Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 AZR 377/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 5034

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Gegenstand

Wahlbewerber - besonderer Kündigungsschutz


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2010 - 5 [X.]/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.

2

Die Beklagte hat ihren Sitz in [X.] Sie erbringt mit etwa 450 Mitarbeitern bundesweit Dienstleistungen in der Luftfahrtbranche. Der 1952 geborene Kläger war bei ihr seit dem 1. Februar 2008 als Luftsicherheitsassistent tätig. Regelmäßiger Einsatzort des [X.] war der [X.] An diesem Standort unterhält die Beklagte eine Niederlassung mit insgesamt 46 Arbeitnehmern.

3

Am 16. Juli 2008 erteilte die Beklagte dem Kläger auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung eine „Probezeitbeurteilung“, die teils positive und teils - ua. hinsichtlich des Kriteriums „Arbeitsweise“ - negative Bewertungen enthielt. Nach der Betriebsvereinbarung sind Beanstandungen bei der Arbeitsweise geeignet, eine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten über die - im Arbeitsvertrag des [X.] mit sechs Monaten vereinbarte - Probezeit hinaus auszuschließen.

4

Am Sonnabend, dem 26. Juli 2008 war der Kläger zur Arbeit am [X.] eingeteilt. Zu diesem [X.]punkt war ein Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl für den Betrieb der Niederlassung bestellt. Noch am selben Tag fertigte der Kläger einen ihn als Bewerber ausweisenden schriftlichen Wahlvorschlag (Vorschlagsliste). Zugleich erklärte er auf der Vorschlagsliste sein Einverständnis mit der Kandidatur. Nach den Feststellungen des [X.] brachten vier weitere Arbeitnehmer der Beklagten in der [X.] von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr des Tages auf dem Vorschlag ihre Stützunterschrift an. Um 16:38 Uhr gab der Kläger den Wahlvorschlag als ein an den Wahlvorstand gerichtetes Einwurfeinschreiben zur Post. Es ging beim Wahlvorstand frühestens am 28. Juli 2008 ein.

5

Mit Schreiben vom 25. Juli 2008, das dem Kläger am 28. Juli 2008 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „innerhalb der Probezeit" zum 3. August 2008.

6

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, er habe bei Zugang der Kündigung den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 [X.] besessen. Dieser greife ein, sobald ein Wahlvorschlag mit der erforderlichen Mindestanzahl von [X.] vorliege. Unabhängig davon sei die Kündigung gemäß § 134 BGB iVm. § 20 BetrVG und § 612a BGB nichtig. Sie sei als Reaktion auf seine Kandidatur für den Betriebsrat und deshalb erfolgt, weil er Vorgesetzte auf Missstände hingewiesen habe.

7

Bei der Betriebsratswahl vom 2. September 2008 wurde der Kläger als ordentliches Mitglied in den Betriebsrat gewählt.

8

Der Kläger hat - soweit noch von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Juli 2008 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Luftsicherheitsassistent am [X.] weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die ordentliche Kündigung sei nicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] ausgeschlossen. Der den Kläger benennende Wahlvorschlag sei im Kündigungszeitpunkt noch nicht „aufgestellt“ gewesen. Dafür sei zumindest der Eingang eines mit der notwendigen Anzahl von [X.] versehenen Wahlvorschlags beim Wahlvorstand erforderlich. Dies sei erst am 29. Juli 2008 geschehen. Die Kündigung stelle auch keine Behinderung der Betriebsratswahl oder Maßregelung des [X.] dar. Ihr [X.] beruhe ausschließlich auf der schlechten Beurteilung des [X.].

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die ordentliche Kündigung vom 25. Juli 2008 nicht aufgelöst. Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt [X.] iSv. § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Ihm konnte daher nur außerordentlich aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) und mit Zustimmung des Betriebsrats (§ 103 [X.]) gekündigt werden.

I. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist die ordentliche Kündigung eines [X.]s vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig.

