Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2004, Az. VI ZR 70/03

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4976

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:20. Januar 2004Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] § 847 a.[X.] Frage der Zulässigkeit einer Teilklage im Schmerzensgeldprozeß.[X.], Urteil vom 20. Januar 2004 - [X.]/03 - [X.] -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 20. Januar 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.], den [X.]. [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zollfür Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 12. Februar 2003 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als in der Sache zum Nachteil des[X.] erkannt worden ist.Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger nimmt den Beklagten wegen der Folgen einer tätlichen [X.] auf Zahlung materiellen Schadensersatzes und eines Teilbe-trages des ihm zustehenden Schmerzensgeldes in Anspruch. Er begehrt au-ßerdem die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, materiellen Zu-kunftsschaden zu [X.] 3 -Das [X.] hat dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 4.803,20 zugesprochen und festgestellt, daß der Beklagte 80% des materiellen Zukunfts-schadens zu ersetzen habe. Zur Begründung hat es ausgeführt, angesichts dervorsätzlichen Tat und der gravierenden Dauerfolgen sei bei einer Haftung [X.] in vollem Umfang ein einheitlich zu bemessendes [X.] von 20% 4000 ,,eine Teilklage erhoben habe, müsse derzeit nicht entschieden werden, wiehoch das insgesamt zu bezahlende Schmerzensgeld sei.Die auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer [X.] gerichtete Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht zurückge-wiesen. Auf die Anschlußberufung des Beklagten, mit der dieser die Unzuläs-sigkeit der Teilklage gerügt hat, hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlichder Schmerzensgeldforderung in vollem Umfang abgewiesen.Dagegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat die Klageabweisung damit begründet, daß [X.] die Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] trotzrechtlicher Hinweise durch das Gericht nicht vorgetragen habe. Auf [X.] könne nur geklagt werden, wenn sich die künftige Entwicklung nochnicht überschauen lasse, deswegen das insgesamt angemessene Schmer-zensgeld noch nicht endgültig beurteilt werden könne und sich deshalb das [X.] außer Stande sehe, den Betrag in voller Höhe zu ermitteln. Nur in [X.] müsse dem Verletzten, um ihm eine Entschädigung für zu-künftige Schäden nicht abzuschneiden, für den bisher überschaubaren Zeit-raum ein [X.] zugesprochen und die Geltendmachung einerweiteren Entschädigung für die Zukunft vorbehalten werden. Das mache [X.] jedoch nicht geltend, sondern glaube, ein [X.] nur des-halb verlangen zu können, weil es sich um eine teilbare Geldforderung handle.Das berechtige den Geschädigten jedoch nicht, ein [X.] einzu-klagen. Der einheitliche Schmerzensgeldanspruch lasse sich - von dem [X.] ungewisser Zukunftsschäden abgesehen - nicht in zwei oder mehrTeile "zerlegen". Für sich bereits abzeichnende Verletzungsfolgen sei die an-gemessene Höhe des Schmerzensgeldes zum Zeitpunkt der letzten mündlichenVerhandlung unter Einbeziehung sämtlicher schmerzensgeldrelevanter Fakto-ren zu ermitteln, die durch das entsprechend festgesetzte [X.] auch abgegolten seien.[X.] wendet sich die Revision mit Erfolg.1. Zutreffend ist der Ansatz des Berufungsgerichts, daß es der [X.] Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet, die Höhe des dem [X.] zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Be-trachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung [X.] künftigen Entwicklung des [X.] zu bemessen (vgl.Großer Senat [X.]Z 18, 149; Senatsurteile vom 6. Dezember 1960- [X.] - [X.], 164, 165 und vom 20. März 2001 - [X.]