Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.05.2015, Az. 8 W (pat) 30/12

8. Senat | REWIS RS 2015, 10484

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Verfahren zur Herstellung eines Fertigteils aus einem Rohteil mittels eines Fräswerkzeuges" – zu im Einspruchsbeschwerdeverfahren vorgebrachten neuen Widerrufsgründen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2008 033 130

hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2015 durch den Vorsitzenden [X.]. Dr. phil. nat. [X.] sowie die Richter Dr. agr. [X.], [X.] und die Richterin Grote-Bittner

beschlossen:

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Auf die am 15. Juli 2008 beim [X.] eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 10 2008 033 130 mit der Bezeichnung „Verfahren zur Herstellung eines Fertigteils aus einem [X.] mittels eines [X.]“ erteilt und die Erteilung am 11. Februar 2010 veröffentlicht worden.

2

Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 11. Mai 2010, der am selben Tag beim [X.] eingegangen ist, fristgerecht Einspruch erhoben und den Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang beantragt. Als Widerrufsgründe hat die Einsprechende fehlende Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) angegeben und sich dabei auf fehlende Neuheit (§ 3 [X.]) und fehlende erfinderische Tätigkeit (§ 4 [X.]) gestützt.

3

Auf den Einspruch der [X.] hat die [X.] des [X.]s mit dem in der Anhörung am 30. März 2011 verkündeten Beschluss das Patent aufrechterhalten. Die schriftliche Abfassung des Beschlusses mit Gründen ist am 15. September 2011 erstellt und den Parteien gemäß Empfangsbestätigungen am 19. September 2011 zugestellt worden. Nach Auffassung der [X.] könne der [X.] entgegengehaltene Stand der Technik weder für sich noch in Kombination die Merkmale des streitpatentgemäßen Verfahrens nach Patentanspruch 1 vorwegnehmen oder nahelegen.

4

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der [X.]. Sie meint, dass das Streitpatent zu widerrufen sei, da es nicht über die [X.] gemäß §§ 3, 4 [X.] verfüge und darüberhinaus das Streitpatent die vermeintliche Erfindung nicht so deutlich und hinreichend offenbare, dass der Fachmann sie ausführen könne. Zu dem [X.] gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.] führt sie aus, dass die Einsprechende im Verlauf der mündlichen Anhörung am 30. März 2011 vor der [X.] bereits in Erweiterung ihres Antrags vom 11. Mai 2010 den weiteren [X.] der nicht hinreichend deutlichen und vollständigen Offenbarung der Erfindung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.] eingebracht habe.

5

Im Übrigen widerspricht sie der Auffassung der [X.]. Sie hält das angegriffene Patent für nicht rechtsbeständig, weil der [X.] nach dem Patentanspruch 1 gegenüber der [X.] nicht neu sei, zumindest jedoch nicht in Zusammenschau mit der [X.] nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

6

Zur Stützung ihres Einspruchs hat die Einsprechende im Laufe des Verfahrens folgende Dokumente eingereicht:

7

[X.]: [X.] 03 216[X.]

8

[X.]: [X.] 034 865 B1

9

[X.]: Handbuch: [X.] Manufacturing Infrastructure, User´s Guide, Version 4, [X.] Systemes 1997, Seiten 70 bis 77

[X.]: [X.] 09 239 [X.]

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss der [X.] 14 des [X.]s vom 30. März 2011 aufzuheben und das Patent 10 2008 033 130 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Patentinhaberin, die der Einführung des neuen [X.]es nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.] im Beschwerdeverfahren ausdrücklich im Schriftsatz vom 11. Februar 2011 widerspricht, hält die Berücksichtigung dieses [X.]es für unzulässig. Sie bestreitet, dass der neue [X.] von der [X.] bereits in der Anhörung vor der [X.] am 30. März 2011 vorgetragen worden sei, und verweist hierzu auf das Protokoll der Anhörung sowie die schriftliche Beschlussbegründung vom 15. September 2011, in denen dieser [X.] nicht erwähnt ist. Auch im Übrigen widerspricht sie den Ausführungen der [X.] und führt aus, dass das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gegenüber der [X.] neu sei und gegenüber den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet mit einer vom Senat ergänzten Merkmalsgliederung:

