Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.02.2010, Az. III ZR 11/09

3. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9455

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Gegenstand

Kapitalanlagegeschäft: Haftung des als Mittelverwendungskontrolleur eingesetzten Wirtschaftsprüfers wegen unterlassener Prüfung der Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Verwendungskontrolle


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 16. Dezember 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der minderjährige Kläger macht gegen den beklagten Wirtschaftsprüfer Ansprüche im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der [X.] geltend, die er, vertreten durch seine Eltern, am 18. September 2003 zeichnete.

2

Die Anlage wurde anhand eines von der Fondsgesellschaft herausgegebenen Emissionsprospekts vertrieben. Unter anderem nach Nummer 10 der darin enthaltenen Erläuterungen der rechtlichen Grundlagen des Fonds hatte zur Absicherung der Kapitalanleger ein Wirtschaftsprüfer die Kontrolle über die zweckgerechte Verwendung der Gesellschaftereinlage übernommen. Dem lag ein im Prospekt abgedruckter Mittelverwendungskontrollvertrag zwischen der [X.] und dem Wirtschaftsprüfer zugrunde. Dieser Vertrag enthielt insbesondere folgende Regelungen:

"§ 1 Sonderkonto

(1) Die [X.] richtet ein Sonderkonto bei einem Kreditinstitut ein, über das sie nur gemeinsam mit dem Beauftragten verfügen kann ("Sonderkonto"). Auf das Sonderkonto sind die Gesellschaftereinlagen einzuzahlen und die von der [X.] ausgereichten Darlehen zu tilgen.

(3) Zahlungen aus dem Sonderkonto dürfen nur entweder zur Begleichung von Kosten der [X.] oder zur [X.] von Darlehen geleistet werden.

Zahlungen zur [X.] eines Darlehens dürfen nur geleistet werden, wenn…

§ 4 Haftung

(1) Dieser Vertrag wird als Vertrag zu Gunsten Dritter, und zwar zu Gunsten aller Gesellschafter abgeschlossen. Die Gesellschafter können aus diesem Vertrag eigene Rechte herleiten.

(2) Schadensersatzansprüche gegen den Beauftragten können nur geltend gemacht werden, wenn die [X.] oder die Gesellschafter nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen.

…"

3

Die [X.] sollte nach dem Prospekt von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden, der "aus standesrechtlichen Gründen" nicht genannt wurde.

4

Der Beklagte wurde im März 2003 als [X.]ur gewonnen. Er erstellte zudem ein Prospektprüfungsgutachten. Für das Sonderkonto, auf das die Anleger ihre Gesellschaftereinlagen einzahlten, war er gesamtvertretungsberechtigt. Drei der geschäftsführenden Gesellschafter waren demgegenüber einzeln zeichnungsbefugt. Erst nach dem 1. Dezember 2004 wurden deren Zeichnungsrechte dahingehend geändert, dass sie nur gemeinsam mit dem Beklagten über das Konto verfügen konnten.

5

Nachdem Mitte Dezember 2004 wirtschaftliche Schwierigkeiten der Fondsgesellschaft offen gelegt wurden, befindet sich diese seit Ende des Jahres 2005 in Liquidation. Der Kläger hat von dem Beklagten unter anderem die Rückzahlung der von ihm geleisteten Einlage abzüglich der aus der Liquidation erhaltenen Beträge Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche auf Auszahlung weiteren Liquidationserlöses verlangt. Wegen des Zahlungsanspruchs hat er mittlerweile die Erledigung der Hauptsache erklärt, deren Feststellung er begehrt. Weiterhin fordert er die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten wegen der angebotenen Abtretung und dessen Verpflichtung, ihn von sämtlichen Verpflichtungen aus der Beteiligung freizustellen.

6

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

8

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheiden Ansprüche des Klägers aus Prospekthaftung aus. Der Beklagte sei nicht prospektverantwortlich gewesen und habe auch kein persönliches Vertrauen in Anspruch genommen.

9

Der Kläger habe gegen den Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 311 Abs. 2, 3 BGB wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Der Beklagte sei lediglich verpflichtet gewesen, künftige Anleger über ihm bekannte oder sich ihm aufdrängende Auffälligkeiten zu informieren. Eine Aufklärungspflicht habe insbesondere nicht bezüglich der Zeichnungsbefugnisse für das Sonderkonto bestanden. Zwar sei dieses mangels einer Vereinbarung mit der Bank, dass Verfügungen nur unter Mitwirkung des Beklagten zulässig sein sollten, nicht vertragsgerecht eingerichtet worden. Jedoch habe der Kläger nicht den Nachweis erbracht, dass dem Beklagten dies zum Zeitpunkt seines Beitritts zum Fonds bekannt gewesen sei oder es sich ihm hätte aufdrängen müssen. Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, künftige Anleger darauf hinzuweisen, dass er nicht überprüft habe, ob ein dem [X.] entsprechendes Sonderkonto eingerichtet worden sei. Dem Vertrag sei eine diesbezügliche Kontrollpflicht nicht zu entnehmen. Ansprüche aus einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Abwicklung des [X.]s schieden aus, da sie nicht auf den von dem Kläger begehrten Ersatz des [X.] gerichtet seien. Schließlich kämen auch Ansprüche auf deliktsrechtlicher Grundlage nicht in Betracht.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat hat mit seinem Urteil vom 19. November 2009 ([X.]/08 - [X.], 2449), das denselben Beklagten, denselben Fonds, denselben [X.] und einen auch ansonsten im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalt betraf, die Pflichten des Beklagten in entscheidenden Punkten abweichend beurteilt. Danach gilt zusammengefasst Folgendes:

1. a) Den Beklagten traf nach dem [X.] ([X.]) gegenüber den Anlegern unter anderem die Verpflichtung zu überprüfen, ob die Konditionen des [X.] mit den in § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten Kriterien übereinstimmten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte sich der Beklagte zu vergewissern, dass sämtliche Verfügungsberechtigten nur gemeinsam mit ihm zeichnungsbefugt waren (Senat aaO S. 2450 Rn. 17 ff). Dies folgt aus dem Zweck des [X.]s.