/99 -VersR 2001, 876). Dabei steht die mit der Verletzung verbundene Lebensbe-einträchtigung im Verhältnis zu den anderen zu berücksichtigenden Umständen- 5 -stets an der Spitze. Denn Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und [X.] das ausschlaggebende Moment für den angerichteten immateriellen Scha-den. Im übrigen läßt sich ein Rangverhältnis der zu berücksichtigenden Um-stände nicht allgemein aufstellen, weil diese Umstände ihr Maß und Gewicht fürdie vorzunehmende Ausmessung der billigen Entschädigung erst durch ihr Zu-sammenwirken im Einzelfall erhalten (vgl. [X.]Z 18, 149, 157 ff.). Soweit [X.] darauf hinweist, daß der Begriff der Einheitlichkeit sich daneben aufdie Doppelfunktion des Schmerzensgeldes als Ausgleich und Genugtuung fürdie erlittenen Verletzungen bezieht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung,sondern bedeutet nur, daß der Anspruch weder in einen Betrag auf angemes-senen Ausgleich und einen weiteren Betrag zur Genugtuung, noch in [X.] zum Ausgleich bestimmter Verletzungen aufgespalten werden kann (vgl.Senatsurteil vom 6. Dezember 1960 - [X.] - [X.] wird vom Berufungsgericht im Grundsatz nicht verkannt.a) In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung [X.] es die Auffassung, daß mit dem auf eine unbeschränkte Klage insgesamtzuzuerkennenden Schmerzensgeld nicht nur alle bereits eingetretenen, son-dern auch alle erkennbaren und objektiv vorhersehbaren künftigen unfallbe-dingten Verletzungsfolgen abgegolten werden (vgl. Senatsurteile vom 8. [X.] - [X.] - [X.], 975; vom 24. Mai 1988 - [X.] -[X.], 929 f.; vom 7. Februar 1995 - [X.] - [X.], 471,472; vom 20. März 2001 - [X.]/99 - aaO; [X.], Urteil vom 4. [X.] - [X.]/74 - [X.], 440). Das stellt auch die Revision nicht [X.] 6 -b) Mit Erfolg macht sie jedoch geltend, daß das Berufungsgericht [X.] dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall, die vom Kläger vor-getragenen Tatsachen nicht gewürdigt hat (§ 286 ZPO).aa) Nach den bereits mit der Klageschrift vorgelegten ärztlichen Be-scheinigungen besteht die Gefahr, daß es beim Kläger zu einer Hume-ruskopfnekrose kommen könnte, die eine erneute operative Versorgung undhöchstwahrscheinlich eine Schulterprothese erfordern würde; außerdem drohedie Gefahr einer sich zunehmend entwickelnden Handgelenksarthrose, die [X.] ihres Auftretens mittelfristig eine Korrekturoperation erforderlich machenwürde. Somit läßt sich eine Aussage darüber, ob und in welchem Umfang in [X.] noch Spätfolgen der Unfallverletzungen auftreten können, derzeit [X.]. Es besteht jedenfalls die Möglichkeit eines weiteren [X.]) Auf diesen Vortrag hat der Kläger in der Berufung nicht nur Bezuggenommen, sondern in der Erwiderung auf die Anschlußberufung ausdrücklichvorgetragen, daß mit der vorliegenden Klage ausdrücklich ein bezifferter Teil-betrag des Schmerzensgeldes geltend gemacht werde, das dem Kläger insge-samt zustehe, weil sich wegen der ungewissen weiteren Folgen der [X.] das [X.], das der Kläger beanspruchen könne, nochnicht ausreichend verlässlich beziffern lasse. Entgegen der Auffassung des Be-rufungsgerichts handelt es sich dabei nicht um einen allgemeinen Hinweis aufdas praktische Bedürfnis einer solchen Teilklage, sondern um die Darlegung,weshalb dem Kläger derzeit eine endgültige Bezifferung des Schmerzensgeldesnicht möglich [X.]) Diesen Vortrag hätte das Berufungsgericht der Beurteilung zugrunde-legen müssen, ob unter diesen Voraussetzungen die geltend gemachte offeneTeilklage zulässig war, was zu bejahen [X.] -aa) Bereits das [X.] ([X.]. 1917 Nr. 99 S. 143, 144)hat es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - für zulässig erachtet,den Betrag des Schmerzensgeldes zuzusprechen, der dem Verletzten zumZeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht, und später den zuzuerkennen-den Betrag auf die volle abzuschätzende Summe zu erhöhen, die der [X.] einer ganzheitlichen Betrachtung der für den immateriellen Schadenmaßgeblichen Umstände beanspruchen kann, wenn sich nicht endgültig sagenläßt, welche Änderungen des gesundheitlichen Zustandes noch eintreten [X.]) Dieser Rechtsauffassung hat sich der erkennende Senat ange-schlossen (vgl. Senatsurteile vom 16. Mai 1961 - [X.] - [X.],727, 728; vom 22. April 1975 - [X.]/74 - [X.], 852, 853 f. zu IV. [X.] 20. März 2001 - [X.]