1. Verfahren zur Herstellung eines Fertigteils (1) aus einem [X.] (2)

2. mittels eines [X.] (3),

3. wobei das Fräswerkzeug (3) während des [X.] in ein Material des [X.] (2) in Bezug auf einen [X.] (4) abweichend von der Orientierung (5) des [X.] (3) der unmittelbar darauffolgenden Bearbeitung automatisch in [X.] und/oder seitlich zur [X.] verschwenkt wird.

Wegen des Wortlauts der [X.] 2 bis 14 wird auf die Akten Bezug genommen.

Mit [X.] vom 27. April 2015 sind die Parteien darauf hingewiesen worden, dass das Einspruchsverfahren vor dem Patentamt im Hinblick auf den zwischen Beschlussverkündung und –abfassung liegenden mehrmonatigen Zeitraum an einem wesentlichen Verfahrensfehler i. S. d. § 79 Abs. 3 [X.] leide, und zum anderen, dass auf den [X.] der unzureichenden Offenbarung als erstmals im Beschwerdeverfahren eingeführten [X.] nach dem Widerspruch der Patentinhaberin nicht einzugehen sein dürfte.

.

II.

1. Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht erfolgreich, da der Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 patentfähig ist.

2. Eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] war nicht veranlasst.

Das Einspruchsverfahren vor der [X.] des [X.]es leidet zwar an einem wesentlichen Mangel i S. d. § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.], nämlich einem Begründungsmangel, weil zwischen der Verkündung des angefochtenen Beschlusses am 30. März 2011 und seiner schriftlichen Begründung am 15. September 2011 mehr als fünf Monate liegen. Nach einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 27. April 1993 (veröffentlicht in NJW 1993, 2603) ist ein bei Verkündung nicht vollständig abgefasstes Urteil dann nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung mit allen Unterschriften schriftlich niedergelegt der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Aufgrund der Rechtsnatur des [X.] als selbständiges Rechtsbehelfsverfahren, das auch als gerichtsähnliches Verfahren bezeichnet wird (vgl. [X.], [X.], 9. Aufl., § 59, Rn. 28, mit weiteren Nachweisen), sind die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze – wie die vorstehend aufgeführten – anzuwenden. Jedoch steht die Zurückverweisung nach § 79 Abs. 3 [X.] im Ermessen des Gerichts, das zurückverweisen kann, aber – selbst bei schweren Verfahrensverstößen – nicht zurückverweisen muss (vgl. [X.] [X.] 2007, 290 ([X.]) – Top Selection; 1998, 150 (III1a) – Active Line). Der Senat hat bei seiner Ermessensentscheidung [X.], Verfahrensverzögerung und ausreichende Prüfung in der Sache gegeneinander abzuwägen. Bei einer – wie im vorliegenden Fall – gegebenen Entscheidungsreife kommt wegen des zu beachtenden Gebots der Verfahrensökonomie eine Zurückverweisung an das [X.] regelmäßig nicht in Betracht, zumal wenn sogar zudem beide Parteien ausdrücklich – wie hier in der mündlichen Verhandlung – bekundet haben, nicht an einer Zurückverweisung interessiert zu sein.

3. [X.] betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Fertigteils aus einem [X.] mittels eines [X.].

Nach den Ausführungen in Abs. [0002] bis [0005] der Streitpatentschrift ist eine besondere Bewegungsführung des [X.] in der Regel dann beim Eintauchen des Fräsers in zu bearbeitendes Material von besonderer Bedeutung, wenn das Fräswerkzeug mit überwiegend stirnseitigem Kontakt axial große Zustelltiefen erreichen muss.

