Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2023, Az. XIII ZA 6/23

13. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6266

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Tenor

Der Antrag des Betroffenen, ihm für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen, weil die Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.

Gründe

1

I. Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, versuchte am 24. April 2023 gegen 17:00 Uhr von [X.] kommend unerlaubt nach [X.] einzureisen, nachdem er am gleichen Tag gegen 14:45 Uhr von der [X.] nach [X.] zurückgeschoben worden war. Der Betroffene ist in der [X.] für den Mitgliedstaat [X.] eingetragen. Ein in [X.] zuvor durchgeführtes Asylverfahren war am 17. August 2022 unanfechtbar abgeschlossen worden.

2

Seit dem 24. April 2023 befindet sich der Betroffene zur Sicherung seiner Zurückweisung - zunächst aufgrund einer einstweiligen Anordnung - in Haft. Die [X.] verfügte am 25. April 2023 eine Einreiseverweigerung. Das [X.] (nachfolgend: [X.]) ordnete am 15. Mai 2023 die Abschiebung nach [X.] und ein auf dreißig Monate ab dem [X.] befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an. Dagegen wandte sich der Betroffene mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.

3

Vorliegend streitgegenständlich ist der Beschluss des [X.] vom 19. Mai 2023, durch den die Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum 21. Juni 2023 verlängert worden ist. Das [X.] hat die gegen den Beschluss vom 19. Mai 2023 gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen will sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde wenden, für deren Durchführung er Verfahrenskostenhilfe beantragt.

4

II. Die Rechtsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es stellen sich auch keine zweifelhaften Rechts- oder Tatsachenfragen, die unter dem Gesichtspunkt der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auch ohne Vorliegen von Erfolgsaussicht im engeren Sinne gebieten würden (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juli 2020 - 1 BvR 631/19, [X.], 1559 Rn. 18 mwN; [X.], Beschluss vom 20. Mai 2016 - [X.]/15, [X.] 2016, 381 Rn. 16).

5

1. Das [X.] hat - soweit erheblich - ausgeführt, es liege ein zulässiger Haftantrag vor. Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 [X.] solle ein Ausländer zur Sicherung der Zurückweisung in Haft genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen sei und diese nicht unmittelbar vollzogen werden könne. So liege es hier. Die Verweigerung der Einreise könne wegen der Überstellungsmodalitäten der Dublin-III-Verordnung nicht unmittelbar vollzogen werden. Der aufgrund richtlinienkonformer Auslegung der Norm erforderliche Haftgrund liege vor. Es bestehe erhebliche Fluchtgefahr. Zutreffend habe der Betroffene zwar darauf hingewiesen, dass gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung eines Antrags beim Verwaltungsgericht nicht zulässig sei. Für den Erlass der Haftanordnung komme es aber nur darauf an, ob trotz beantragtem [X.] die Prognose gerechtfertigt sei, dass die Abschiebung gleichwohl in den nächsten drei Monaten durchgeführt werden könne. Das sei hier der Fall.

6

2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Einwand des Betroffenen, die Haft sei unzulässig gewesen, weil sie während des anhängigen [X.]es gegen den Bescheid des [X.]s vom 15. Mai 2023 nicht hätte angeordnet werden dürfen, greift nicht durch.

7

a) Der Asylantrag des Betroffenen ist am 17. August 2022 unanfechtbar abgelehnt worden. Der Betroffene macht nicht geltend, dass er einen [X.] gestellt habe. Die der Entscheidung des [X.] vom 19. Juni 2018 ([X.]/16, juris Rn. 26 ff.) zugrundeliegende Fallkonstellation liegt daher entgegen der Ansicht des Betroffenen hier schon nicht vor. Selbst ein [X.] steht im Übrigen gemäß § 71 Abs. 8 [X.] der Anordnung von Abschiebungshaft nicht entgegen ([X.], Beschluss vom 25. Oktober 2022 - [X.] 4/20, juris Rn. 12).

8

b) Das gilt erst recht, wenn das [X.] nach unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrags, Überstellung und erneuter Wiedereinreise unter Verstoß gegen ein bestehendes Einreiseverbot eine erneute Abschiebungsanordnung ausspricht. Der dagegen in Anspruch genommene [X.] hat - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt - gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.], § 80 Abs. 5 VwGO lediglich zur Folge, dass eine Abschiebung nicht erfolgen darf, bis die gerichtliche Entscheidung vorliegt. Die Anordnung und Vollziehung der Haft wird dadurch aber nicht gehindert.

9

aa) Der Haftrichter ist an die Verwaltungsakte gebunden, die der Überstellung zugrunde liegen. Er hat grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Überstellung zu Recht betrieben wird. Mit der Prüfung dieser Frage würde der Haftrichter in unzulässiger Weise in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit eingreifen ([X.], Beschluss vom 7. April 2020 - [X.] 53/19, [X.] 2020, 283 Rn. 12 mwN). Vom Haftrichter sind Bedenken gegen das von der Ausländerbehörde gewählte Verfahren erst dann zu berücksichtigen, wenn ihm bekannt wird, dass der Betroffene deswegen um Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nachgesucht hat und sich daraus ein der Überstellung entgegenstehendes Hindernis ergeben kann. In diesem Fall muss der Haftrichter den Stand und voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufklären. Steht danach zu erwarten, dass das Verwaltungsgericht dem Eilantrag des Betroffenen stattgeben und dessen Überstellung aussetzen wird, darf er die Haft nicht anordnen und muss eine bereits ergangene Haftanordnung aufheben ([X.], aaO Rn. 14 mwN).

bb) Nach diesen Maßgaben durfte das Amtsgericht am 19. Mai 2023 die Haft verlängern. Zu diesem Zeitpunkt lag ein Antrag auf [X.] noch nicht vor. Zudem war der vom Betroffenen gegen die Überstellung vom 24. April 2023 in Anspruch genommene [X.] ohne Erfolg geblieben. Auch das Beschwerdegericht hat zutreffend den Stand und voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgeklärt und ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Abschiebung in den nächsten drei Monaten durchgeführt werden könne. Es hat vor dem Hintergrund des unanfechtbar abgeschlossenen Asylverfahrens und des erfolglosen [X.]es gegen die erste Überstellung vom 24. April 2023 zu Recht angenommen, dass keine Anhaltspunkte für einen möglichen Erfolg des gegen die erneute Abschiebungsanordnung gerichteten [X.] vorlägen. Solche sind auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Betroffene führt selbst aus, dass der Eilantrag am 28. Juni 2023 zurückgewiesen worden ist.

[X.]     

      

[X.]     

      

Picker

      

Holzinger     

      

Kochendörfer     

      

Meta

XIII ZA 6/23

12.09.2023

Bundesgerichtshof 13. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG Hof, 14. Juni 2023, Az: 22 T 79/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2023, Az. XIII ZA 6/23 (REWIS RS 2023, 6266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6266

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XIII ZB 53/19

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V ZB 140/15

1 BvR 631/19

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