Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2009, Az. XII ZB 79/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 511

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[X.][X.]/09
vom 18. November 2009 in der Familiensache

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 18. November 2009 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Richter [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und Schilling beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des [X.] vom 26. März 2009 aufgehoben. Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - [X.] vom 26. November 2008 Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gewährt. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen. Wert: 4.929 • [X.]ründe: [X.] Der Kläger begehrt die Abänderung eines Urteils auf Zahlung nacheheli-chen Unterhalts. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat der Klage durch ein der Beklagten am 27. November 2008 zugestelltes Urteil teilweise [X.] - 3 [X.]. Die Beklagte hat mit einem am 29. Dezember 2008 (Montag) eingegange-nen Schriftsatz Prozesskostenhilfe für die Einlegung der Berufung gegen dieses Urteil begehrt. Dem Antrag war der Vordruck "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" beigefügt; in der Rubrik [X.] war die Frage "Sonstige Vermögenswerte" nicht beantwortet. 2 Das [X.] hat der Beklagten mit Beschluss vom 20. Januar 2009, zugestellt am 30. Januar 2009, Prozesskostenhilfe versagt. Die Beklagte hat daraufhin mit am 13. Februar 2009 eingegangenen Schriftsätzen [X.]egen-vorstellung erhoben sowie Berufung eingelegt, diese auch begründet und [X.] in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das [X.] hat die [X.]egenvorstellung zurückgewiesen. Mit dem [X.] Beschluss hat es sodann abgelehnt, der Beklagten Wiedereinset-zung in die Berufungsfrist zu gewähren, und die Berufung als unzulässig [X.]. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Se-nats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO); denn der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte in ihrem Anspruch auf [X.]ewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. 3 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das [X.] hat zu Unrecht der Beklagten die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist versagt und die Berufung verworfen. 4 - 4 - a) Zwar geht das [X.] zutreffend davon aus, dass der am 29. Dezember 2008 eingegangene Schriftsatz, mit dem die Beklagte die [X.]e-währung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, nicht bereits als Einlegung der Berufung gedeutet werden kann. Richtig ist zwar, dass ein Schriftsatz, der alle formellen Anforderungen an eine Berufung erfüllt, regelmäßig als wirksam ein-gelegte Prozesserklärung zu behandeln ist. Eine Deutung dahin, dass er gleich-wohl nicht unbedingt als Berufung bestimmt ist, kommt nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel aus-schließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2008 - [X.] ZB 185/08 - [X.], 494). Das ist hier indes der Fall. Denn der genannte Schriftsatz verdeutlicht unmissverständlich, dass die Beklagte [X.] nur Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung begehrt und erst "nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das erstinstanzliche Urteil – zur Überprüfung stellen" will. Die Annahme, dass die Berufung sogleich unbedingt eingelegt werden sollte, ist damit ausge-schlossen. 5 b) Das [X.] hat es jedoch zu Unrecht abgelehnt, der [X.], wie von ihr fristgerecht (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) begehrt, Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewäh-ren. 6 Nach der Rechtsprechung des [X.], auch des Senats, ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen [X.] nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit [X.] muss, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten darf und 7 - 5 - aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden kann (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2005 - [X.] ZB 71/00 - FamRZ 2005, 789, vom 20. Februar 2008 - [X.] ZB 83/07 - [X.], 868 und vom 13. Februar 2008 - [X.] ZB 151/07 - [X.], 871). Das war hier der Fall. Zwar kann ein Rechtsmittelführer nur dann davon ausgehen, die wirt-schaftlichen Voraussetzungen für die [X.]ewährung von Prozesskostenhilfe [X.] zu haben, wenn er sich rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist auf dem hierfür von § 117 ZPO vorgeschriebenen und von ihm vollständig ausge-füllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse er-klärt hat. Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit allerdings nicht überspannt werden, weil sonst der Zweck der [X.], dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den [X.]erichten zu ermöglichen, verfehlt würde. So kann die [X.], auch wenn der Vordruck ein-zelne Lücken enthält, u.U. gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Vor-aussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - [X.] ZB 83/07 - [X.], 868, 869 und vom 13. Februar 2008 - [X.] ZB 151/07 - [X.], 871). Das kommt in Betracht, wenn dem Rechtmittelführer bereits in der Vorinstanz - aufgrund eines ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Vordrucks - Pro-zesskostenhilfe gewährt worden war und eine nunmehr im Vordruck vorhande-ne Lücke im Zusammenhang mit dem [X.]vortrag nicht den Schluss nahe legt, die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser [X.] hätten sich zwischenzeitlich in einer für die [X.]ewährung von Prozesskostenhilfe erheblichen Weise geändert. 8 So liegen die Dinge hier. In ihrem Antrag auf [X.]ewährung von [X.] für das Berufungsverfahren hat die Beklagte bereits einleitend auf 9 - 6 - die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ver-wiesen; damals hatte sie im Vordruck die Frage nach "sonstigen [X.]" verneint. Richtig ist zwar, dass die Verweisung auf die damalige [X.]e-währung von Prozesskostenhilfe unmittelbar an die Aussage anschließt, die Berufung habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das hindert jedoch nicht, die Bezugnahme - auch - auf die unmittelbar vorhergehende Aussage zu beziehen, die Beklagte werde nicht in der Lage sein, die Kosten des Berufungsverfahrens selbst aufzubringen. Der Antrag auf [X.]ewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren konnte deshalb durchaus dahin verstanden werden, dass die im erstinstanzlichen Prozesskostenhilfeverfahren dargelegten wirtschaftli-chen Verhältnisse der Beklagten fortbestünden. Aus dem vom Oberlandesge-richt angeführten Vortrag der Beklagten in der [X.], auf einem [X.] bestehe noch ein [X.]uthaben von knapp 20.000 •, dessen Ausei-nandersetzung der Kläger blockiere, ergibt sich nichts [X.]egenteiliges. Dem Amtsgericht war dieser Umstand bei der [X.]ewährung von Prozesskostenhilfe zugunsten der Beklagten bekannt. Dass der Beklagten aus diesem Konto in-zwischen verwertbares Vermögen zugeflossen sei, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch aus dem Urteil des Amtsgerichts ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Die Beklagte durfte deshalb davon ausgehen, mit ihrem - auf die frühere [X.]ewährung von Prozesskostenhilfe Bezug nehmenden - [X.]e-such die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Bewilligung von [X.] für das Berufungsverfahren auch in Ansehung "sonstiger [X.]" dargetan und damit die [X.]rundlage für eine spätere Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist geschaffen zu haben. 3. Der Senat kann über das Wiedereinsetzungsbegehren der Beklagten abschließend entscheiden. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen - nach dem auch im angefochtenen Beschluss des [X.]s nicht in Zweifel gezogenen - Vortrag der Beklagten vor. Die Beklagte durfte darauf vertrauen, 10 - 7 - diese Voraussetzungen bereits innerhalb der Berufungsfrist hinreichend darge-legt zu haben. Damit war der Beklagten Wiedereinsetzung in die Berufungs- sowie in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Der Beschluss über die Verwerfung der Berufung kann danach keinen Bestand haben. Er war deshalb aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Hahne [X.] [X.] Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen: A[X.] [X.], Entscheidung vom 26.11.2008 - 10 F 476/07 - OL[X.] Hamm, Entscheidung vom [X.] - 3 UF 196/08 -

Meta

XII ZB 79/09

18.11.2009

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.11.2009, Az. XII ZB 79/09 (REWIS RS 2009, 511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 511

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