Bei herkömmlichen Verfahren wird das Material am Startpunkt in einer separaten [X.] - beispielsweise mittels Bohren - vorher so entfernt, dass der Startpunkt der Bearbeitung ohne Materialabtrag axial erreicht werden kann.

Bei anderen beispielsweise aus der [X.] 03 216 [X.] bekannten Verfahren ([X.]. 2a bis [X.]. 2c) wird ein zusätzlicher rampenförmiger oder helikaler Fräswerkzeugweg berechnet, über den sich das Fräswerkzeug unter einem flachen Winkel der folgenden Bearbeitungsschicht oder der Tangentialebene an den ersten Bahnpunkt kontinuierlich annähert. Auch bei mehrachsigen Bearbeitungen folgt die Werkzeugorientierung üblicherweise der Werkzeugorientierung am ersten Bahnpunkt und bleibt über dem gesamten [X.] unverändert.

Nach den Ausführungen in Absatz [0005] sind insbesondere Hochleistungsfräswerkzeuge in ihrer Tauchfähigkeit auf sehr flache Eintauchwinkel begrenzt, was die Bearbeitungszeit verlängert und selbst dann zu erhöhtem Fräswerkzeugverschleiß führt.

Daher besteht gemäß Absatz [0006] der Patentschrift die Aufgabe der Erfindung darin, ein Verfahren zum Eintauchen eines [X.] in ein zu entfernendes Material eines [X.]es zur Verfügung zu stellen, mit welchem sich die obigen Nachteile verhindern lassen, welches mithin Fräswerkzeuge schonender einzusetzen imstande ist und die Prozesssicherheit steigert bzw. insbesondere eine prozesssichere Bearbeitung für schwer zerspanbare Materialien ermöglicht sowie damit einhergehend zu einer erheblichen Reduzierung von Fertigungskosten führt.

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt nach den Angaben in der Patentschrift durch ein Verfahren entsprechend dem Patentanspruch 1.

Als Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der auf dem Gebiet der Frästechnik tätig ist und über mehrere Jahre Berufserfahrung verfügt.

Das Merkmal 3 des Patentanspruchs 1 bedarf einer Auslegung.

Unter dem Begriff „Eintauchen in ein Material“ mag im Allgemeinen der Vorgang zu verstehen sein, bei dem das Fräswerkzeug von einem Startpunkt, an welchem es mit dem zu zerspanenden Material noch nicht in Berührung steht, bis zu dem ersten Bahnpunkt der eigentlichen [X.] verfahren wird. Im vorliegenden Fall versteht das Streitpatent jedoch entsprechend den Ausführungen in Absatz [0002] bis [0005] sowie [0008] den speziellen Eintauchfall, bei dem das Eintauchen des [X.] von einem unbelasteten Startpunkt in eine Oberfläche gemeint ist und dadurch eine bestimmte axiale Zustelltiefe erreicht werden soll, was herkömmlich mit den stirnseitigen Schneiden am Fräswerkzeug [0005] oder aber durch die in den Absätzen [0003] und [0004] beschriebenen speziellen Fräswerkzeugwege gelöst wird.

4. Die erteilten Patentansprüche sind ursprünglich offenbart und somit zulässig.

Die Merkmale 1 bis 3 des geltenden Patentanspruchs 1 sind in dem ursprünglichen Patentanspruch 1 offenbart. Die erteilten Ansprüche 2 bis 13 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 13.

Die Merkmale des Anspruchs 14 sind in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, vorletzter Absatz, offenbart.

5. Die Neuheit des zweifellos gewerblich anwendbaren Verfahrens zur Herstellung eines Fertigteils aus einem [X.] mittels eines [X.] des Patentanspruchs 1 ist gegeben.

