Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2016, Az. 7 AZR 545/14

7. Senat | REWIS RS 2016, 7518

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Gegenstand

Befristung - vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung


Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. Juni 2014 - 2 [X.] 1242/13 - aufgehoben.

Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2013 geendet hat.

2

Der beklagte [X.] ist als sog. Optionskommune nach § 6a [X.] anstelle der [X.] als Träger bestimmter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugelassen und nimmt diese Aufgaben über das Jobcenter wahr.

3

Die Klägerin war in der [X.] vom 14. [X.]eptember 2009 bis zum 31. Dezember 2013 aufgrund befristeter Arbeitsverträge bei dem [X.]n beschäftigt. Zuletzt schlossen die Parteien am 20. Dezember 2012 einen befristeten Arbeitsvertrag für die [X.] vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013, der die Weiterbeschäftigung der Klägerin als nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmerin mit [X.] der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmerin zur „Mitarbeit im Projekt ‚[X.] - Bürgerarbeit‘ auf der Grundlage des [X.]“ (im Folgenden: „Bürgerarbeit“) vorsah. Mit den in demselben Projekt beschäftigten Mitarbeiterinnen [X.] und W vereinbarte der [X.] bis zum 31. Dezember 2014 befristete Arbeitsverträge.

4

Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ wurde durch das Bundesministerium für Arbeit und [X.]oziales mit Mitteln des Europäischen [X.]ozialfonds (E[X.]F) gefördert. Es sah die Erprobung eines neuen Lösungsansatzes vor, um erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem [X.] dabei zu unterstützen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden. Das Modellprojekt bestand aus zwei Phasen, einer „Aktivierungsphase“ und einer „[X.]“. Ziel der mindestens sechsmonatigen „Aktivierungsphase“ war es, durch „Beratung/[X.]tandortbestimmung, Vermittlungsaktivitäten und Qualifizierung/Förderung“ eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erzielen. [X.]ofern dies nicht gelang, wurden die Teilnehmer in der „[X.]“ Arbeitgebern vermittelt, die sie im Rahmen sog. „Bürgerarbeit“ mit zusätzlichen und im öffentlichen Interesse liegenden Arbeiten sozialversicherungspflichtig beschäftigten. Nach den Vorgaben des BMA[X.] konnte die „Aktivierungsphase“ frühestens ab dem 1. Juli 2010 beginnen, die dreijährige [X.] musste bis spätestens 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein.

5

Nachdem sich der [X.] in einem Interessenbekundungsverfahren beim BMA[X.] erfolgreich um eine Teilnahme an dem Projekt beworben hatte, beauftragte er die [X.] als Amt mit dessen Durchführung. Die Aktivierungsphase begann am 1. Oktober 2010.

6

Auf den Antrag der [X.] vom 19. Oktober 2012 bewilligte die N-Bank mit Bescheid vom 15. November 2012 die Förderung des Projekts „Bürgerarbeit“ durch E[X.]F-Mittel in Höhe von [X.] der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben für die [X.] vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2014. Zuvor hatte das Jobcenter des [X.]n mit [X.]chreiben vom 11. Oktober 2012 erklärt, dass die gebotene Mitfinanzierung aus dem Titel zur Finanzierung von Eingliederungsleistungen nach dem [X.] erfolgen werde. In dem Bescheid der N-Bank heißt es unter Ziff. 2, dass die Zuwendung zweckgebunden und ausschließlich für die Durchführung des Projekts „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ zu verwenden sei. Die mit [X.]chreiben vom 19. Oktober 2012 vorgelegte Projektbeschreibung sowie der beigefügte Finanzierungsplan vom 14. November 2012 wurden in dem Bescheid für verbindlich erklärt. Weiter heißt es in dem Zuwendungsbescheid unter Ziff. 2: „Darüber hinaus werden für dieses Projekt insgesamt 7.826,40 [X.]tunden für die Tätigkeit als Jobcoach mit einem [X.]tellenanteil von 100 % für Frau [X.], 64 % für Frau B und 28,2 % für Frau W festgesetzt.“

7

Während der [X.] betreute die [X.] 200 „[X.]“, wobei frei werdende „[X.]“ nachbesetzt wurden.