II. Unter welchen Voraussetzungen ein Wahlvorschlag im Sinne des Gesetzes „aufgestellt“ ist und demnach der Sonderkündigungsschutz für [X.] einsetzt, ist umstritten.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] beginnt der Sonderkündigungsschutz für [X.], sobald ein Wahlvorstand für die Wahl bestellt ist und für den Kandidaten ein Wahlvorschlag vorliegt, der die nach dem [X.] erforderliche Mindestzahl von Stützunterschriften aufweist. Der Wahlvorschlag ist dann im Sinne des Gesetzes „aufgestellt“. Auf seine Einreichung beim Wahlvorstand kommt es nicht an (vgl. [X.] 5. Dezember 1980 - 7 [X.] 781/78 - zu 2 der Gründe, [X.]E 34, 291; 13. Oktober 1977 - 2 [X.] 387/76 - zu II 1 der Gründe, [X.] 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA [X.] 1972 § 74 Nr. 3; 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - [X.]E 28, 30; die Frage offen lassend [X.] 17. März 2005 - 2 [X.] 275/04 - [X.] [X.] 1972 § 27 Nr. 6 = EzA [X.] 2001 § 28 Nr. 1).

2. Demgegenüber wird in der Literatur die Auffassung vertreten, der Kündigungsschutz setze erst mit Eingang des gültigen Wahlvorschlags beim Wahlvorstand ein. Erst ab diesem Zeitpunkt entfalte ein Wahlvorschlag bindende Wirkung und könne als „aufgestellt“ angesehen werden. Zudem lasse sich der Zeitpunkt der Anbringung der letzten Stützunterschrift oftmals nur schwer feststellen. Hieran anzuknüpfen bringe ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit mit sich ([X.]/Bengelsdorf 3. Aufl. § 15 [X.] Rn. 8; v. [X.]/[X.] [X.] 14. Aufl. § 15 Rn. 19; GK-[X.]/[X.] 8. Aufl. § 103 Rn. 17; [X.]/[X.] [X.] 11. Aufl. § 103 Rn. 19; [X.]: Betriebsverfassung [X.]. zu Entsch. 21; [X.]. AR-Blattei: Kündigungsschutz Anm. zu Entsch. 155; [X.] Mitwirkung und Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 5. Aufl. Rn. 644).

3. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung fest. Sie ist verbreitet auf Zustimmung gestoßen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] § 15 [X.] Rn. 13; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 103 Rn. 4; [X.]/[X.] 11. Aufl. § 15 [X.] Rn. 14; Fitting [X.] 25. Aufl. § 103 Rn. 10; [X.]/Fiebig 3. Aufl. § 15 Rn. 24; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 103 [X.] Rn. 23, 25; KDZ/[X.] 8. Aufl. § 15 [X.] Rn. 16; [X.]/Spinner [X.] 9. Aufl. § 15 Rn. 37; MünchKommBGB/[X.] 5. Aufl. § 15 [X.] Rn. 37; [X.] in Schwarze/ [X.]/[X.] § 15 [X.] Rn. 41; [X.]/[X.] 10. Aufl. Rn. 1687; Stege/ [X.]/[X.] 9. Aufl. § 103 Rn. 20; [X.]/[X.] 2002, 354, 355; [X.] AR-Blattei SD 530.9 Rn. 13 ff.). Für sie sprechen nach wie vor die besseren Argumente.

a) Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] enthält keinen eindeutigen Anhaltspunkt für die Frage, wann von der „Aufstellung des Wahlvorschlags“ auszugehen ist (so schon [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 a der Gründe, [X.]E 28, 30). Der Begriff wird weder im [X.], noch im [X.] oder in der einschlägigen Wahlordnung näher definiert.

aa) Schon der allgemeine Sprachgebrauch spricht aber dagegen, an den Eingang des Vorschlags beim Wahlvorstand oder gar - wie die Revision meint - an den (späteren) Zeitpunkt, zu dem der Wahlvorstand den Vorschlag nach § 7 WO geprüft und für gültig befunden hat, anzuknüpfen. Nach alltagssprachlichem Verständnis liegt es vielmehr nahe anzunehmen, dass nur ein Wahlvorschlag, der bereits „aufgestellt“ ist, beim Wahlvorstand eingereicht werden kann. Das bedeutet, dass der Vorgang der Aufstellung dem der Einreichung zeitlich vorangehen muss (vgl. [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 a der Gründe, [X.]E 28, 30).

bb) Auch die Wahlordnung unterscheidet zwischen der „Aufstellung“ von Wahlvorschlägen (in § 2 Abs. 5, § 3 Abs. 3 WO) und deren „Einreichung“ beim Wahlvorstand (bspw. in § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 36 Abs. 5 WO). Nach § 3 Abs. 3 WO soll der Wahlvorstand, sofern es nach Größe, Eigenart und Zusammensetzung der [X.] zweckmäßig ist, im Wahlausschreiben darauf hinweisen, dass „bei der Aufstellung von Wahlvorschlägen“ die einzelnen Organisationsbereiche und die verschiedenen Beschäftigungsarten berücksichtigt werden sollen. Diese Regelung geht erkennbar davon aus, dass die „Aufstellung“ des Vorschlags der Einreichung beim Wahlvorstand zeitlich vorangeht.