Die von der Beschwerdeführerin als neuheitsschädlich angesehene [X.] betrifft ein Fräsverfahren zur Herstellung einer [X.] (2) aus einem beliebigen [X.]. Ziel der [X.] ist es mit möglichst wenig „[X.]“ eine [X.] herzustellen. Dazu wird entsprechend der [X.]ur 2b das Fräswerkzeug von der Außenkontur des [X.] (1) zur Kontur (2') der [X.] (2) geführt und zwar entlang mehrerer kontinuierlichen spiralförmiger [X.]en, nämlich jeweils dreidimensionale (7') und zweidimensionale (7) [X.]en abwechselnd. In anderen Ausführungsformen entsprechend den [X.]uren 2c und 2a kann das Fräswerkzeug auch mehrmals neu angesetzt werden, wozu einige wenige „[X.]" erforderlich sind. Dieses neue Ansetzen erfolgt ebenso wie das erstmalige Ansetzen – wie in [X.]ur 4 gezeigt – durch ein radiales Einfahren des leicht schräg gestellten [X.] in eine Seitenfläche des [X.]. Ein Eintauchen in eine Oberfläche des [X.] im Sinne des Streitpatents ist dieses (radiale) Einfahren in das [X.] jedoch nicht, weil keine axiale Zustelltiefe bezüglich einer Oberfläche erreicht wird.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin erfolgt ein Eintauchen bei der [X.] zumindest im Ausführungsbeispiel nach [X.]ur 2b, bei dem sich dreidimensionale und zweidimensionale [X.]en abwechseln, wozu sie auf die Ausführungen in Anspruch 7 und Absatz [0012] der [X.] verweist, wonach das Fräswerkzeug entlang der zweidimensionalen [X.] zur nächst tieferliegenden dreidimensionalen [X.] bewegt wird.

stetigem Materialabtrag eine kontinuierliche Gestaltänderung vom [X.] zum Fertigteil erfährt. Demzufolge lehrt die [X.] dem Fachmann an dieser Stelle mit dem stetigen Materialabtrag und der kontinuierlichen Gestaltänderung gerade kein Eintauchen im Sinne des Streitpatents, weil auch dort im Übergang von dreidimensionaler und zweidimensionaler Führungsbahn der Materialabtrag stetig, also mit einem ununterbrochenen Schnitt und somit ohne „Luftfahrt“ stattfinden soll. Demgegenüber setzt ein Eintauchen im Sinne des Streitpatents einen unterbrochenen Schnitt, also eine „Luftfahrt“, voraus, bei dem das Fräswerkzeug nach einer Bearbeitung zunächst wieder unbelastet ist, bevor es auf die neue Zustelltiefe eintaucht.

Dieser unterbrochene Schnitt oder die erforderliche „Luftfahrt“ im Übergang von dreidimensionaler und zweidimensionaler [X.] ist in der [X.] weder unmittelbar noch eindeutig offenbart.

Doch selbst dann, wenn man unterstellt, der Fachmann fasse die Bewegung in Form der zweidimensionalen [X.] zur nächst tieferliegenden dreidimensionalen [X.] als Eintauchvorgang auf, zeigt das bekannte Verfahren nicht alle Merkmale des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Denn das sich aus der [X.] ergebende Verfahren gibt keinerlei Hinweise darauf, dass – entsprechend der Lehre des Merkmals 3 des Streitpatents – diese Bewegung zur nächst tieferliegenden dreidimensionalen [X.] durch eine Schwenkbewegung des [X.] in [X.] und/oder seitlich zur [X.] erfolgen soll, die abweichend von der Orientierung des [X.] der unmittelbar darauf folgenden Bearbeitung ist. Denn ein Verschwenken während des [X.] lehrt auch das Ausführungsbeispiel gemäß der [X.]ur 2b nicht. Vielmehr offenbart die [X.] lediglich ein allgemeines „Bewegen“ zur nächst tieferliegenden dreidimensionalen [X.].