8

Mit der am 4. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem [X.]n am 8. Juni 2013 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei nicht zum 31. Dezember 2013 wirksam befristet worden. Bei Abschluss des Arbeitsvertrags habe festgestanden, dass der [X.] über die Vertragslaufzeit hinaus jedenfalls bis zum 31. Dezember 2014 bestehen würde. Der Arbeitsvertrag sei nur deshalb ein Jahr vor der Beendigung des Finanzierungszeitraums beendet worden, weil der [X.] aufgrund einer verwaltungsinternen Regelung generell keine Arbeitsverträge über einen [X.]raum von fünf Jahren hinaus abschließe. Es verstoße zudem gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, dass sie nicht - wie die beiden anderen in dem Projekt beschäftigten Mitarbeiterinnen - einen Arbeitsvertrag bis zum 31. Dezember 2014 erhalten habe.

9

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2013 geendet hat.

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsvertrags sei nach § 14 Abs. 1 [X.]atz 2 Nr. 1 [X.] gerechtfertigt, weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestanden habe. Im Rahmen des Projekts „Bürgerarbeit“ seien vorübergehende, freiwillig übernommene und abgrenzbare Zusatzaufgaben angefallen. Die Aufgaben der Projektmitarbeiterinnen in der sog. [X.] unterschieden sich inhaltlich von den Daueraufgaben der [X.] im Jobcenter. Die Betreuung der „[X.]“ sei deshalb auch ausschließlich durch die drei in diesem Projekt beschäftigten Mitarbeiterinnen erfolgt. Die Mitfinanzierung über die N-Bank spreche dafür, dass es sich bei dem Modellprojekt um eine nur auf vorübergehende Dauer angelegte Tätigkeit handele. Zum [X.]punkt des Vertragsschlusses habe mit der erforderlichen [X.]icherheit festgestanden, dass das Modellprojekt am 31. Dezember 2014 enden werde. Der Wirksamkeit der Befristung stehe nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin lediglich bis zum 31. Dezember 2013 befristet worden sei. Die Vertragslaufzeit und voraussichtliche Dauer des Projekts müssten nicht übereinstimmen. Das Befristungsende sei auch nicht willkürlich gewählt. Die sog. Fünfjahresregelung sei lediglich eine interne „Richtschnur“, die auf die erhöhten Anforderungen an die Prognose und den [X.]achgrund aufmerksam machen solle. [X.]chließlich führe die Befristung der Arbeitsverträge mit den zwei weiteren für das Modellprojekt tätigen Mitarbeiterinnen zum 31. Dezember 2014 nicht zur Unwirksamkeit der mit der Klägerin vereinbarten Befristung zum 31. Dezember 2013. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht anwendbar, weil die Vertragsdauer zum Gegenstand der individuellen Vereinbarung zwischen den Parteien gehöre und damit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit unterfalle.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt der [X.] die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Der [X.] kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Dezember 2013 geendet hat.

I. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Befristung zum 31. Dezember 2013 nicht nach § 17 Satz 2 [X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam gilt. Die Klägerin hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 mit der am 4. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 8. Juni 2013 zugestellten [X.] rechtzeitig geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten [X.]laufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 [X.] ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 10; 2. Juni 2010 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 134, 339).

II. Das [X.] ist mit einer rechtsfehlerhaften Begründung zu dem Ergebnis gelangt, die Befristung sei mangels eines sie rechtfertigenden [X.] unwirksam.

1. Das [X.] hat einen vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung als möglichen Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrags vom 20. Dezember 2012 mit der Begründung verneint, dass die der Klägerin aufgrund des Projekts „Bürgerarbeit“ übertragenen Tätigkeiten nicht von den Daueraufgaben des Beklagten im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende abgrenzbar seien. Zu den Zielen der Arbeitsförderung nach § 1 Abs. 1 [X.]I gehöre die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit der [X.]. Das mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ in der [X.] angestrebte Ziel, Arbeitslosen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu vermitteln, sei damit identisch.

2. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat nicht hinreichend gewürdigt, dass der Beklagte mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ für einen bestimmten Zeitraum freiwillige Zusatzaufgaben übernommen hat. Allein der Umstand, dass die Projektaufgaben demselben Ziel dienen wie die sozialstaatlichen Daueraufgaben, steht der Annahme eines vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] nicht entgegen.

a) Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf kann sowohl durch einen vorübergehenden Anstieg des [X.] im Bereich der Daueraufgaben des Arbeitsgebers entstehen als auch durch die Übernahme eines Projekts oder einer Zusatzaufgabe, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht ([X.] 20. Februar 2008 - 7 [X.] - Rn. 13). Der Sachgrund setzt voraus, dass im Zeitpunkt des [X.]schlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen [X.]ende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist Teil des [X.] für die Befristung. Die tatsächlichen Grundlagen für die Prognose hat der Arbeitgeber im Prozess darzulegen ([X.] 15. Oktober 2014 - 7 [X.] - Rn. 14; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 16 mwN).

