Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.06.2014, Az. 1 StR 218/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4600

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Gegenstand

Bildung einer Gesamtstrafe: Auswirkungen des das Auslieferungsrecht beherrschenden Grundsatzes der Spezialität bei Einbeziehung einer früheren Verurteilung durch ein deutsches Gericht


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2014

a) im Schuldspruch dahingehend klarstellend gefasst, dass die Angeklagte des Betrugs in 16 Fällen schuldig ist,

b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Betrugs in vier tatmehrheitlichen Fällen unter Einbeziehung „des Urteils des [X.] vom 22.04.2010" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Angeklagte wegen Betrugs in zwölf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat das [X.] die Angeklagte freigesprochen und bestimmt, dass die in [X.] vollzogene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.

2

Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel der Angeklagten hat lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, soweit das [X.] gegen die Angeklagte zwei Gesamtfreiheitsstrafen verhängt und in die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren die durch Urteil des [X.] vom 22. April 2010 verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, einbezogen hat.

4

1. Die genannte Freiheitsstrafe durfte nicht in die zweijährige Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden.

5

a) Der Einbeziehung steht der das [X.] beherrschende Grundsatz der Spezialität (Art. 14 des [X.], Art. 83h Abs. 1 [X.]) entgegen.

6

Wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 13. Mai 2014 zutreffend ausgeführt hat, ist die Angeklagte aufgrund eines durch das [X.] (5 [X.]     ) am 25. Januar 2012 erlassenen [X.]n Haftbefehls in [X.] festgenommen und aufgrund einer am 14. Oktober 2013 ergangenen Entscheidung des High Courts der Republik [X.] ausgeliefert worden (vgl. [X.] Band [X.] 596). Der genannte [X.] Haftbefehl erfasst lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständlichen Straftaten unter Einschluss derjenigen, hinsichtlich derer die Angeklagte freigesprochen worden ist. Um eine Auslieferung zur Vollstreckung der im rechtskräftigen Urteil des [X.] verhängten Freiheitsstrafe ist die Republik [X.] nicht ersucht worden und hat dementsprechend insoweit keine Zustimmung erteilt. Die Angeklagte hat auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet ([X.] Band [X.] 598).

7

Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 2008 - [X.]. [X.]/08 [[X.] und [X.]], NStZ 2010, 35, 38 Rn. 57 mit Anmerkung [X.]; [X.], Beschluss vom 7. August 2012 - 1 [X.], [X.], 345 mwN). Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden ([X.], Beschlüsse vom 12. August 1997 - 4 StR 345/97, [X.], 149 mwN; vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, [X.], 100; vom 4. Februar 2013 - 3 StR 395/12, [X.], 178; aA - ohne nähere Begründung - Hackner in [X.]/[X.]/[X.]/Hackner, [X.], 5. Aufl., [X.] § 83h Rn. 7 aE).

8

b) Aus dem Umstand, dass die Vollstreckung der durch das [X.] verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, folgt nichts anderes. § 83h Abs. 2 Nr. 3 [X.] bestimmt zwar, dass das Verbot des § 83h Abs. 1 [X.] nicht gilt, wenn die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt. Wie der [X.] aber bereits entschieden hat, greift die Regelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 [X.] bei der Einbeziehung einer für sich genommen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in eine nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe nicht ein ([X.], Beschluss vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, [X.], 100). Denn ungeachtet der teilweise verbleibenden Eigenständigkeit der in eine Gesamtstrafe eingestellten Einzelstrafe würde die Berücksichtigung der selbständig wegen der Geltung des Spezialitätsgrundsatzes nicht vollstreckbaren Einzelstrafe in einer Gesamtstrafe insgesamt zu der Vollstreckung „einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme" führen, deren Teil die nicht zulässig vollstreckbare Freiheitsstrafe wäre ([X.], aaO). Eine Einbeziehung der fraglichen Einzelfreiheitsstrafe kommt daher erst dann in Betracht, wenn eine Bewilligung durch die Republik [X.], etwa im Rahmen eines Nachtragsersuchens, oder ein Verzicht (§ 83h Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 [X.]) auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes seitens der Angeklagten erklärt würde.

9

2. Da die Strafe aus dem Urteil des [X.] nicht vollstreckbar und damit (derzeit) nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden kann, entfaltet sie keine Zäsurwirkung (vgl. [X.], Beschluss vom 12. August 1997 - 4 StR 345/97, [X.], 149 mwN; siehe auch [X.], Beschluss vom 7. März 2006 - 5 StR 58/06, [X.], 246). Der Senat verweist die Sache daher zur Bildung einer neuen Gesamtstrafe aus den für die 16 verfahrensgegenständlichen Betrugstaten verhängten Einzelstrafen zurück. Angesichts des dem [X.] lediglich unterlaufenen Wertungsfehlers bei der bisherigen Gesamtstrafenbildung bedarf es der Aufhebung der zur Gesamtstrafe getroffenen Feststellungen nicht.

Sollte die Strafe aus dem Urteil des [X.] zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach einem Nachtragsersuchen an die Republik [X.], vollstreckbar werden, so wären gemäß § 460 StPO aus dieser Strafe und aus den im hiesigen Verfahren festgesetzten Einzelstrafen (unter Auflösung der Gesamtstrafe) nachträglich neue Gesamtstrafen zu bilden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. August 1997 - 4 StR 345/97, [X.], 149 sowie vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, [X.], 100).

3. Im Hinblick auf die derzeit lediglich zu bildende eine Gesamtstrafe hat der Senat den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich klarstellend neu gefasst.

II.

Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten hervorgebracht.

Raum                          [X.]                               Jäger

                Radtke                            [X.]

Meta

1 StR 218/14

25.06.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Traunstein, 25. Februar 2014, Az: 6 KLs 230 Js 22953/11

§ 83 IRG, § 83h IRG, Art 14 EUAuslÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.06.2014, Az. 1 StR 218/14 (REWIS RS 2014, 4600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4600

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