Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2018, Az. 7 AZR 92/17

7. Senat | REWIS RS 2018, 2481

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Gegenstand

Befristung - Eigenart der Arbeitsleistung - Producer bei einer Rundfunkanstalt


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 21. September 2016 - 8 [X.]/16 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 14. Februar 2016 geendet hat.

2

Der Kläger war bei der beklagten Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts in der [X.] von 1992 bis Anfang des Jahres 2010 als freier [X.]itarbeiter zunächst in geringfügigem Umfang bzw. als Volontär und ab 1998 nahezu im zeitlichen Umfang eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in der [X.] tätig. Ab dem 15. Februar 2010 war der Kläger bei der Beklagten als Producer auf der Grundlage von zwei befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 10. Februar 2010 heißt es:

        

„§ 1   

        

Der Arbeitnehmer wird vom [X.] mit Wirkung vom 15.02.2010 befristet bis 14.02.2013 als

        

Producer

        

eingestellt.

        

Die Befristung erfolgt, weil die zur Verfügung stehende Planstelle aus programmlichen Gesichtspunkten befristet ausgeschrieben wurde und der Arbeitnehmer programmgestaltend tätig wird.

        

…“    

3

Die Stellenausschreibung für die Stelle des [X.] vom 24. September 2009 lautet auszugsweise wie folgt:

        

„Der [X.] - [X.]örfunkdirektion - sucht für [X.] F in [X.] zum nächstmöglichen Termin - befristet für 3 Jahre - einen/eine [X.]itarbeiter/in als

        

Producer

        

(Kinderprogramm)

        

Das Arbeitsgebiet umfasst im Wesentlichen folgende Aufgaben:

        

-       

Einsatz als Radiojournalist/in mit Schwerpunkt Kinder-/Familienprogramm

        

-       

inhaltliche Planung und Produktion aller nötigen Programmelemente sowie in [X.] als auch [X.] [X.]insicht

        

-       

Entwicklung neuer, moderner und multimedialer Formate

        

-       

[X.]oderation von Sendungen und Off-Air-Veranstaltungen

        

-       

Entwicklung von Spiel- und Gestaltungsideen, die die auditiven [X.]öglichkeiten des [X.]örfunks mit den audiovisuellen Potentialen der Online-Verbreitung im Web sinnvoll miteinander verschränken

        

-       

Gestaltung eines populären und anspruchsvollen Spielplans für die Kinder und Enkelkinder der hörfunk-affinen Eltern und Großeltern

        

-       

Führung und Ausbau eines fachspezifischen Stammes von freien Autoren und [X.]itarbeitern

        

-       

Sichtung und Beurteilung der Autorenangebote und Themenvorschläge

        

-       

Vorkalkulation der Produktionen, Autorenaufträge, Reportagen etc.

        

-       

Planung und Überwachung der Programm-, Produktions- und Nebenkosten

        

…“    

4

[X.]it Änderungsvertrag vom 24. Januar 2013 vereinbarten die Parteien, ihr Arbeitsverhältnis unter Beibehaltung der sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen bis zum 14. Februar 2016 zu verlängern. Bereits vor Vertragsschluss hatte die Beklagte beschlossen, das Kinderprogramm konzeptionell neu auszurichten. Nach ihrer Planung sollte die in Auftrag gegebene Neukonzeption bis zum Ende des Jahres 2015 abgeschlossen sein. Dieser Plan verzögerte sich, wurde aber von der Beklagten nicht aufgegeben. Am 24. November 2015 schrieb die Beklagte die Stelle eines Producers für den Programmbereich [X.] J in [X.] unbefristet aus.

