Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.04.2019, Az. 4 B 51/18

4. Senat | REWIS RS 2019, 8058

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erweiterung von Vorfeldflächen auf einem Flughafen (Gemeindeklage)


Gründe

1

Die Klägerin, eine Gemeinde in der Umgebung des [X.], wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung von [X.] auf dem westlichen [X.]etriebsgelände des Flughafens. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

2

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

3

I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

4

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91>).

5

1. Die [X.]eschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,

ob die Gemeinden, in denen der Plan in einem luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren nach § 10 Abs. 2 [X.], § 73 Abs. 2 VwVfG [X.] auszulegen ist, entsprechend der mit den Planunterlagen vorgelegten Prognosen des [X.] bestimmt werden dürfen, obwohl diese im Planfeststellungsverfahren noch überprüft werden müssen.

6

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht klärungsbedürftig ist.

7

Nach § 10 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG [X.] veranlasst die Anhörungsbehörde, dass der Plan in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, ausgelegt wird. Für den räumlichen Umgriff sind solche Auswirkungen maßgebend, die eine planerische Konfliktbewältigung gerade in dem anstehenden Planfeststellungsverfahren erforderlich machen können. Auf diesen im Wege einer Prognoseentscheidung ermittelten räumlichen [X.]ereich ist die Auslegung zu erstrecken ([X.]VerwG, Urteile vom 31. Juli 2012 - 4 A 7001.11 u.a. - [X.]VerwGE 144, 44 Rn. 32, vom 21. November 2013 - 7 A 28.12 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 71 Rn. 20 und vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 241 Rn. 15). Dass die für die Reichweite der Auslegung herangezogenen Prognosen im weiteren Planungsverfahren oder in einem Gerichtsverfahren auf den Prüfstand gestellt werden können, schließt es nicht aus, sie für die Abgrenzung des [X.] heranzuziehen. Es ist auch weder dargelegt noch sonst ersichtlich, wie der Umgriff ohne eine - im Verfahren stets angreifbare - Prognose zu bestimmen sein könnte.

8

Welche Folgen aus einer fehlerhaften Prognose und einem infolgedessen zu gering bemessenen [X.] zu ziehen wären, bedarf keiner Entscheidung. Nach den sachverständigen Stellungnahmen beschränken sich die Auswirkungen des [X.] auf das Gebiet der [X.]; außerhalb davon - und damit auch im Gemeindegebiet der Klägerin - komme es zu keiner veränderten bzw. keiner wesentlich veränderten [X.]. Diese Einschätzung hat das Oberverwaltungsgericht gebilligt ([X.]). Die öffentliche Auslegung allein in [X.] genügte damit § 10 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG [X.].

9

2. a) Die [X.]eschwerde sieht grundsätzlichen Klärungsbedarf,

ob die Planrechtfertigung nach den Angaben des [X.] zu ermitteln ist oder die Planfeststellungsbehörde und das zur Überprüfung berufene Gericht die Planrechtfertigung auch aus anderen Gründen feststellen darf.

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist in der Rechtsprechung bereits geklärt.

Eine Flughafenplanung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein [X.]edürfnis besteht, die Maßnahme unter diesem [X.]lickwinkel also objektiv erforderlich ist. Die Planrechtfertigung erfordert die Prüfung, ob das Vorhaben mit den Zielen des Gesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob das Vorhaben für sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist ([X.]VerwG, Urteile vom 8. Juli 1998 - 11 A 53.97 - [X.]VerwGE 107, 142 <145>, vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - [X.]VerwGE 125, 116 Rn. 182 und vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - [X.]VerwGE 127, 95 Rn. 34). Die Planrechtfertigung unterliegt, soweit nicht behördliche Verkehrsprognosen in Rede stehen, uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle ([X.]VerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - [X.]VerwGE 142, 234 Rn. 59 und [X.]eschluss vom 23. Oktober 2014 - 9 [X.] - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 237 Rn. 4). In der Konsequenz dieser gerichtlichen Kontrollbefugnis liegt es, dass das Gericht eine im Planfeststellungsbeschluss angegebene [X.]egründung für die Planrechtfertigung anders als die Planfeststellungsbehörde beurteilen und dennoch die Planrechtfertigung für gegeben erachten kann ([X.]VerwG, Urteile vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - [X.]VerwGE 72, 282 <285 f.> und vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - [X.]VerwGE 84, 123 <131>). Die behördliche oder gerichtliche Prüfung der Planrechtfertigung ist damit nicht auf die vom Vorhabenträger angeführten Gründe beschränkt. Warum diese Rechtssätze, von denen das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist ([X.] f.), einer erneuten revisionsgerichtlichen Überprüfung bedürften, legt die [X.]eschwerde nicht dar (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 29. August 2014 - 4 [X.] 1.14 - [X.] 82 Nr. 174 Rn. 6).