Mangels der [X.] des [X.] beim Eintauchen kann folglich die [X.] auch nicht die spezielle Art der Schwenkbewegung gemäß Merkmal 3 offenbaren, wonach diese in [X.] und/oder seitlich zur [X.] erfolgen soll, die abweichend von der Orientierung des [X.] der unmittelbar darauf folgenden Bearbeitung ist.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist dies auch nicht dem Absatz [0012] der [X.] zu entnehmen. Denn demnach erfolgt eine Ausrichtung des [X.] zur Bearbeitung der Fräskurven bei der [X.] – entgegen der Lehre des Merkmals 3 des Patentanspruchs 1 - stets in Abhängigkeit von der gewünschten [X.], nämlich aus dem [X.] vom [X.] an der [X.] des jeweiligen [X.] und dem Normalenvektor der [X.], wobei die Ausrichtung des [X.] bezüglich des Vektors aus diesem [X.] in [X.] geneigt wird (zweidimensionaler Fall) oder dem Normalenvektor der Äquipotentialfläche des jeweiligen [X.], wobei die Ausrichtung des [X.] bezüglich des Normalenvektors in [X.] geneigt wird (dreidimensionaler Fall).

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents ist daher neu gegenüber der [X.].

Die [X.] zeigt ein Verfahren zur Herstellung eines Fertigteils aus einem [X.] mittels eines Kugelkopf-[X.]. Hierzu werden die Kugelkopf-Fräswerkzeuge entsprechend den [X.]uren 4 und 9 (bzw. 10 und 11 gem. dem Stand der Technik) jeweils über schräge [X.] an den Startpunkt der eigentlichen [X.] gefahren und unmittelbar anschließend das Werkstück auf einer [X.] zerspant, die der Bewegungsrichtung des [X.] entgegengesetzt ist.

[X.] diesen aus der [X.] bekannten Bearbeitungsverfahren ist gemeinsam, dass die Orientierung des [X.], d. h. die Ausrichtung der Fräswerkzeugdrehachse in Bezug auf das Maschinenkoordinatensystem, über den gesamten [X.] identisch ist mit der Orientierung des [X.] im Startpunkt der sich unmittelbar an den [X.] anschließenden [X.] (siehe [X.], [X.]. 4, 9, 10 und 11).

Ein Verschwenken des [X.] während des [X.] entsprechend Merkmal 3 ist daher aus der [X.] nicht bekannt.

6. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn für die im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik keine Anregungen.

Nächstliegenden Stand der Technik bildet zweifellos die [X.], weil sie bereits ein Verfahren zur Herstellung eines Fertigteils aus einem [X.] mittels eines [X.] zeigt und auch das Problem thematisiert, beim Eintauchvorgang des [X.] in das Werkstück die Last zu begrenzen, um die Lebensdauer des [X.] nicht zu verringern.

Im Bestreben, sein Verfahren stets weiter zu entwickeln, mag sich der Fachmann veranlasst sehen, die Erkenntnisse der [X.] beim Eintauchen des [X.] nicht nur bei den in der [X.] gezeigten Kugelkopffräswerkzeugen, sondern auch bei gattungsgemäßen Hochleistungsfräsern anzuwenden, wie sie beispielsweise auch aus der [X.] bekannt sind. Es mag daher für ihn naheliegen, die Lehre der [X.] auf Hochleistungsfräser gemäß der [X.] übertragen und das Fräswerkzeug über schräge [X.] an den Startpunkt der eigentlichen [X.] zufahren und unmittelbar anschließend das Werkstück auf einer [X.] zu zerspanen, die der Bewegungsrichtung des [X.] entgegengesetzt ist. Damit gelangt der Fachmann jedoch nicht zum Verfahren gemäß Patentanspruch 1, weil damit keine Schwenkbewegung des [X.] in [X.] und/oder seitlich zur [X.] erfolgt, die abweichend von der Orientierung des [X.] der unmittelbar darauf folgenden Bearbeitung ist.