5

[X.]it seiner am 20. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 27. Oktober 2015 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der [X.] vom 24. Januar 2013 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung seines Arbeitsvertrags sei nicht wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] gerechtfertigt. Die Beklagte könne sich als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nicht auf die Rundfunkfreiheit berufen. Jedenfalls müsse die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen, da er aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung einen erheblichen Bestandsschutz genieße, während bei der Beklagten kein Bedürfnis nach einem personellen Wechsel bestehe. Er sei aufgrund seiner Fähigkeiten und Erfahrungen in der Lage, das [X.] auch nach dessen Umgestaltung verantwortlich zu betreuen. Er könne auch in anderen [X.] als Producer eingesetzt werden.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der [X.] vom 24. Januar 2013 mit Ablauf des 14. Februar 2016 geendet hat.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] gerechtfertigt. Der Kläger habe ausweislich der Stellenbeschreibung zum Kreis der inhaltlich programmgestaltenden [X.]itarbeiter gehört. Unter Berücksichtigung des erheblichen Einflusses des [X.] auf die Gestaltung des [X.]s und dessen beabsichtigter Neuausrichtung überwiege ihr durch die Rundfunkfreiheit geschütztes Interesse am Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags das Bestandsschutzinteresse des [X.]. Auf die Eignung des [X.], als Producer im neu konzipierten Programm tätig zu werden, komme es nicht an, da das neue Konzept für das [X.] im [X.]punkt der [X.] noch nicht festgestanden habe. Sie habe daher bei Vertragsschluss davon ausgehen können, dass der Kläger nicht ausreichend geeignet sei, auch in der geänderten Programmstruktur tätig zu werden. Dies habe sich bestätigt. Bei der Interessenabwägung sei zugunsten des [X.] nur die Dauer seines Arbeitsverhältnisses, nicht aber die [X.] seiner Tätigkeit als freier [X.]itarbeiter zu berücksichtigen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat sie abgewiesen. [X.]it seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der [X.] kann aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Befristung des Arbeitsvertrags des [X.] zum 14. Februar 2016 durch die Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] gerechtfertigt ist.

I. Das [X.] ist mit einer rechtsfehlerhaften Begründung zu dem Ergebnis gelangt, die Befristung sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] gerechtfertigt.

1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn diese durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist.

a) In § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] ist nicht näher bestimmt, welche Eigenarten der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigen. Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass mit dem Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der [X.] (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) und der Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen werden soll ([X.]. 14/4374 S. 19). Die Regelung ist daher geeignet, die Befristung von Arbeitsverträgen mit programmgestaltenden Mitarbeitern bei Rundfunkanstalten zu rechtfertigen ([X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 11; 18. Mai 2016 - 7 [X.] - Rn. 18, [X.]E 155, 101). Das folgt aus der Notwendigkeit, bei der Auslegung des Begriffs des sachlichen Grundes iSd. § 14 Abs. 1 [X.] die für die Rundfunkanstalten durch die [X.] (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gewährleisteten Freiräume bei der Wahl des [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.] 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 15; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 10, [X.]E 119, 138; [X.]. 14/4374 S. 19). Der durch das [X.] gesetzlich ausgestaltete arbeitsrechtliche Bestandsschutz begrenzt als allgemeines Gesetz nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht nur die [X.], sondern wird auch seinerseits durch die Freiheit des Rundfunks begrenzt ([X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 11; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 15; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 11, aaO; vgl. zum früheren Recht vor Inkrafttreten des [X.] [X.] 28. Juni 1983 - 1 [X.] - [X.] 64, 256, 261). Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Rundfunkmitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken. Grundsätzlich schließt dies auch die Entscheidung darüber ein, ob Mitarbeiter fest oder nur für eine vorübergehende Dauer beschäftigt werden. Folglich kann die Befristung der Arbeitsverträge mit programmgestaltend tätigen Arbeitnehmern mit der [X.] gerechtfertigt werden ([X.] 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 11, aaO). Allerdings kommt der [X.] gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an einer Dauerbeschäftigung kein genereller Vorrang zu. Ist der Schutzbereich der [X.] berührt, sind die Belange der Rundfunkanstalt und des betroffenen Arbeitnehmers im Einzelfall abzuwägen (vgl. [X.] 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 15; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 11, 20 f., aaO; vgl. zu diesen Grundsätzen auch [X.] 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93, 1 [X.], 1 [X.] - zu II 2 c bb der Gründe).

b) Diese Grundsätze zur Auslegung und Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] entsprechen den Vorgaben der Richtlinie 1999/70/[X.] und der inkorporierten [X.]B-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (vgl. ausführlich [X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 14 f.).