b) Die [X.]eschwerde wirft weiter die Frage auf,

ob die Planrechtfertigung für einen Planfeststellungsbeschluss besteht, wenn die zur Feststellung beantragten Maßnahmen dem landseitigen Ausbau eines Verkehrsflughafens dienen, dieser jedoch nach zwei im Verfahren vorgelegten Gutachten bereits in der Lage ist, die luftverkehrsrechtlich genehmigten [X.]ewegungszahlen sicher abzuwickeln.

Diese Frage ist allein auf die [X.]esonderheiten des Einzelfalls zugeschnitten und führt daher nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung.

3. Die [X.]eschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf,

ob sich ein luftverkehrsrechtlicher Planfeststellungsbeschluss auf solche [X.]aumaßnahmen erstrecken muss, die - teils auf der Grundlage einer Unterbleibensentscheidung - bereits zuvor durchgeführt worden sind und dem gleichen planerischen Ziel wie der Planfeststellungsbeschluss dienen, und

ob der [X.] vorherige, nicht planfeststellungspflichtige landseitige Änderungs- und Ausbaumaßnahmen, welche die Ausnutzbarkeit einer bestandskräftigen [X.]etriebsgenehmigung erhöhen, in der Abwägung berücksichtigen muss, um den "Zielzustand" des Flughafens zu legitimieren.

Die Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht klärungsbedürftig sind.

[X.]estehende Flughäfen dürfen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur geändert werden, wenn der Plan nach § 10 [X.] vorher festgestellt ist. Dabei bestimmt der Träger des Vorhabens mit seinem Genehmigungsantrag und dem darin vorgestellten konkreten Konzept den Genehmigungsgegenstand ([X.]VerwG, Urteile vom 11. Juli 2001 - 11 C 14.00 - [X.]VerwGE 114, 364 <368> und vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - [X.]VerwGE 156, 20 Rn. 35). Der Vorhabenträger ist berechtigt, Abschnitte zu bilden. Dritte haben grundsätzlich kein Recht darauf, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen [X.]escheid entschieden wird ([X.]VerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - [X.]VerwGE 147, 184 Rn. 50 und vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 u.a. - [X.]VerwGE 159, 121 Rn. 31). Eine Abschnittsbildung kann Dritte allerdings unter anderem dann in ihren Rechten verletzen, wenn sie dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann ([X.]VerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - [X.]VerwGE 157, 73 Rn. 26). [X.] dürfen also nicht so weit verselbständigt werden, dass Probleme, die durch die Gesamtplanung geschaffen werden, unbewältigt bleiben ([X.]VerwG, Urteil vom 11. August 2016 ebd.).

Welchen weiteren Klärungsbedarf die [X.]eschwerde sieht, legt sie nicht dar. Ihre Rechtsauffassung geht im Übrigen daran vorbei, dass das Luftverkehrsrecht nicht verlangt, dass über alle [X.]aumaßnahmen auf einem Flughafengelände im Wege der Planfeststellung entschieden wird. So ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten nach § 8 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht zwingend Gegenstand der Planfeststellung (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 A 3.01 - [X.]VerwGE 115, 158 <163> und [X.]eschluss vom 25. September 2007 - 4 [X.] 16.07 - [X.] 442.40 § 8 [X.] Nr. 28). Nach § 8 Abs. 1 Satz 10 [X.] i.V.m. § 74 Abs. 7 Satz 1 VwVfG entfallen Planfeststellung und Plangenehmigung in Fällen von unwesentlicher [X.]edeutung. Der Gesetzgeber geht also nicht davon aus, dass jede einzelne [X.]aumaßnahme eines Flughafens einer Genehmigung durch einen Planfeststellungsbeschluss bedarf.