Die vom Beklagten übernommene Funktion bestand darin, die Anleger davor zu schützen, dass die geschäftsführenden Gesellschafter Zahlungen von dem Sonderkonto vornehmen, ohne dass die in § 1 Abs. 3 [X.] genannten Voraussetzungen vorliegen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, musste er sicherstellen, dass er die ihm obliegende Kontrolle über den Mittelabfluss auch tatsächlich ausüben konnte. Da ein Konto, über das nur unter Mitwirkung des Beklagten verfügt werden konnte, eine zentrale Bedingung des [X.]s darstellte und Voraussetzung für die effektive Verwirklichung seines Schutzzwecks war, durfte er nicht ohne eigene Vergewisserung darauf vertrauen, dass die für das Sonderkonto bestehenden Zeichnungsbefugnisse den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] entsprachen. Der Beklagte musste, wenn nicht schon Manipulationen der [X.], so doch aber jedenfalls gewärtigen, dass es bei der Einrichtung des [X.] infolge von Unachtsamkeiten oder Irrtümern auf Seiten der Bank oder der [X.] zu Fehlern bei der Einräumung der Zeichnungsrechte kommen konnte.

Hiernach oblag dem Beklagten die Überprüfung, ob die geschäftsführenden Gesellschafter nur mit ihm gemeinschaftlich für das Sonderkonto verfügungsberechtigt waren. Diese Prüfungspflicht bestand zu dem Zeitpunkt, ab dem die Anlage "einsatzbereit" war (Senat aaO S. 2451 Rn. 26). Die [X.] musste naturgemäß sichergestellt sein, bevor die Anleger Beteiligungen zeichneten und Zahlungen auf ihre Einlagen leisteten.

b) Allerdings beschränkten sich die Pflichten des Beklagten nicht auf diese Überprüfung und darauf, der [X.] gegenüber auf die Beseitigung der Mängel hinzuwirken. Gegenüber Anlegern, die dem Fonds nach Aufnahme seiner Tätigkeit beitraten, war der Beklagte darüber hinaus verpflichtet, in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass die im Prospekt werbend herausgestellte [X.] bislang nicht stattgefunden hatte (vgl. Senat aaO S. 2451 f Rn. 29 f). Er konnte nicht ausschließen, dass es bereits vor dem Beitritt § 1 Abs. 3 [X.] widersprechende Auszahlungen von dem Sonderkonto gegeben hatte, durch die das Gesellschaftsvermögen - auch zum Nachteil der künftig beitretenden Gesellschafter - fortwirkend vermindert worden war. In dieser Situation hätte der Beklagte seinen vorvertraglichen Verpflichtungen gegenüber den [X.] nicht allein dadurch genügt, für eine ordnungsgemäße [X.] in der Zukunft Sorge zu tragen. Da eine zweckwidrige Minderung des Gesellschaftsvermögens bereits eingetreten sein konnte, hätte er nach Aufnahme der Tätigkeit des Fonds vielmehr unverzüglich zusätzlich darauf hinweisen müssen, dass die im Prospekt werbend herausgestellte [X.] bislang nicht stattgefunden hatte. Er hätte deshalb auf eine Änderung des Prospekts drängen müssen und Anleger, die vor einer derartigen Prospektänderung ihr Interesse an einer Beteiligung bekundeten, in geeigneter anderer Weise unterrichten müssen.

Der Senat verkennt nicht, dass es für den Beklagten - anders als in den Fällen, in denen ein Treuhandkommanditist zum [X.]ur bestimmt ist und daher zwangsläufig in unmittelbaren Kontakt zu den beitrittswilligen Anlegern tritt - durchaus mit Mühen verbunden gewesen wäre, die [X.] rechtzeitig vor Tätigung der Anlage zu informieren. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist jedoch davon auszugehen, dass dem Beklagten zumutbare und hinreichend erfolgversprechende Mittel zur Verfügung standen. So hätte er insbesondere den Vertrieb und notfalls die Fachpresse über die unterbliebene [X.] informieren können. Es wird Sache des Beklagten sein, darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, dass ihm die Erfüllung dieser Informationspflichten nicht möglich war.

c) Ein sich aus der Verletzung dieser Pflicht ergebender Anspruch der Anleger gegen den Beklagten ist auf Ersatz des so genannten [X.] gerichtet (Senat aaO S. 2452 Rn. 33 ff).

d) Seine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz scheitert nicht an der [X.] des § 4 Abs. 2 [X.]. Diese Regelung ist wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 Buchst. [X.] unwirksam (Senatsurteil vom 19. November 2009 - [X.]/08 - [X.], 2446, 2447 f Rn. 11 ff).

2. Da noch ergänzende Feststellungen erforderlich sind, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).

Schlick                                     Dörr                                    Herrmann

                        Hucke                                Tombrink

Meta

III ZR 11/09

11.02.2010

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 16. Dezember 2008, Az: 18 U 4694/07, Urteil

§ 276 BGB, § 280 BGB, § 309 Nr 7b BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 328 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.02.2010, Az. III ZR 11/09 (REWIS RS 2010, 9455)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9455

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

III ZR 74/09

III ZR 11/09

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