2. Danach ist die Würdigung des [X.]s, die im Änderungsvertrag der Parteien vom 24. Januar 2013 vereinbarte Befristung zum 14. Februar 2016 sei durch die Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] sachlich gerechtfertigt, nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die [X.] sich als Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts auf die [X.] nach § 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen kann. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. Träger des Grundrechts sind alle natürlichen und juristischen Personen, die Rundfunk veranstalten ([X.] 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96 - zu [X.], [X.] 95, 220). Das gilt nicht nur für private Veranstalter, sondern auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie die [X.] ([X.] 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 18).

b) Das [X.] hat auch zutreffend angenommen, dass der Kläger als programmgestaltender Mitarbeiter tätig war. Das ergibt sich aus der Stellenbeschreibung vom 24. September 2009 und wird von der Revision nicht in Abrede gestellt.

c) Die vom [X.] vorgenommene Abwägung der Interessen der Parteien hält jedoch einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Bei der Prüfung, ob die Befristung des Arbeitsvertrags eines programmgestaltenden Mitarbeiters mit einer Rundfunkanstalt wegen der Eigenart der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 [X.] gerechtfertigt ist, ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers und den im Falle einer unbefristeten Beschäftigung zu erwartenden Auswirkungen auf die [X.] vorzunehmen. Dazu sind die Belange der Rundfunkanstalt und des Arbeitnehmers im Einzelfall abzuwägen, wobei den Rundfunkanstalten die zur Erfüllung ihres Programmauftrags notwendige Freiheit und Flexibilität nicht genommen werden darf. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass das [X.] das Bedürfnis der Rundfunkanstalten für die Beschäftigung von programmgestaltenden Mitarbeitern in befristeten Arbeitsverhältnissen vor allem deshalb anerkennt, weil veränderte [X.], Programmtechniken, [X.] und [X.] eine Veränderung der Programmstruktur erforderlich machen und im Regelfall nicht zu erwarten ist, dass die bisher für die Programmgestaltung verantwortlichen Mitarbeiter ausreichend geeignet sind, auch in den geänderten Programmstrukturen tätig zu werden ([X.] 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - [freier Rundfunkmitarbeiter, [X.]] [X.] 59, 231; [X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 26; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 32; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 24, [X.]E 119, 138). Andererseits ist die Interessenabwägung im Sinn einer praktischen Konkordanz ergebnisoffen vorzunehmen. Es kommt nicht von vornherein einer Position ein Übergewicht zu. Der sich aus den wechselseitigen Grundrechtspositionen ergebende Konflikt schließt jede undifferenzierte Lösung aus, welche den Schutz des einen Rechtsguts ohne ausführliche Würdigung dem Schutz des anderen Rechtsguts opfert. Weder darf den programmgestaltend tätigen Rundfunkmitarbeitern der arbeitsrechtliche Bestandsschutz generell versagt werden, noch dürfen bei der Entscheidung über diesen Schutz die Regeln und Maßstäbe des Arbeitsrechts in einer Weise auf die [X.] dieser Mitarbeiter angewendet werden, die das durch die Verfassung geschützte Recht der Rundfunkbetreiber, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung dieser Mitarbeiter zu bestimmen, unberücksichtigt lässt ([X.] 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - [freier Rundfunkmitarbeiter, [X.]] aaO; [X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 26; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 32; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 28, aaO). Im Einzelfall kommt es insbesondere darauf an, mit welcher Intensität der betroffene Mitarbeiter auf das Programm der Rundfunkanstalt Einfluss nehmen kann und wie groß die Gefahr im Falle eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist, dass die Rundfunkanstalt nicht mehr den Erfordernissen eines vielfältigen Programms und den sich künftig ändernden [X.] und [X.] gerecht werden kann. Dabei kann eine lang andauernde Beschäftigung ein Indiz dafür sein, dass bei einer Rundfunkanstalt kein Bedürfnis nach einem personellen Wechsel besteht ([X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 26; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 32; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 21, aaO). Es unterliegt der tatrichterlichen Würdigung des [X.]s, welche Gesichtspunkte im Streitfall von Bedeutung sind. Die tatrichterliche Interessenabwägung ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob das [X.] Rechtsbegriffe verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat und ob die vorgenommene Würdigung in sich widerspruchsfrei ist ([X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 26; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 32; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 21, aaO).

