Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.08.2019, Az. 2 StR 25/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 4093

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Gegenstand

Bildung einer Gesamtstrafe: Folge der Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. November 2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; es wird klargestellt, dass der Angeklagte zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt ist; die Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.] vom 3. November 2017 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe entfällt.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes (Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten) unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.] vom 3. November 2017 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.500 Euro angeordnet und die Anrechnung in [X.] erlittener Auslieferungshaft mit dem Maßstab 1:1 bestimmt.

2

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Allein der [X.] hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf.

I.

3

Nach den Feststellungen ist der Angeklagte [X.] Staatsangehöriger mit Wohnsitz in [X.], der gelegentlich nach [X.] einreist. Unter anderem war er durch Urteil des [X.] vom 3. November 2017 wegen „[X.] in vier Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

4

Bereits im Jahr 2014 hatte sich der Angeklagte in [X.] aufgehalten. Am 27. November 2014 - dies ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - zwang der Angeklagte den Inhaber eines Fahrradgeschäfts in [X.]unter Vorhalt eines Messers, die Wegnahme des [X.] von 2.500 Euro zu dulden. Wegen dieser Tat erging am 13. Februar 2018 ein [X.] Haftbefehl, auf dessen Grundlage der Angeklagte am 4. Mai 2018 in [X.] festgenommen wurde. Dort befand er sich bis zu seiner Überstellung am 30. Mai 2018 in Auslieferungshaft.

II.

5

Die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen weisen keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Die insoweit von dem Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge und die Sachrüge bleiben aus den Gründen der Zuschrift des [X.] ohne Erfolg. Hingegen hält der [X.] rechtlicher Überprüfung nicht stand.

6

1. Das [X.] durfte mit den Einzelstrafen aus dem an sich gesamtstrafenfähigen Urteil des [X.] vom 3. November 2017 - wie vom [X.] zutreffend ausgeführt - keine Gesamtfreiheitsstrafe bilden. Der Einbeziehung steht der das [X.] beherrschende Grundsatz der Spezialität (Art. 14 des [X.], § 83h Abs. 1 [X.]) entgegen. Der [X.] Haftbefehl vom 13. Februar 2018 erfasst lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständliche Straftat. Nur zur Verfolgung dieser Straftat ist der Angeklagte ausgeliefert worden. Um eine Auslieferung zur Vollstreckung der im rechtskräftigen Urteil des [X.] verhängten Freiheitsstrafe ist das Königreich [X.] nicht ersucht worden und hat dementsprechend insoweit keine Zustimmung erteilt. Der Angeklagte hat auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet.

7

Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis. Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden ([X.], Beschlüsse vom 25. Juni 2014 - 1 [X.], [X.], 590 und vom 20. April 2016 - 1 [X.], [X.], 248 f.; Urteil vom 9. Mai 2019 - 4 StR 511/18, juris Rn. 9, [X.]. mwN).

8

Aus dem Umstand, dass die Vollstreckung der durch das [X.] verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, folgt nichts anderes. § 83h Abs. 2 Nr. 3 [X.] bestimmt zwar, dass das Verbot des § 83h Abs. 1 [X.] nicht gilt, wenn die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt. Jedoch greift die Regelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 [X.] bei der Einbeziehung einer für sich genommen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in eine nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe nicht ein ([X.], Beschlüsse vom 27. Juli 2011 - 4 StR 303/11, [X.], 100 und vom 25. Juni 2014 - 1 [X.], [X.], 590). Eine Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.] kommt daher erst dann in Betracht, wenn eine Bewilligung durch das Königreich [X.] - etwa im Rahmen eines Nachtragsersuchens - oder ein Verzicht (§ 83h Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 [X.]) auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes seitens des Angeklagten erklärt würde.

9

2. Es verbleibt damit bei der für die gegenständliche Tat ausgeurteilten Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten.

Eine vom [X.] (in seiner Zuschrift) beantragte Aufhebung auch der für die hiesige Tat verhängten Freiheitsstrafe und die Zurückverweisung an den Tatrichter zur Berücksichtigung eines Härteausgleichs war nicht veranlasst.

Sollte die Strafe aus dem Urteil des [X.] zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach einem Nachtragsersuchen an das Königreich [X.] oder nach einem jederzeit möglichen Verzicht des Angeklagten auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes, vollstreckbar werden, so wäre gemäß § 460 StPO aus dieser Strafe und aus der im hiesigen Verfahren festgesetzten Einzelstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden ([X.], Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 [X.], [X.], 590). Anderenfalls bliebe es dauerhaft bei der [X.] der Strafen aus dem Urteil des [X.]. In beiden Fallgestaltungen läge eine ausgleichspflichtige Härte zum Nachteil des Angeklagten nicht vor.

3. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen auch nur teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Franke     

        

Appl     

        

Krehl 

        

Zeng     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 25/19

28.08.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 7. November 2018, Az: 324 KLs 16/18

§ 83h Abs 1 IRG, Art 14 EUAuslÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.08.2019, Az. 2 StR 25/19 (REWIS RS 2019, 4093)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4093

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