b) Der Arbeitgeber kann sich zur sachlichen Rechtfertigung eines befristeten Arbeitsvertrags auf eine Tätigkeit in einem zeitlich begrenzten Projekt nur dann berufen, wenn es sich bei den im Rahmen des Projekts zu bewältigenden Aufgaben um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handelt. Dies ist nicht der Fall bei Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm verfolgten [X.] dauerhaft wahrnimmt oder zu deren Durchführung er verpflichtet ist. Deshalb kann der Arbeitgeber einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] nicht dadurch herbeiführen, dass er im Wesentlichen unveränderte Daueraufgaben in organisatorisch eigenständige „Projekte“ aufteilt. Für das Vorliegen eines Projekts spricht es regelmäßig, wenn dem Arbeitgeber für die Durchführung der in dem Projekt verfolgten Tätigkeiten von einem Dritten finanzielle Mittel oder Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden. Die Beurteilung, ob der Arbeitnehmer in einem Projekt oder im Rahmen von Daueraufgaben des Arbeitgebers beschäftigt werden soll, obliegt den Tatsachengerichten, die den Sachverhalt vollständig und widerspruchsfrei zu würdigen haben ([X.] 24. September 2014 - 7 [X.] - Rn. 17; 7. Mai 2008 - 7 [X.] - Rn. 14; 7. November 2007 - 7 [X.] - Rn. 20).

Wird ein Arbeitnehmer für die Mitwirkung an einem Projekt befristet eingestellt, muss bereits im Zeitpunkt des [X.]schlusses zu erwarten sein, dass die im Rahmen des Projekts durchgeführten Aufgaben nicht dauerhaft anfallen. Für eine solche Prognose des Arbeitgebers bedarf es ausreichend konkreter Anhaltspunkte ([X.] 24. September 2014 - 7 [X.] - Rn. 18; 7. Mai 2008 - 7 [X.] - Rn. 15). Die Prognose muss sich auf den durch die Beendigung des konkreten Projekts vorhersehbaren Wegfall des zusätzlichen [X.] für den befristet eingestellten Arbeitnehmer beziehen. Unerheblich ist es, ob der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach Fristablauf aufgrund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz außerhalb des Projekts befristet oder unbefristet beschäftigt werden könnte (vgl. [X.] 24. September 2014 - 7 [X.] - Rn. 19; 7. November 2007 - 7 [X.] - Rn. 21).

c) Danach hält die Würdigung des [X.]s, die Mitwirkung der Klägerin an dem Modellprojekt „Bürgerarbeit“ rechtfertige nicht die Befristung des mit ihr abgeschlossenen Arbeitsvertrags zum 31. Dezember 2013, da das Projekt „Bürgerarbeit“ gegenüber den sozialstaatlichen Daueraufgaben des Beklagten keine abgrenzbare Zusatzaufgabe darstelle, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat den Sachverhalt nicht vollständig und widerspruchsfrei gewürdigt.

aa) Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass das Projekt „Bürgerarbeit“ mit dem Ziel einer Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt der sozialstaatlichen Daueraufgabe des Beklagten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zugeordnet werden kann. Der [X.] hat wiederholt entschieden, dass es sich bei dem steuerfinanzierten staatlichen Fürsorgesystem, das für erwerbsfähige Leistungsberechtigte vorrangig Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erbringt, um eine sozialstaatliche Daueraufgabe handelt und die damit verbundenen Leistungen nicht zeitlich begrenzt anfallen. Unsicherheiten über die künftige organisatorische Struktur der Bewältigung sozialstaatlicher Daueraufgaben und der Zuständigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende rechtfertigen die Befristung eines Arbeitsvertrags nicht (vgl. [X.] 15. Oktober 2014 - 7 [X.] - Rn. 18; 4. Dezember 2013 - 7 [X.] - Rn. 20 ff.; 11. September 2013 - 7 [X.] - Rn. 26 mwN).