b) Die [X.]eschwerde möchte weiter rechtsgrundsätzlich klären lassen,

auf welche Maßnahmen sich die Umweltverträglichkeitsprüfung in einem luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren erstrecken muss, wenn der Planfeststellungsgegenstand erstmals zur Ausnutzbarkeit einer vorher nicht vollständig nutzbaren, aber bestandskräftigen [X.]etriebsgenehmigung führt?

Die Klägerin verlangt, auch frühere landseitige Ausbaumaßnahmen und ihre Auswirkungen in die Umweltverträglichkeitsprüfung einzubeziehen. Ihre Frage ist indes nicht grundsätzlich klärungsbedürftig und führt daher nicht zur Zulassung der Revision. Die verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen an die Planfeststellung beziehen sich auf das jeweilige Vorhaben, auch wenn es sich um den Abschnitt eines Gesamtvorhabens handelt. Dies gilt auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung ([X.]VerwG, Urteile vom 28. April 2016 - 9 A 9.15 - [X.]VerwGE 155, 91 Rn. 43, vom 6. April 2017 - 4 A 1.16 - [X.] 451.17 § 43 [X.] Nr. 5 Rn. 18 und vom 29. Juni 2017 - 3 A 1.16 - [X.] 442.09 § 18 [X.] Nr. 77 Rn. 52). Gegen diese Sichtweise bestehen auch mit [X.]lick auf das Unionsrecht keine vernünftigen Zweifel ([X.]VerwG, Urteil vom 10. November 2016 - 9 A 18.15 - [X.] 451.91 Europ. [X.] Rn. 35 ff.). [X.] rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf legt die [X.]eschwerde nicht dar.

II. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die [X.]eschwerde verfehlt die [X.]ezeichnungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Die Vorinstanz hat einen [X.]eweisantrag der Klägerin abgelehnt, weil es auf die unter [X.]eweis gestellten Tatsachen nicht ankomme ([X.], 80, 84, 89). Einen Verfahrensfehler legt die [X.]eschwerde insoweit nicht dar. Das [X.] muss nur solche Tatsachen aufklären, die entscheidungserheblich sind. Es muss deshalb auch nur solchen [X.]eweisanträgen entsprechen, die auf die Klärung derartiger Tatsachen abzielen. Andere [X.]eweisanträge kann es ablehnen (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. Juni 2015 - 6 [X.] 59.14 - [X.] 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 39). Maßgeblich ist dabei die materielle Rechtsauffassung des [X.]s ([X.]VerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - [X.]VerwGE 106, 115 <119>). Dass nach dieser Rechtsauffassung die unter [X.]eweis gestellte Tatsache erheblich war, legt die [X.]eschwerde nicht dar, sondern beschränkt sich auf den Vorwurf, das angefochtene Urteil habe sich insoweit keine ausreichenden Gedanken gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 51/18

16.04.2019

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 8. Juni 2018, Az: 20 D 80/15.AK, Urteil

§ 8 Abs 1 LuftVG, § 8 Abs 4 LuftVG, § 10 LuftVG, § 73 Abs 2 VwVfG, § 74 Abs 7 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.04.2019, Az. 4 B 51/18 (REWIS RS 2019, 8058)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8058

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 B 61/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Flughafen München: planerische Rechtfertigung; maßgeblicher Zeitpunkt; effektiver Rechtsschutz; gerichtliche Überprüfbarkeit von Sachverständigengutachten und Alternativenprüfung; atypische …


4 B 63/14 (Bundesverwaltungsgericht)


4 B 62/14 (Bundesverwaltungsgericht)


4 B 54/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Erweiterung von Vorfeldflächen auf einem Flughafen (Anwohnerklage)


4 B 13/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Anpassungsgenehmigung nach § 6 Abs. 4 LuftVG; Rechtsschutz


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.