Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.02.2023, Az. B 5 R 150/22 B

5. Senat | REWIS RS 2023, 1945

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Fremdrentenrecht - nicht fremdrentenberechtigter Ehegatte eines nach dem FRG berechtigten Versicherten - Gleichstellung von einer vor der Ausreise im Herkunftsland erfolgten Kindererziehung mit einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die 1953 geborene Klägerin begehrt eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von [X.] und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Sie lebte mit ihrem Ehemann zunächst in [X.]. Dort zog sie die gemeinsamen, 1977 und 1984 geborenen Kinder auf. Am [X.] siedelten die Eheleute nach [X.] über. Der Ehegatte der Klägerin wurde als Spätaussiedler anerkannt. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom [X.] die von der Klägerin bis zum 31.12.2012 zurückgelegten rentenrechtlichen [X.]en verbindlich fest, ohne dabei [X.] oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen. Sie lehnte die von der Klägerin am [X.] beantragte Anerkennung der [X.]en vielmehr ausdrücklich ab, weil die Kinder im Ausland erzogen worden seien (Bescheid vom 10.7.2019; Widerspruchsbescheid vom 18.10.2019).

2

Das [X.] hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom [X.]). Während des von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahrens hat die Beklagte ihr Regelaltersrente bewilligt, ohne dabei [X.] oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zu berücksichtigen (Bescheid vom 7.9.2021). Das L[X.] hat befunden, Gegenstand des Verfahrens sei nunmehr allein der Bescheid vom 7.9.2021, über den durch Klage zu entscheiden sei. Es hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne keine höhere Rente unter Berücksichtigung der geltend gemachten [X.]en beanspruchen. Die Erziehung in [X.] stehe einer inländischen Erziehung nicht gleich. Auch aus dem Fremdrentengesetz ([X.]) ergebe sich keine Gleichstellung, weil die Klägerin nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des [X.] unterfalle.

3

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum B[X.] eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 22.8.2022 begründet hat. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung in jeder Hinsicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Form genügt (vgl hierzu zB B[X.] Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] RdNr 4; B[X.] Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris Rd[X.]; vgl zu der Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzulassen, B[X.] Beschluss vom 16.10.2019 - B 13 R 175/18 B - juris RdNr 8). Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl etwa B[X.] Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris Rd[X.]2 mwN; B[X.] Beschluss vom [X.] R 112/22 B - juris RdNr 7). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt regelmäßig, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr, zB B[X.] Beschluss vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 - juris Rd[X.] mwN; vgl zu den - hier nicht in Betracht kommenden - Fällen einer fortbestehenden oder erneuten Klärungsbedürftigkeit zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 8b f mwN). Als bereits höchstrichterlich geklärt anzusehen ist eine Rechtsfrage auch dann, wenn das Revisionsgericht bzw das [X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Rechtsfrage geben (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 3-1500 § 160 [X.]; aus jüngerer [X.] zB B[X.] Beschluss vom [X.] - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 4; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 12/21 B - [X.] 4-2600 § 137b [X.] RdNr 4).

6
 –
Die Klägerin wirft folgende Frage auf,
 –       –"Umfassen die nach § 56 Abs. 3 Satz 3 [X.]B VI genannten 'Pflichtbeitragszeiten des Ehegatten' auch nach dem [X.] gleichgestellte [X.]en des Ehegatten?",
 – die sie auch wie folgt formuliert:
 –       –"Sind die nach § 15 [X.] Bundesrecht gleichgestellten Beitragszeiten des fremdrentenberechtigten Ehegatten keine Pflichtbeitragszeiten i.S.d.§ 56 Abs 3 [X.]B VI?"

7

Die Klägerin will damit im [X.] geklärt wissen, ob eine vor der Ausreise im Herkunftsland erfolgte Kindererziehung durch den selbst nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten eines nach dem [X.] berechtigten Versicherten einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik [X.] gleichsteht (§ 56 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm Abs 3 Satz 3 [X.]B VI). Die aufgeworfene Rechtsfrage kann auf Grundlage der bereits zu §§ 1, 28b [X.] und zu § 56 [X.]B VI ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres verneint werden.

8

Das B[X.] hat sich bezüglich der Anerkennung von [X.] zwar in erster Linie mit der Anerkennung von [X.] beim fremdrentenberechtigten Ehegatten befasst (vgl insbesondere B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 172/20 B - juris; B[X.] Beschluss vom 25.2.2020 - B 13 R 284/18 B). Es hat aber bereits dabei herausgestellt, im Herkunftsland zurückgelegte [X.] seien nicht allein deswegen entgegen der gesetzlich vorgesehenen Zuordnung beim fremdrentenberechtigten Elternteil anzuerkennen, weil ihre Anerkennung bei seinem nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten ausscheide (vgl B[X.] Beschluss vom 25.2.2020 - B 13 R 284/18 B - juris RdNr 7). Das B[X.] hat damit, wie die Klägerin selbst einräumt, offensichtlich vorausgesetzt, dass eine Zuordnung der im Ausland zurückgelegten Erziehungszeiten beim erziehenden, aber nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten des fremdrentenberechtigten Elternteils ausgeschlossen ist.