bb) Der vorliegende Fall ist jedoch durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass der Beklagte mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ für einen bestimmten Zeitraum freiwillig Zusatzaufgaben übernommen hat, zu denen er gesetzlich nicht verpflichtet war. Bei dem Projekt „Bürgerarbeit“ handelt es sich um ein gesetzlich nicht vorgeschriebenes und teilweise durch [X.] finanziertes Zusatzprogramm zur Vermittlung von [X.]. Vor allem die zweite Phase des Projekts beruhte gegenüber der sonstigen Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung Langzeitarbeitsloser durch Jobcenter auf einem anderen methodischen Ansatz, indem zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten auf sog. „Bürgerarbeitsplätzen“ geschaffen wurden. Dies hat das [X.] nicht ausreichend berücksichtigt. Das [X.] hat nicht hinreichend geprüft, welche Aufgaben mit der Einrichtung der „Bürgerarbeitsplätze“ sowie mit der Betreuung der „[X.]“ durch die sog. Jobcoaches bei dem Beklagten tatsächlich verbunden waren. Es hat auch nicht gewürdigt, dass die Wahrnehmung der Projektaufgaben mit der Einrichtung von drei zusätzlichen Arbeitsplätzen verbunden war.

(1) Allein die vom [X.] angestellten Erwägungen lassen nicht den Schluss zu, dass die projektbedingt anfallenden zusätzlichen Aufgaben von den im Zusammenhang mit der Grundsicherung Langzeitarbeitsloser wahrzunehmenden Daueraufgaben nicht unterschieden werden können. Dies folgt nicht bereits aus dem allgemeinen Erfahrungssatz des [X.]s, Langzeitarbeitslose bedürften regelmäßig einer besonderen Förderung und Betreuung. Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin im Rahmen des Modellprojekts „Bürgerarbeit“ Aufgaben einer Arbeitsvermittlerin wahrgenommen hat, ergibt sich nicht, ob und in welchem Umfang diese Tätigkeiten auch ohne das Projekt angefallen wären. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass im Rahmen des Modellprojekts zusätzliche „Bürgerarbeitsplätze“ eingerichtet wurden und insoweit nach der Darstellung des Beklagten ein zusätzlicher Betreuungsaufwand entstanden sei. Auch die Annahme des [X.]s, dass die Vermittlungsbemühungen in den ersten Arbeitsmarkt während der Projektlaufzeit intensiviert und „[X.]“ motiviert werden sollten, Bewerbungsbemühungen aus eigenem Antrieb aufzunehmen, könnte dafür sprechen, dass die dafür erforderlichen Maßnahmen nur mit einem zusätzlichen Personalaufwand bewältigt werden konnten. Dies gilt entsprechend für das Bewerbungscoaching. Die projektbezogenen Tätigkeiten müssen zudem nicht allein deshalb mit denen eines Sachbearbeiters im Jobcenter identisch sein, weil ein Bewerbungscoaching auch zu deren Aufgaben zählt. Vielmehr kann von einer größeren Betreuungsdichte ein signifikant zusätzlicher Arbeitsaufwand ausgehen.

(2) Soweit das [X.] darauf abgestellt hat, die Betreuung der [X.] in dem Projekt zur Integration der zugeteilten „[X.]“ in den Regelarbeitsmarkt habe in einer kontinuierlichen engen Abstimmung zwischen den Projektverantwortlichen in der [X.] und dem Jobcenter des Beklagten erfolgen sollen, folgt daraus nicht, dass die Grund- von den Zusatzaufgaben nicht trennbar sind. Das Erfordernis einer Abstimmung verdeutlicht vielmehr, dass es sich um unterschiedliche Aufgabenbereiche handelte. Gerade deshalb bedarf es einer Abstimmung.

(3) Entgegen der Auffassung des [X.]s sprechen auch die Durchführung des Projekts durch die [X.] anstelle des Jobcenters sowie die finanzielle Förderung durch [X.] über die [X.] der Aufgaben und dafür, dass es sich bei dem Modellprojekt um eine Zusatzaufgabe gehandelt hat.

(a) Das [X.] hat zwar zutreffend ausgeführt, dass es für die Feststellung eines vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung letztlich nicht darauf ankommt, dass der Beklagte die [X.] für die Durchführung der Projektaufgaben eingeschaltet hat. Es hat jedoch nicht gewürdigt, dass in der organisatorischen Eigenständigkeit der Aufgaben ein Indiz für einen abgrenzbaren zusätzlichen Personalaufwand liegen kann, zumal weder festgestellt noch vorgetragen ist, dass Zuständigkeiten oder dauerhaft wahrgenommene Aufgaben aus dem Jobcenter auf die drei zusätzlich eingestellten Mitarbeiterinnen in die [X.] verlagert worden seien.

