.] i.V.m. §
1899 Abs.
2 und
4 [X.] hinaus in den Fällen, in denen die Betreuung nur einen begrenzten Aufgabenbereich oder nur eine Angele-genheit umfasst, abweichend vom System der Pauschalvergütung stets nach konkretem Zeitaufwand abgerechnet werden könnte ([X.]sbeschlüsse vom 4.
Juni 2014

XII
ZB
625/13

FamRZ 2014, 1449 Rn.
16 und vom 20.
März 2013

XII
ZB
231/12

FamRZ 2013, 873 Rn.
19
f.
jeweils mwN).
bb) Mit der Rechtsbeschwerde ist eine
analoge Anwendung des §
6 Satz
1 [X.] i.V.m. §
1899 Abs.
4 [X.] auf die Fälle der vorliegenden Art aber zu bejahen (ebenso [X.] Beschluss vom 15.
September 2010

33
Wx
60/10
-
juris; juris PK-[X.]/[X.] [Stand 10.
März 2015]
§
6 [X.] Rn.
10; [X.] Beschluss vom 11.
Dezember 2007

6
T
4842/07

juris Rn.
10).
Die Voraussetzungen für eine Analogie
sind gegeben (vgl. hierzu [X.]Z 105, 140 =
NJW 1988, 2734
f.). Es liegt nicht nur eine planwidrige
Rege-lungslücke vor, vielmehr ist der zur Beurteilung stehende Sachverhalt mit dem vergleichbar, den der Gesetzgeber geregelt hat.
Zwar ist dem [X.] dahin Recht zu geben, dass §
6 Satz
1 [X.] restriktiv auszulegen ist. Dabei geht es aber, wie sich dem Gesetzeszweck ent-nehmen lässt, um die im Einzelfall schwierige Abgrenzung, ob eine Tätigkeit auf einen längeren Zeitraum angelegt ist oder sich in einer konkreten, punktuellen Maßnahme erschöpft. Solche Streitfragen sollen nach dem Willen des Geset-zesgebers ausdrücklich vermieden werden. Anders verhält es sich hingegen mit der Verweisung auf §
1899 Abs.
4 [X.]. Mit ihr hat der Gesetzgeber eine [X.] dahingehend eröffnet, dass der bei rechtlicher Verhinderung zu 12
13
-
7
-
bestellende Betreuer eine Vergütung nach §
1 Abs.
2 i.V.m. §
3 [X.] erhält. Dabei stellt sich die beschriebene
Abgrenzungsfrage
nicht; es ist vielmehr fest-zustellen, ob eine rechtliche Verhinderung vorliegt. Insoweit bildet der in §
1899 Abs.
4 [X.] enthaltene Regelungsbereich vom Sinn und Zweck der Norm auch die hier zu entscheidende Fallkonstellation
ab; in beiden Fällen ist ein Betreuer zu bestellen, weil der an sich berufene Vertreter des Betroffenen rechtlich ver-hindert ist. Die

in §
1899 Abs.
4 [X.] nicht genannte

Bevollmächtigung kann demgemäß als Äquivalent zur Betreuung angesehen werden (so jurisPK-[X.]/[X.] [Stand 10.
März 2015]
§
6 [X.] Rn.
10). Die Interessenlage des (vermögenden) Betroffenen bzw. der Staatskasse ist dieselbe unabhängig da-von, ob die rechtliche Vertretung des Betroffenen von einem (anderen) Betreuer oder einem Bevollmächtigten wahrgenommen wird. Es soll jeweils ein finanziel-ler Aufwand vermieden werden, dem keine gleichwertige Leistung gegenüber-steht ([X.] Beschluss vom 15.
September 2010 -
33
Wx
60/10
-
juris Rn.
13). Soweit das [X.] meint, eine Vorsorgevollmacht würde in der Regel
keine Kosten nach sich ziehen, vermag dies nichts daran zu ändern, dass durch die Bewilligung einer pauschalen Vergütung nach §§
4, 5 [X.] im Normalfall gegenüber der nach konkretem Zeitaufwand abzurechnenden [X.] höhere Kosten entstehen.
b)
Gemessen hieran kann die angefochtene Entscheidung keinen [X.] haben. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen resultierte die Betreuerbestellung daraus, dass die Vorsorgebevollmächtigte nicht von dem Verbot von In-Sich-Geschäften des §
181 [X.] befreit war. Demzufolge ist der Betreuer der Sache nach als Ergänzungsbetreuer im Sinne des §
1899
Abs.
4 [X.] tätig geworden, weshalb er nur eine Vergütung nach §
6 Satz
1 i.V.m. §§
1 und 3 [X.] beanspruchen kann.

14
-
8
-
3.
Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist die angefochtene Entscheidung auf-zuheben. Nach §
74 Abs.
6 Satz
1
FamFG kann der [X.] in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Da sich der Betreuer auf einen Vergütungsantrag nach §§
4, 5 [X.] beschränkt hat,
ist der amtsgerichtliche
Beschluss wieder herzustellen.

Dose

Weber-Monecke

Schilling

Günter

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.05.2014 -
15 XVII K 871 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.07.2014 -
3 T
282/14 -

15

Meta

XII ZB 494/14

08.07.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.07.2015, Az. XII ZB 494/14 (REWIS RS 2015, 8544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8544

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Betreuervergütung: Voraussetzungen für die Vergütung nach dem konkreten Zeitaufwand


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XII ZB 494/14

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