bb) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die vom [X.] vorgenommene Interessenabwägung in dem angefochtenen Urteil nicht stand. Das [X.] hat nicht alle für die Interessenabwägung maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Es hat zu Unrecht die [X.] der Tätigkeit des [X.] als freier Mitarbeiter von 1998 bis 2010 von vornherein unberücksichtigt gelassen. Diese [X.] ist zwar für das Bestandsschutzinteresse des [X.] nicht von Bedeutung. Das [X.] hat aber nicht berücksichtigt, dass eine dem Arbeitsverhältnis vorgelagerte langjährige programmgestaltende Tätigkeit als freier Mitarbeiter mit der gleichen oder einer vergleichbaren Tätigkeit wie im späteren Arbeitsverhältnis gegen ein Bedürfnis der beklagten Rundfunkanstalt nach einem personellen Wechsel sprechen kann.

(1) Eine dem Arbeitsverhältnis vorgelagerte Tätigkeit als freier Mitarbeiter ist für das Bestandsschutzinteresse des programmgestaltenden Mitarbeiters nicht von Belang (vgl. [X.] 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 36; 22. April 1998 - 5 [X.] - zu IV 2 b der Gründe, [X.]E 88, 263). Der arbeitsrechtliche Bestandsschutz, der das Grundrecht der [X.] beschränkt, sichert die Mitarbeiter, die diesen Bestandsschutz genießen, in ihrer beruflichen Position und damit in ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit. Er kommt nur angestellten Mitarbeitern, nicht aber freien Mitarbeitern zugute (vgl. [X.] 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - [freier Rundfunkmitarbeiter, [X.]] zu [X.] 3 b der Gründe, [X.] 59, 231) und kann deshalb nur durch eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis, nicht aber durch eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter begründet werden.

(2) Eine dem Arbeitsverhältnis vorgelagerte Tätigkeit als freier Mitarbeiter mit den gleichen oder vergleichbaren Tätigkeiten wie im Arbeitsverhältnis kann aber bei dem auf Seiten der Rundfunkanstalt zu berücksichtigenden Bedürfnis nach einem personellen Wechsel von Bedeutung sein. Beschäftigt eine Rundfunkanstalt einen programmgestaltenden Mitarbeiter über eine lange [X.] mit der gleichen Tätigkeit, kann dies ein Indiz dafür sein, dass aus ihrer Sicht ein personeller Wechsel nicht notwendig ist, um den Erfordernissen eines vielfältigen Programms und den sich künftig ändernden [X.] und [X.] gerecht zu werden (vgl. [X.] 13. Dezember 2017 - 7 [X.] - Rn. 26; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 32; 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 21, [X.]E 119, 138). Das gilt nicht nur für eine langjährige Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis, sondern auch für eine dem Arbeitsverhältnis vorgelagerte Tätigkeit als freier Mitarbeiter, während der der spätere Arbeitnehmer die gleichen oder gleichartige Tätigkeiten wie in dem späteren Arbeitsverhältnis ausgeübt hat. Die Rundfunkanstalt kann ihrem Wechselbedürfnis nicht nur durch die Befristung von Arbeitsverträgen programmgestaltender Mitarbeiter, sondern auch durch deren Beschäftigung als freie Mitarbeiter Rechnung tragen. Auch in diesem Fall kann eine langjährige Tätigkeit dafür sprechen, dass bei der Rundfunkanstalt kein Bedürfnis nach einem Wechsel besteht (vgl. [X.] 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - [freier Rundfunkmitarbeiter, [X.]] zu [X.]I 2 der Gründe, [X.] 59, 231). Daher darf eine dem Arbeitsverhältnis vorgelagerte Tätigkeit als freier Mitarbeiter mit den gleichen oder vergleichbaren Tätigkeiten wie im späteren Arbeitsverhältnis bei der Frage, ob ein Bedürfnis der Rundfunkanstalt nach einem personellen Wechsel besteht, nicht unberücksichtigt bleiben. Dies hat das [X.] verkannt.

II. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann die erforderliche Interessenabwägung nicht selbst vornehmen. Dafür bedarf es weiterer Feststellungen und einer darauf bezogenen tatrichterlichen Würdigung. Das [X.] wird den Parteien in dem neuen Berufungsverfahren Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu geben haben, um die notwendigen Feststellungen und eine abschließende Würdigung zu ermöglichen.

1. Das [X.] wird konkrete Feststellungen zu Art und Umfang der möglichen Einflussnahme des [X.] auf die Inhalte des von ihm gestalteten [X.] zu treffen haben, um beurteilen zu können, wie groß die Gefahr ist, dass die [X.] im Falle eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht mehr den Erfordernissen eines vielfältigen Programms und den sich künftig ändernden [X.] gerecht werden kann. Dabei kann die beabsichtigte Neukonzeption des vom Kläger betreuten [X.] ebenso von Bedeutung sein wie etwaige Fähigkeiten und Erfahrungen des [X.], die seinen Einsatz als Producer im Rahmen möglicher geänderter Programmstrukturen oder in anderen [X.] aus Sicht der [X.]n als geeignet erscheinen lassen. Ferner wird zu berücksichtigen sein, dass die [X.]en der Beschäftigung des [X.] als freier Mitarbeiter von 1998 bis 2010, als er nahezu im zeitlichen Umfang eines Vollzeitarbeitsverhältnisses bei der [X.]n tätig war, gegen das Bedürfnis der [X.]n nach einem personellen Wechsel sprechen können, sofern die Tätigkeit als freier Mitarbeiter mit der im Arbeitsverhältnis nach Art und Umfang vergleichbar ist. Dies wird das [X.] aufzuklären haben.

2. Das [X.] wird das Interesse der [X.]n an der nur vorübergehenden Beschäftigung des [X.] mit seinem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Bestandsschutzinteresse, das insbesondere von der Dauer seines Arbeitsverhältnisses und seinem Lebensalter bestimmt sein dürfte, abzuwägen haben. Bei der Darstellung seiner Interessenabwägung wird das [X.] zu beachten haben, dass nicht nur das Ergebnis der Abwägung, sondern auch die berücksichtigten Bewertungskriterien und insbesondere deren Gewichtung aus der Entscheidung erkennbar werden (vgl. [X.] 26. Juli 2006 - 7 [X.] - Rn. 28, [X.]E 119, 138).

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    Deinert    

        

    [X.]    

                 

Meta

7 AZR 92/17

24.10.2018

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Leipzig, 10. März 2016, Az: 6 Ca 3811/15, Urteil

§ 14 Abs 1 S 2 Nr 4 TzBfG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 12 Abs 1 GG, EGRL 70/99

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2018, Az. 7 AZR 92/17 (REWIS RS 2018, 2481)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 948 REWIS RS 2018, 2481

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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