Andererseits mag es sich dem Fachmann noch anbieten, auf ein Eintauchen im Sinne der [X.] völlig zu verzichten und entsprechend der Lehre der [X.] zunächst rein radial in das [X.] einzufahren und in der Folge das Fräswerkzeug entlang einer oder mehrerer spiralförmiger [X.]en unter stetigem Materialabtrag zu führen, bis das Fertigteil hergestellt ist. Auch damit gelangt er jedoch nicht zum Verfahren gemäß Patentanspruch 1.

Die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften liegen weiter ab vom streitpatentgemäßen Verfahren und sind von der [X.] und Beschwerdeführerin zuletzt in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen worden. Die [X.] ist ein Auszug aus dem Handbuch „[X.] Manufacturing infrastructure", [X.], Version 4, 1997 und beschreibt die Erstellung von [X.] für ein NC-Steuerungsprogramm an Fräsmaschinen. Auf Seite 71, unten, ist unter „[X.] Macro Components“ die Möglichkeit beschrieben, eine Werkzeugachsenrotation bei einem allgemeinen [X.] („approach path“) des [X.] bis zum Startpunkt der eigentlichen [X.] zu definieren. Eine technische Lehre, das Fräswerkzeug beim Eintauchen zu verschwenken ist der [X.] jedoch damit nicht zu entnehmen.

Die im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin neu genannte [X.] wurde nur hinsichtlich des Anspruchs 14 genannt.

Insbesondere gibt keine dieser Druckschriften dem Fachmann Hinweise darauf, wie die Last beim Eintauchvorgang des [X.] in das Werkstück zu begrenzen sei, um die Lebensdauer des [X.] nicht zu verringern.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Fachmann ausgehend von der [X.] auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gelangt.

Der Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

7. Die geltenden [X.] 2 bis 14 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des streitpatentgemäßen Verfahrens nach dem Patentanspruch 1, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen.

Sie haben daher ebenfalls Bestand.

8. Der [X.] der unzureichenden Offenbarung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nicht zu überprüfen, weil dieser [X.] ausweislich der Schriftsätze sowie des Protokolls über die Anhörung vor der [X.], dessen Richtigkeit selbst die Einsprechende nicht bestreitet, und der schriftlichen Begründung des Beschlusses, datiert vom 15. September 2011, im Einspruchsverfahren von der [X.] nicht geltend gemacht worden ist. Vielmehr war die mit der Beschwerde angegriffene Einspruchsentscheidung der [X.] ausschließlich auf den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.] i. V. m. §§ 3 und 4 [X.] gestützt. Die Patentinhaberin hat der Zulassung dieses neuen [X.]es auch ausdrücklich widersprochen, so dass auf diesen sachlich nicht einzugehen ist (vgl. [X.] GRUR 1995, 333 – [X.]; [X.], [X.], 9. Aufl., § 59, Rn. 196).

Meta

8 W (pat) 30/12

28.05.2015

Bundespatentgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.05.2015, Az. 8 W (pat) 30/12 (REWIS RS 2015, 10484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10484

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 21/07 (Bundesgerichtshof)


8 W (pat) 21/10 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – „Hydrodynamischer Drehmomentwandler mit einer Aufnahme am Wandlergehäuse“ – zur Zulässigkeit des Einspruchs


19 W (pat) 15/17 (Bundespatentgericht)

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Automatische Tür- oder Fensteranlage" – Verfahren vor dem DPMA - PatG sieht eine …


7 W (pat) 17/11 (Bundespatentgericht)

Patentbeschwerdeverfahren – "Authentifizierungssystem" – zu den formalen Anforderungen eines sich auf einen druckschriftlichen Stand der …


8 W (pat) 6/13 (Bundespatentgericht)

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Pressbacke oder Presskette für ein hydraulisches oder mechanisches Verpressgerät" – neue Widerrufsgründe im …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.