cc) Hätte der Gesetzgeber für den Beginn des Kündigungsschutzes an die Einreichung des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand anknüpfen wollen, hätte es nahe gelegen, dies in § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] so zum Ausdruck zu bringen (vgl. bereits [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 c aa der Gründe, [X.]E 28, 30). Das ist trotz verschiedentlicher Neuregelungen des § 15 [X.] nicht geschehen. Dabei kann vorausgesetzt werden, dass dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des [X.] zur Frage des Beginns des [X.] bekannt war. Das spricht dafür, dass er die Regelung in diesem Sinne verstanden wissen wollte.

b) Insbesondere der Regelungszweck des § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] spricht dafür, an den Zeitpunkt anzuknüpfen, zu dem die letzte der erforderlichen Stützunterschriften unter den Wahlvorschlag gesetzt worden ist.

aa) Den Gesetzesmaterialien zufolge ist der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 [X.] auf [X.] ausgedehnt worden, weil dieser Personenkreis im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte mit dem Arbeitgeber für die [X.] in ähnlicher Weise schutzbedürftig ist wie Betriebsratsmitglieder. Der Kündigungsschutz soll die Durchführung der [X.] dadurch erleichtern, dass Arbeitnehmer eher Bereitschaft zu einer Kandidatur entwickeln. Außerdem sollen Arbeitgeber daran gehindert werden, etwa nicht genehme [X.] durch Kündigung von der Wahl auszuschließen (vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 60).

bb) Um dieses Ziel effektiv zu gewährleisten, muss der Kündigungsschutz zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einsetzen. Die aus der Kandidatur erwachsende besondere Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines [X.]s entsteht dann, wenn für den Arbeitgeber erkennbar werden kann, dass der Arbeitnehmer für das Amt in Aussicht genommen ist (vgl. [X.] 5. Dezember 1980 - 7 [X.] 781/78 - zu 2 der Gründe, [X.]E 34, 291; 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 b bb der Gründe, [X.]E 28, 30). Diese Möglichkeit besteht, sobald ein Wahlvorschlag vorliegt, der den Arbeitnehmer als Kandidaten benennt. Von diesem Zeitpunkt an ist dessen Bewerbung zumindest bei den Unterstützern und damit in gewisser Weise „im Betrieb“ bekannt. Es wi[X.]präche dem gesetzgeberischen Anliegen, wenn ein [X.] auch jetzt noch ohne besonderen Schutz bliebe. Dies könnte Arbeitnehmer von einer Kandidatur abhalten. Auf den Zeitpunkt der Einreichung beim Wahlvorstand abzustellen wäre zudem geeignet, Kandidaten zu benachteiligen, die ihre Arbeitsleistung - wie im Streitfall - außerhalb des Ortes erbringen, an dem sich der Sitz des Wahlvorstands befindet, und die deshalb auf eine postalische Übermittlung des Vorschlags angewiesen sind. Das liefe auch kollektiven Interessen der den Kandidaten unterstützenden Arbeitnehmer und der Gesamtbelegschaft zuwider, die auf eine möglichst leichte und von personellen Einflussnahmen des Arbeitgebers freie Durchführung des Wahlverfahrens gerichtet sind. Dass der Gesetzgeber diesen Anliegen eine hohe Bedeutung beimisst, zeigt die zwischenzeitlich erfolgte Ausweitung des besonderen Kündigungsschutzes auf die Initiatoren einer [X.] in § 15 Abs. 3a [X.] (vgl. auch [X.] 26. November 2009 - 2 [X.] 185/08 - Rn. 18, [X.]E 132, 293).