(b) Die Mitfinanzierung durch [X.] ist ebenfalls als Indiz dafür anzusehen, dass es sich bei den Projektaufgaben um abgrenzbare, zeitlich bis zum 31. Dezember 2014 befristete Zusatzaufgaben handelte. Die gegenteilige Erwägung des [X.]s, dass die Förderung durch [X.] lediglich den finanziellen Rahmen der Tätigkeit der Klägerin abstecke, diese aber nicht zu einer Zusatzaufgabe mache, lässt außer Betracht, dass es regelmäßig für das Vorliegen eines Projekts spricht, wenn dem Arbeitgeber für die Durchführung der damit verfolgten Tätigkeiten von einem Dritten finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden (vgl. [X.] 7. November 2007 - 7 [X.] - Rn. 34). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte das Modellprojekt mitfinanziert hat. Eine ausschließliche Finanzierung durch Mittel des [X.] ist nicht vorgesehen. Aus dem Bescheid der [X.] ergibt sich, dass die Förderung des Projekts „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ durch Mittel des [X.] eine finanzielle Beteiligung des Beklagten voraussetzt. Die Voraussetzungen, unter denen die Mitfinanzierung bewilligt wurde, stellen deshalb ein Indiz dafür dar, dass zusätzliche Projektaufgaben angefallen sind. Nach dem Bescheid vom 15. November 2012 hat die [X.] die Zuwendung zweckgebunden und ausschließlich für die Durchführung des Projekts „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ bewilligt. Die mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 vorgelegte Projektbeschreibung sowie der beigefügte Finanzierungsplan vom 14. November 2012 wurden in dem Bescheid für verbindlich erklärt. Außerdem ist der zusätzliche Aufwand durch die projektgebundenen Tätigkeiten von insgesamt 7.826,40 Stunden für die Mitarbeiterinnen benannt, die in dem Projekt namentlich bezeichnet sind. Diese für abgrenzbare Zusatzaufgaben sprechenden Umstände wurden vom [X.] nicht zutreffend berücksichtigt.

III. Der Rechtsfehler des [X.]s führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur weiteren Sachaufklärung.

1. Das [X.] wird - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - erneut zu prüfen haben, ob im Rahmen des Projekts „Bürgerarbeit“ ein zusätzlicher Bedarf an Arbeitskräften entstanden ist. Hierbei wird das [X.] Feststellungen dazu zu treffen haben, ob durch die Betreuung der Teilnehmer des Projekts, insbesondere im Rahmen ihres Einsatzes auf den „Bürgerarbeitsplätzen“, ein zusätzlicher Arbeitsaufwand entstanden ist, der ohne das Projekt nicht angefallen wäre.

2. Sollte die neue Verhandlung ergeben, dass durch das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf entstanden ist, wird das [X.] zu prüfen haben, ob bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Klägerin die Prognose gerechtfertigt war, dass die in dem Modellprojekt anfallenden Aufgaben vorübergehender Natur waren. Das [X.] hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob aus Sicht des Beklagten bei [X.]schluss mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war, dass die in dem Projekt „Bürgerarbeit“ angefallenen zusätzlichen Aufgaben nicht über den 31. Dezember 2014 hinaus fortgeführt würden oder ob diese Prognose nicht gerechtfertigt war, weil sich der Beklagte die Fortführung der projektbedingten Aufgaben über den 31. Dezember 2014 offengehalten hatte. Das [X.] wird insoweit den Umstand zu berücksichtigen haben, dass nach dem Bescheid der [X.] und den Vorgaben des [X.] keine Ungewissheit über den Finanzierungszeitraum für das Projekt bestanden hat. Es wird zudem zu würdigen haben, dass das „Modellprojekt“ darauf ausgerichtet war, einen neuen Lösungsansatz zu erproben, um erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem [X.] dabei zu unterstützen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden.

IV. Die Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig erweisen würde (§ 561 ZPO).

1. Der Klage ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb stattzugeben, weil die Dauer des vom Beklagten behaupteten vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs und die Befristungsdauer auseinanderfallen.

