Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.05.2012, Az. 33 W (pat) 517/11

33. Senat | REWIS RS 2012, 6024

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Rock and Seal" – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis -


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 003 250.5

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] durch den Vorsitzenden [X.], [X.] am [X.] und die Richterin Dr. Hoppe am 29. Mai 2012

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 vom 4. Februar 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Am 19. Januar 2009 hat die Anmelderin die Wortmarke

2

[X.]

3

für folgende noch verfahrensgegenständliche Waren angemeldet:

4

Klasse 1

5

chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Reifendichtgele, [X.]; [X.] und sonstige chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke zur Reifenpannenhilfe;

6

Klasse 12

7

Flickgummis, Flickzeug für Reifenschläuche;

8

Klasse 17

9

Dichtungsmittel, nämlich Reifendichtmittel aller Art und Flicksprays für Reifenschläuche.

Die Markenstelle für Klasse 1 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 4. Februar 2011 mangels hinreichender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] teilweise, nämlich in Bezug auf die noch verfahrensgegenständlichen Waren zurückgewiesen.

Sie hat hierzu ausgeführt, dass es sich bei der angemeldeten Bezeichnung "[X.]" um eine sprachüblich gebildete Wortzusammenstellung der bekannten [X.] Begriffe "rock" (schütteln), "and" (und) und "seal" (dichten) handele, welche vom Großteil der angesprochenen inländischen Verkehrskreise in Zusammenhang mit den noch verfahrensgegenständlichen Waren als Hinweis auf die Handhabung bzw. Bestimmung dieser Waren, nämlich "schütteln und dichten", verstanden werde. Zudem seien Wortzusammenstellungen mit "rock" als Verb dem inländischen Verkehr aus der Werbung nicht fremd.

Die Markenstelle für Klasse 1 ist zudem der Auffassung, dass auch eine Großschreibung der angemeldeten Bezeichnung nicht von deren beschreibenden Charakter wegführe oder ihr Individualität verleihe, da es sich hierbei um eine werbeübliche Gestaltung des Schriftzuges handelte, an welche der Verkehr gewöhnt sei.

Aufgrund des beschreibenden Inhalts der Wortfolge sei davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise dem angemeldeten Zeichen keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem Unternehmen entnähmen. Dies gelte insbesondere, weil es sich bei "[X.]" um einen beschreibenden Hinweis bezüglich der Handhabung bzw. Bestimmung der so gekennzeichneten Waren handele, die zudem durch eine werbeübliche Gestaltung des Schriftzuges, an die der Verkehr gewöhnt sei, präsentiert werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.] vom 4. Februar 2011 aufzuheben und hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der angemeldeten Marke steht hinsichtlich der noch verfahrensgegenständlichen Waren kein [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 [X.] entgegen.

1.

Das begehrte Wortzeichen setzt sich aus drei Worten zusammen, die der [X.] Sprache angehören.

Dabei lässt sich der Begriff "Seal" übersetzen mit "Abdichtung, Dichtung, Siegel, Stempel, Verschluss, Versiegelung, Blombe" oder in der verbalen Form mit "abdichten, versiegeln, verschließen, besiegeln, blombieren" ([X.]). Mit dieser Bedeutung wird das Wort "Seal" auch in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren benutzt, was sich aus den bereits durch die Markenstelle übermittelten Anlagen ergibt.

Das weitere Zeichenelement "Rock" bedeutet als Substantiv "Fels/Gestein/[X.]/ Rock" ([X.]; Langenscheidt, Handwörterbuch 2005). In seiner verbalen Bedeutung umschreibt "to rock" eine schaukelnde und wiegende Bewegung (vgl. [X.] 2005; [X.]).

Zwar könnte die Wortkombination "schütteln und (and) abdichten", wie von der Markenstelle für Klasse 1 ausgeführt, ein Merkmal der beanspruchten Waren dahingehend beschreiben, dass diese zur Abdichtung geeignet und zunächst zu schütteln sind. Diese Bedeutung wird der angesprochene [X.] Verkehr der Wortfolge und zwar insbesondere dem Wort "rock" indes nicht geben. Vielmehr beschreibt das Verb "to rock" üblicherweise das Wiegen und Schaukeln einer Person, z. B. im Sinne einer körperlichen Tanzbewegung oder des Wiegens eines Kindes, nicht dagegen das Schütteln eines Gegenstandes oder einer Flüssigkeit (vgl. Langenscheidt, Handwörterbuch 2005; www.linguee.de: "to rock you gently to sleep …"). Darüber hinausgehend kann "to rock something" in einer geologischen Bedeutung auch bedeuten, dass etwas, z. B durch ein Erdbeben, erschüttert wird ([X.]). Weder mit dieser geologischen Bedeutung noch mit der personalen Bedeutung deutet das Wort "to rock" indes unmittelbar darauf hin, dass ein Gegenstand oder eine Flüssigkeit zu schütteln ist.

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der [X.] Verkehr, auf dessen Verständnis es bei einer fremdsprachigen Wortanmeldung alleine ankommt (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 32, 26) - [X.]), das Wortzeichen "Rock" im Sinne von "schütteln" verstehen wird.