9

Der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 1 und § 28b [X.] lassen sich genügend weitere Anhaltspunkte für diese Auffassung entnehmen. Wie das B[X.] bereits entschieden hat, erstreckt sich seit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21.12.1992 ([X.] 2094) zum [X.] (§ 4 [X.] iVm § 1 Buchst a [X.]) nicht mehr auf den Ehegatten eines [X.]. Bei Personen, die wie die Klägerin und ihr Ehemann nach dem 31.12.1992 aus den Republiken der ehemaligen [X.] ausgereist sind, bleibt der Ehegatte eines [X.], der nicht selbst Spätaussiedler ist, vielmehr von den Leistungen des [X.] ausgeschlossen (vgl B[X.] Urteil vom 23.6.1999 - B 5 RJ 44/98 R - [X.] 3-5050 § 1 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - B 13 RJ 39/98 R - juris Rd[X.]3). Diesen Grundsatz hat das B[X.] auch in Bezug auf im Herkunftsland zurückgelegte [X.] betont, deren Anerkennung von der selbst nicht fremdrentenberechtigten Ehegattin eines [X.] begehrt worden war (vgl B[X.] Beschluss vom 29.9.2021 - B 5 R 178/21 B - juris RdNr 8). Der Rechtsprechung des B[X.] lässt sich ferner entnehmen, dass die Regelung in § 28b [X.], wonach die Kindererziehung im jeweiligen Herkunftsgebiet derjenigen im [X.] für die Anrechnung und Bewertung der darauf beruhenden Versicherungszeiten gleichgestellt wird, nur den in § 1 [X.] genannten Personen zugutekommt (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 5 R 39/06 R - B[X.]E 102, 248 = [X.] 4-5050 § 15 [X.], Rd[X.]9; B[X.] Urteil vom [X.] - B[X.]E 67, 171, 174 f = [X.] 3-5050 § 15 [X.] S 5 f). Die Differenzierung zwischen Ehegatten von nach dem Stichtag ausreisenden Spätaussiedlern und Ehegatten von Personen, die vor dem [X.] ausgereist sind, hat das B[X.] für verfassungskonform erachtet (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 13 RJ 39/98 R - juris Rd[X.]4 ff; das [X.] hat die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 934/00; vgl auch B[X.] Beschluss vom 29.9.2021 - B 5 R 178/21 B - juris RdNr 8).

In der Rechtsprechung des B[X.] ist zudem geklärt, in welchen Konstellationen die Erziehung durch einen Elternteil im Ausland, der selbst keine Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit im zeitlichen Zusammenhang mit der Kindererziehung hat, nach § 56 Abs 3 Satz 3 [X.]B VI einer Erziehung im Inland gleichsteht. Die Vorschrift erfasst (nur) Fallgestaltungen, in denen die Erziehenden vor der Geburt oder während der Kindererziehung in derart enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stehen, dass die - typisierende und pauschalierende - Grundannahme des Gesetzes Platz greifen kann, während dieser [X.] seien ihnen nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung [X.] Rentenanwartschaften entgangen (vgl grundlegend B[X.] Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - B[X.]E 71, 227, 231 = [X.] 3-2600 § 56 [X.] und B[X.] Urteil vom 23.10.2003 - [X.] RA 15/03 R - B[X.]E 91, 245 = [X.] 4-2600 § 56 [X.] Rd[X.]6; zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] - B 5 R 28/21 R - B[X.]E 133, 64 = [X.] 4-2600 § 56 [X.]1, Rd[X.]2 mwN). Eine solche Konstellation liegt bei einer Kindererziehung im Herkunftsland ersichtlich nicht vor, die vor der Ausreise geleistet wurde, im Fall der Klägerin sogar bis zu 17 Jahre vorher. Allein der Umstand, dass die vom Ehegatten des erziehenden Elternteils bei einem ausländischen Träger zurückgelegte Beitragszeit nach der Ausreise kraft Gesetzes den inländischen [X.]en gleichgestellt wird (§ 15 Abs 1 Satz 1 [X.]), vermittelt der [X.] während des Ablaufs dieser [X.] keine enge Beziehung zum Arbeits- und Erwerbsleben der Bundesrepublik [X.].

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 [X.]G.

        

Düring

Hahn   

Hannes

Meta

B 5 R 150/22 B

08.02.2023

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 14. Januar 2021, Az: S 8 R 4628/19, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 1 FRG, § 15 Abs 1 S 1 FRG, § 28b FRG, § 56 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 6, § 56 Abs 3 S 3 SGB 6, § 57 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.02.2023, Az. B 5 R 150/22 B (REWIS RS 2023, 1945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1945

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