a) Der Sachgrund des vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung erfordert nicht, dass der befristete Vertrag für die gesamte Laufzeit des Projekts geschlossen wird. Der Arbeitgeber kann bei Befristungen, die auf den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] normierten Sachgrund gestützt sind, frei darüber entscheiden, ob er den Zeitraum des von ihm prognostizierten zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs ganz oder nur teilweise durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen abdeckt ([X.] 17. März 2010 - 7 [X.]/08 - Rn. 14, [X.]E 133, 319; 20. Februar 2008 - 7 [X.] - Rn. 19; 13. Oktober 2004 - 7 [X.] - zu I 3 c der Gründe). Das bloße Zurückbleiben der [X.]laufzeit hinter der voraussichtlichen Dauer eines Projekts ist nicht stets und ohne weiteres geeignet, den Sachgrund für die Befristung in Frage zu stellen. Dies ist erst dann der Fall, wenn die [X.]laufzeit derart hinter der bei [X.]schluss voraussehbaren Dauer des vorübergehenden Bedarfs zurückbleibt, dass eine sinnvolle, dem Sachgrund der Befristung entsprechende Mitarbeit des Arbeitnehmers nicht mehr möglich erscheint (vgl. [X.] 24. September 2014 - 7 [X.] - Rn. 20; 17. März 2010 - 7 [X.]/08 - Rn. 14, aaO; 7. November 2007 - 7 [X.] - Rn. 21).

b) Das [X.] hat sich - bei seiner Lösung konsequent - zwar nicht damit auseinandergesetzt, dass der Vertrag mit der Klägerin zum 31. Dezember 2013 befristet ist, obwohl bei [X.]schluss zu prognostizieren war, dass das Projekt bis zum 31. Dezember 2014 fortgeführt wurde. Die ein Jahr hinter der Projektdauer zurückbleibende [X.]laufzeit stellt den behaupteten Sachgrund jedoch nicht in Frage. Es sind weder Gründe vorgetragen noch ersichtlich, dass eine sinnvolle, dem Sachgrund entsprechende Mitarbeit der Klägerin an dem Projekt innerhalb der etwas über ein Jahr andauernden Laufzeit des [X.] nicht möglich gewesen sein sollte.

2. Die Klage hat auch nicht deshalb Erfolg, weil der Beklagte den Arbeitsvertrag mit der Klägerin nur befristet bis zum 31. Dezember 2013 abgeschlossen hat, während er mit den beiden anderen in dem Projekt beschäftigten Mitarbeiterinnen befristete Arbeitsverträge bis zum Ende des Projekts am 31. Dezember 2014 vereinbart hat. Diese Ungleichbehandlung führt nicht zur Unwirksamkeit der Befristung.

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet es dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Danach sind sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch die sachfremde Gruppenbildung verboten. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem allgemeinen generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke für die Leistung festlegt. Nicht anwendbar ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Leistungen oder Vergünstigungen individuell vereinbart werden. Dies beruht darauf, dass die [X.]freiheit Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz genießt ([X.] 13. August 2008 - 7 [X.] - Rn. 21 mwN, [X.]E 127, 239).

b) Danach führt die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber den beiden anderen Mitarbeiterinnen nicht zur Unwirksamkeit der mit ihr vereinbarten Befristung. Die Arbeitsverträge der beiden anderen Mitarbeiterinnen sind zum 31. Dezember 2014 befristet. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz könnte daher allenfalls einen Anspruch auf Abschluss eines zum 31. Dezember 2014 befristeten Arbeitsvertrags begründen. Ein solcher Anspruch ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruchsgrundlage für den Abschluss eines weiteren - befristeten oder unbefristeten - Arbeitsvertrags sein kann (verneinend für die Verlängerung einer sachgrundlosen Befristung [X.] 13. August 2008 - 7 [X.] - Rn. 22 f., [X.]E 127, 239; [X.]/[X.] 11. Aufl. § 17 [X.] Rn. 89; offengelassen für einen Einstellungsanspruch nach § 612a BGB iVm. dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 36).

        

    Gräfl    

        

    Waskow    

        

    [X.]    

        

        

        

    Busch    

        

    Rose    

                 

Meta

7 AZR 545/14

27.07.2016

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Göttingen, 15. Oktober 2013, Az: 2 Ca 238/13 Ö, Urteil

§ 14 Abs 1 S 2 Nr 1 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2016, Az. 7 AZR 545/14 (REWIS RS 2016, 7518)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3388 REWIS RS 2016, 7518


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 7 AZR 545/14

Bundesarbeitsgericht, 7 AZR 545/14, 27.07.2016.


Az. 10 AZR 251/14

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 251/14, 30.09.2015.


Az. 2 Ca 238/13

Arbeitsgericht Arnsberg, 2 Ca 238/13, 03.06.2013.


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6 Ca 2162/21

2 Sa 238/16

5 Sa 82/16

11 Sa 155/16

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