cc) Allerdings muss berücksichtigt werden, dass das [X.] eng mit dem Wahlverfahren verknüpft und durch dieses zeitlich und funktional begrenzt ist. Zudem verlangt das Erfordernis der „Aufstellung“ des Wahlvorschlags nach der Einhaltung einer bestimmten Form (vgl. [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 b bb der Gründe, [X.]E 28, 30; 4. April 1974 - 2 [X.] 452/73 - zu I 3 a der Gründe, [X.]E 26, 116). Schon der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] verweist deshalb für den Beginn des Schutzes auf einen Abschnitt im Wahlverfahren, der zeitlich nach der bloßen Verlautbarung einer möglichen Kandidatur oder eines entsprechenden Interesses liegt und der nicht gar schon in eine Zeit fällt, zu der das Wahlverfahren noch nicht einmal in Gang gesetzt worden ist (vgl. [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - aaO). Erforderlich ist die Existenz eines Wahlvorschlags, auf dessen Grundlage immerhin die greifbare Möglichkeit einer Wahl in den Betriebsrat besteht ([X.] 26. September 1996 - 2 [X.] 528/95 - zu II 2 der Gründe, [X.] 1969 § 15 [X.] Nr. 3 = EzA [X.] § 15 nF Nr. 45; 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 c aa der Gründe, aaO).

dd) Diesen Anforderungen wird am ehesten ein Wahlvorschlag gerecht, der die nach § 14 Abs. 4 [X.] erforderliche Mindestzahl von Arbeitnehmerunterschriften trägt. Hat sich eine Kandidatur auf diese Weise verfestigt, muss der Arbeitgeber ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Kandidat in den Betriebsrat gewählt wird. Die damit verbundene „Vorwirkung“ des potentiellen Betriebsratsamts bewirkt eine erhöhte Kündigungsgefahr, die ein entsprechendes Schutzbedürfnis auf Seiten des Arbeitnehmers auslöst. Zugleich liegt in dem Erfordernis der hinreichenden Anzahl von Stützunterschriften - neben dem der Bestellung eines Wahlvorstands - ein geeignetes Instrument, um einem Missbrauch des [X.]s entgegenzuwirken (vgl. [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 c der Gründe, [X.]E 28, 30).

c) Dieser Auslegung des Gesetzes steht nicht entgegen, dass eine vom Wahlvorstand zu beachtende Kandidatur erst vorliegt, wenn der Wahlvorschlag bei diesem binnen der im Gesetz vorgesehenen Frist eingereicht worden ist (§ 14 Abs. 3 [X.] iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 WO; § 14a Abs. 2, Abs. 3 [X.] iVm. § 33 WO). Das Gesetz verlangt nicht, dass im Zeitpunkt der „Aufstellung“ des Wahlvorschlags iSv. § 15 Abs. 3 [X.] sämtliche für eine erfolgreiche Kandidatur notwendigen Förmlichkeiten gewahrt sind (vgl. [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 4 c der Gründe, [X.]E 28, 30; [X.] SAE 1975, 249 f.; ähnlich für die „Bestellung“ in § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.]: [X.] 26. November 2009 - 2 [X.] 185/08 - [X.]E 132, 293). Auf etwaige Mängel des Wahlvorschlags kommt es - auch mit Blick auf den von § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] bezweckten Schutz kollektiver Interessen - so lange nicht an, wie der Mangel gemäß § 8 Abs. 2 WO behebbar ist ([X.] 17. März 2005 - 2 [X.] 275/04 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 27 Nr. 6 = EzA [X.] 2001 § 28 Nr. 1; 5. Dezember 1980 - 7 [X.] 781/78 - zu 2 der Gründe, [X.]E 34, 291; [X.] in Schwarze/[X.]/[X.] § 15 [X.] Rn. 41 mwN).

d) Möglichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Zeitpunkts, zu dem die letzte der notwendigen Unterschriften geleistet worden ist, kann in gewisser Weise dadurch begegnet werden, dass der jeweilige Zeitpunkt der Unterzeichnung auf dem Wahlvorschlag festgehalten wird, mag dies auch - an[X.] als für die Einreichung der Vorschlagsliste beim Wahlvorstand (vgl. § 7 Abs. [X.]) - gesetzlich nicht vorgesehen sein. Im Übrigen trifft den Arbeitnehmer, der sich auf § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] beruft, die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes vorliegen. Er trägt damit auch das Risiko einer Nichterweislichkeit der Rechtzeitigkeit der Stützunterschriften. Im Übrigen sind selbst dann, wenn man auf den Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand abstellen wollte, Fälle denkbar, in denen der Beginn des Kündigungsschutzes zweifelhaft ist (vgl. [X.] 4. März 1976 - 2 [X.] 620/74 - zu I 5 der Gründe, [X.]E 28, 30).

e) Für den Beginn des [X.] nach § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] kommt es nicht darauf an, ob bei der Anbringung der letzten erforderlichen Stützunterschrift die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen, die regelmäßig am Tag nach Aushang des [X.] beginnt (§ 6 Abs. [X.]; § 187 Abs. 1 BGB), schon angelaufen war ([X.][X.] 9. Aufl. § 103 [X.] Rn. 25).