Der [X.] hat in der Entscheidung "[X.]" im Rahmen seiner Kompetenz zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. b, [X.] entschieden, dass ein [X.] nur dann vorliegt, wenn die beteiligten Verkehrskreise in dem Mitgliedsstaat, in dem die Eintragung beantragt wird, im Stande sind, die beschreibende Bedeutung des Wortes zu erkennen ([X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 32, 26) - [X.]).

Zu den maßgeblichen Verkehrskreisen zählen im vorliegenden Fall für die unter Klasse 1 begehrten Waren für gewerbliche Zwecke ausschließlich Gewerbetreibende, im Übrigen auch allgemeine und breite Verbraucherkreise. Auszugehen ist dabei vom normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - [X.]; [X.] GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rd. 29 ff.).

Die [X.], insbesondere die Englischkenntnisse des [X.]n Durchschnittsverbrauchers dürfen zwar nicht zu gering veranschlagt werden ([X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rd. 395), und es würde auch genügen, wenn lediglich der Fachverkehr die Begriffsbedeutung erkennt (vgl. [X.] GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rd. 396), vorliegend gibt es indes keine Anhaltspunkte dafür, dass der angesprochene [X.] Verkehr das [X.] Wort "rock" mit einer Bedeutung versteht, die selbst in der [X.] Sprache unüblich wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der [X.] Verkehr das Wort mit seiner üblichen Bedeutung im Sinne von "musikalischem Rocken" oder (aufgrund des großen Anfangsbuchstabens) als Substantiv mit der Bedeutung "Fels/[X.]/Gestein" verstehen wird. Eine Übersetzung mit "Fels und Abdichtung" beinhaltet indes keine aus sich heraus verständliche Sachangabe. Vielmehr wird allenfalls eine Assoziation geweckt zwischen "Fels" und "felsenfest/felsenhart", so dass die gesamte Wortzusammensetzung an eine feste, harte Abdichtung denken lassen könnte. Eine solche Bedeutung würde sich indes erst nach zusätzlichen assoziativen Gedankenschritten ergeben, die keinen Rückschluss auf das Vorliegen einer unmittelbar beschreibenden Sachaussage zulassen.

Ein [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] liegt nämlich nur vor, wenn das Zeichen ein hinreichend direkten und konkreten Bezug zu den angemeldeten Produkten aufweist, der es dem angesprochenen Publikum ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen oder eins ihrer Merkmale zu erkennen ([X.] GRUR 2010, 534 (Nr. 29) - [X.]; [X.] GRUR Int. 2010, 503 (Nr. 26, 27) - [X.]; [X.] GRUR Int. 2011, 400 (Nr. 50) - 1000; [X.] (Nr. 16) - EcoPerfekt ([X.])). Die Wahl des Begriffs "Merkmal” zeigt, dass ein beschreibendes Zeichen nur vorliegt, wenn eine leicht von den beteiligten Verkehrskreisen zu erkennende Eigenschaft der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, bezeichnet wird ([X.] GRUR 2011, 1035 (Nr. 50) - Zahl 1000). Die Eintragung eines Zeichens kann daher nur dann verweigert werden, wenn vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass es von den beteiligten Verkehrskreisen tatsächlich als eine Beschreibung eines Produktmerkmals erkannt werden wird ([X.] GRUR 2011, 1035 (Nr. 50) - Zahl 1000).

2.

Dem beanspruchten Zeichen steht auch nicht das [X.] nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] werden von der Eintragung diejenigen Marken ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - [X.]; [X.] GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f) - [X.]). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - [X.]; [X.] GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; [X.], 710 (Nr. 12) - [X.]). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat dabei streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern ([X.] GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.] GRUR 2003, 604 ([X.]) - [X.]; [X.] GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline).

Die hier beanspruchte Wortkombination ist bei Zugrundelegung des dargelegten [X.] hinreichend unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum, wird ihr im Hinblick auf die beanspruchten Waren den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können. Da der begehrten Wortfolge für die beanspruchten Waren - wie oben dargelegt - kein verständlicher, im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um eine gebräuchliche Wortfolge handelt, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden würde, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Marke die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. [X.], 850 (Nr. 19) - [X.]; [X.], 1071 (Nr. 25) - Kinder II; [X.], 1042 (1042) - [X.]). Bei der beanspruchten Wortfolge handelt es sich nicht um eine übliche Wortfolge der Alltagssprache und sie wird auch nicht in Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren benutzt. Weder durch die Internetrecherche des Senats noch durch die Prüfung der Markenstelle ließen sich Belege für die Benutzung der verfahrensgegenständlichen Wortfolge auffinden und zwar weder in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren noch losgelöst davon.

Aus alldem ergibt sich, dass der angesprochene Verkehr die angemeldete Wortfolge "[X.]" in Zusammenhang mit den noch verfahrensgegenständlichen Waren als Hinweis auf die Herkunft der Produkte aus einem bestimmten Unternehmen wahrnehmen wird, so dass sie hinreichend unterscheidungskräftig ist.

Meta

33 W (pat) 517/11

29.05.2012

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.05.2012, Az. 33 W (pat) 517/11 (REWIS RS 2012, 6024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6024

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Referenzen
Wird zitiert von

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33 W (pat) 50/10

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