aa) Ein Wahlvorschlag, der vor Beginn der für die Einreichung maßgebenden Fristen beim Wahlvorstand eingeht, ist nicht ein von vorneherein ungültiger Vorschlag. Gibt der Wahlvorstand einen ihm vorzeitig zugeleiteten Wahlvorschlag nicht zurück, kann er ihn nach Erlass des [X.] nicht wegen vorzeitiger Einreichung ablehnen; er ist dann als mit Erlass des [X.] eingereicht anzusehen (Fitting [X.] 25. Aufl. § 6 WO Rn. 3 mwN). Reicht der Wahlvorstand den Vorschlag zurück, verliert dieser dadurch nicht seine [X.] Relevanz. Er kann nach Anlaufen der Frist erneut eingereicht werden und dadurch volle Gültigkeit erlangen. Die „greifbare Möglichkeit“ einer Wahl besteht somit auch, wenn der Wahlvorschlag „vorfristig“ aufgestellt wurde.

bb) Ein schon vollzogener Erlass des [X.] ist auch nicht zur Vermeidung von Rechtsmissbrauch erforderlich. Diesem ist hinreichend dadurch vorgebeugt, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] die Existenz eines Wahlvorstands voraussetzt.

III. Danach stand dem Kläger im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz als [X.] zu.

1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ging das Kündigungsschreiben dem Kläger am 28. Juli 2008 zu. Zu diesem Zeitpunkt war unstreitig ein Wahlvorstand zur Durchführung einer [X.] für den Betrieb der Niederlassung bestellt.

2. Bei Zugang der Kündigung lag ein den Kläger benennender Wahlvorschlag mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften vor.

a) Das [X.] hat angenommen, die letzte von insgesamt vier Stützunterschriften sei am 26. Juli 2008 um 16:00 Uhr auf dem schriftlichen Wahlvorschlag angebracht worden. Es hat diesen Umstand als zwischen den Parteien unstreitig bezeichnet und weiter angenommen, der Vorschlag sei unstreitig am 26. Juli 2008 um 16:38 Uhr an den Wahlvorstand versandt worden. Daran ist der Senat gebunden. Die Rüge der Revision, das [X.] habe hinsichtlich des festgestellten Zeitpunkts der Anbringung der Stützunterschriften streitiges Vorbringen als unstreitig behandelt, ist unzulässig. Die in Rede stehenden Feststellungen sind im Tatbestand des Berufungsurteils enthalten. Die Beklagte konnte sie deshalb nur mit einem [X.] nach § 320 Abs. 1 ZPO angreifen (vgl. [X.] 26. Februar 1987 - 2 [X.] 177/86 - zu [X.] 1 b der Gründe, [X.] 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 15 = EzA [X.] § 1 Soziale Auswahl Nr. 24; [X.]/[X.]/ Prütting/[X.] 7. Aufl. § 74 Rn. 106; [X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. § 74 Rn. 57). Das ist nicht geschehen.

b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des [X.]s, mit vier Unterschriften sei die gesetzlich erforderliche Zahl von Stützunterschriften vorhanden gewesen. Das ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die notwendige Zahl von Stützunterschriften für Wahlvorschläge der Arbeitnehmer ergibt sich aus § 14 Abs. 4 [X.] (ggf. iVm. § 14a Abs. 2, § 14a Abs. 3 Satz 2 [X.]). Danach muss ein - schriftlicher - Wahlvorschlag mindestens von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, wenigstens aber von drei Arbeitnehmern unterzeichnet sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Im Betrieb waren 46 Arbeitnehmer beschäftigt.

c) Sonstige Umstände, die von vorneherein der greifbaren Möglichkeit einer Wahl des [X.] entgegengestanden hätten und deshalb den Eintritt des [X.] hätten hindern können (vgl. [X.] 26. September 1996 - 2 [X.] 528/95 - zu II 2 der Gründe, [X.] 1969 § 15 [X.] Nr. 3 = EzA [X.] § 15 nF Nr. 45), liegen nicht vor.

aa) Zwar ist Voraussetzung für einen gültigen Wahlvorschlag die Wählbarkeit des Bewerbers nach § 8 [X.] ([X.] 26. September 1996 - 2 [X.] 528/95 - zu II 2 der Gründe, [X.] 1969 § 15 [X.] Nr. 3 = EzA [X.] § 15 nF Nr. 45). Fehlt es hieran, darf der Vorschlag vom Wahlvorstand gemäß § 8 WO nicht berücksichtigt werden. Für die Wählbarkeit ist aber nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der [X.]. Das hat das [X.] zutreffend erkannt.

(1) Der wahlberechtigte Arbeitnehmer muss, um nach § 8 Abs. 1 [X.] wählbar zu sein, dem Betrieb sechs Monate angehören. Ausnahmen gelten nach § 8 Abs. 2 [X.], wenn der Betrieb kürzer als sechs Monate besteht.

(2) Für das Eingreifen des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] reicht es aus, dass die Voraussetzungen des § 8 [X.] im Zeitpunkt der Wahl vorliegen. Der Arbeitnehmer kann sich nur dann nicht auf den besonderen Kündigungsschutz als [X.] berufen, wenn bei Zugang der Kündigung keinerlei Aussicht bestanden hat, dass er bei der durchzuführenden Wahl wählbar sein würde.

(a) Der Senat hat bislang offen gelassen, ob bei der Berechnung der nach § 8 [X.] maßgebenden Betriebszugehörigkeit auf den Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags oder den Zeitpunkt der [X.] abzustellen ist (vgl. [X.] 26. September 1996 - 2 [X.] 528/95 - zu II 3 der Gründe, [X.] 1969 § 15 [X.] Nr. 3 = EzA [X.] § 15 nF Nr. 45). Dafür, dass es auf den Zeitpunkt der Wahl und nicht den der Kündigung oder gar den der Aufstellung des Wahlvorschlags ankommt, sprechen vor allem teleologische Erwägungen. Die von § 8 [X.] verlangte Dauer der Betriebszugehörigkeit soll gewährleisten, dass ein Betriebsratsmitglied einen ausreichenden Überblick über die Verhältnisse des Betriebs besitzt. Dies ist für die sachgerechte Ausübung des Betriebsratsamts notwendig ist (BT-Drucks. VI/1786, S. 37). Die Anforderung bezieht sich demzufolge auf das bereits gewählte, aktive Betriebsratsmitglied. Ob es schon als [X.] über entsprechende Kenntnisse verfügt hat, ist dagegen nicht entscheidend. Ein [X.] hat noch keine in die Zuständigkeit des Betriebsrats fallenden Entscheidungen zu treffen (vgl. [X.] 21. April 1982 - 3 [X.]/82 - [X.] 1982, 2709; im Ergebnis ebenso: [X.]S/[X.] 3. Aufl. § 15 [X.] Rn. 58; [X.]/[X.]/[X.] § 15 [X.] Rn. 13; [X.]/[X.] 11. Aufl. § 15 [X.] Rn. 10; Fitting [X.] 25. Aufl. § 8 Rn. 32; [X.]. § 15 [X.] Rn. 18; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 103 [X.] Rn. 25a; MünchKommBGB/[X.] 5. Aufl. § 15 [X.] Rn. 20; [X.]/[X.] 10. Aufl. Rn. 1687; [X.]/Wlotzke [X.] 4. Aufl. § 8 Rn. 7).

(b) Hier waren die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfüllt. Der am 1. Februar 2008 eingestellte Kläger gehörte dem Betrieb bei der Durchführung der [X.] am 2. September 2008 länger als sechs Monate an.

bb) Der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 3 Satz 1 [X.] steht nicht entgegen, dass die Kandidatur des [X.] zeitlich eng mit dem [X.] der Beklagten zusammenfiel. Das macht für sich genommen die Berufung auf den besonderen Kündigungsschutz nicht rechtsmissbräuchlich. Ebenso wenig ist von Belang, ob die Beklagte, als sie den [X.] fasste, von der Bewerbung des [X.] bereits Kenntnis hatte.

IV. Die Kosten der Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Eulen    

        

    Sieg    

                 

Meta

2 AZR 377/10

07.07.2011

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Leipzig, 27. Mai 2009, Az: 13 Ca 3266/08, Urteil

§ 15 Abs 3 S 1 KSchG, § 3 Abs 3 BetrVGDV1WO, § 6 Abs 1 BetrVGDV1WO, § 7 Abs 1 BetrVGDV1WO, § 8 BetrVGDV1WO, § 8 Abs 1 BetrVG, § 8 Abs 2 BetrVG, § 14 Abs 4 BetrVG, § 187 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.07.2011, Az. 2 AZR 377/10 (REWIS RS 2011, 5034)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5034

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