/99 - VersR 2001, 876, 877). So hat er für [X.], daß mit dem Eintritt weiterer Schäden zu rechnen ist, die letztlich nochnicht absehbar sind, das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteressefür die Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger immaterieller Schäden bejaht,wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung Grund be-steht, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen (vgl.Senatsurteile vom 16. Januar 2001 - [X.] - VersR 2001, 874 ff. [X.] 20. März 2001 - [X.]/99 - aaO). Auch im Falle eines solchen [X.] bleibt offen, wie hoch der Schmerzensgeldanspruch letztend-lich sein wird, und wird der zu zahlende Betrag nach den gegenwärtigen Um-ständen und unter Außerachtlassung der noch nicht absehbaren Folgen in ge-wisser Weise vorläufig als Teilbetrag festgesetzt.cc) Im Hinblick darauf hätte es der offenen Teilklage nicht bedurft. [X.] hätte sich auch durch einen Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht [X.] für zukünftige immaterielle Schäden seinen Anspruch sichern kön-nen.- 8 -3. Andererseits bestehen gegen die Zulässigkeit einer Teilklage, wie siehier vorliegt, keine rechtlichen [X.]) Da die Schmerzensgeldforderung auf Zahlung einer Geldsumme ge-richtet ist, ist sie grundsätzlich teilbar (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juni 1994- [X.] - NJW 1994, 3165 f.; RGRK/[X.] BGB 12. Aufl. § 847 Rdn. 19;Jauernig, Festgabe 50 Jahre [X.], [X.], [X.], 327 f. unterHinweis auf [X.]Z 34, 337). Dem steht nicht entgegen, daß es sich um eineneinheitlichen Anspruch handelt (vgl. [X.]Z 18, 149). Ob ein einheitlicher An-spruch im rechtlichen Sinne teilbar ist, hängt davon ab, ob er quantitativ ab-grenzbar und eindeutig individualisierbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 21. [X.] - NJW 1992, 1769, 1770) und in welchem Umfang über [X.] bestehen kann, ohne daß die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungenbesteht. Ist die Höhe des Anspruchs im Streit, kann grundsätzlich ein ziffern-mäßig oder sonstwie individualisierter Teil davon Gegenstand einer Teilklagesein, sofern erkennbar ist, um welchen Teil des [X.] es sich [X.] (vgl. [X.]Z 124, 164, 166).b) Macht der Kläger - wie im vorliegenden Fall - nach diesen Grundsät-zen nur einen Teilbetrag eines Schmerzensgeldes geltend und verlangt er beider Bemessung der Anspruchshöhe nur die Berücksichtigung der Verletzungs-folgen, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetretensind, ist eine hinreichende Individualisierbarkeit gewährleistet.4. Von der offenen Teilklage sind allerdings die Fallgestaltungen zu [X.], für die gewöhnlich der Begriff des [X.]es ge-braucht wird und für die sich die Frage stellt, ob über den Schmerzensgeldan-spruch bereits in einem früheren Verfahren rechtskräftig abschließend ent-schieden worden ist. Wird für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt ein- 9 -Schmerzensgeld verlangt, so werden durch den zuerkannten Betrag alle dieje-nigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objek-tiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei [X.] berücksichtigt werden konnte (ständige Rechtsprechung; Se-natsurteile vom 11. Juni 1963 - [X.]/62 - VersR 1963, 1048, 1049; [X.] Juli 1980 - [X.] - [X.], 975 f.; vom 24. Mai 1988- [X.] - [X.], 929 f. und vom 7. Februar 1995 - [X.] -[X.], 471 f.; [X.], Urteil vom 4. Dezember 1975 - [X.]/74 - [X.], 440, 441). Nicht erfasst werden solche Verletzungsfolgen, die im Zeit-punkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht eingetreten waren undderen Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, d.h. mit denen nicht oder nichternstlich zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom 2. März 2001 - [X.]/99 -VersR 2001, 876, 877). Dem Geschädigten muß auch in einem solchen Fall fürden bisher überschaubaren Zeitraum ein Schmerzensgeld zugesprochen wer-den, so dass das bereits früher zuerkannte Schmerzensgeld sich [X.] durch die spätere Entwicklung bedingten weiteren Schmerzensgeldforde-rung als [X.] darstellt (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 1995- [X.] - aaO; v. [X.] VersR 2000, 525, 530 f.). In einem solchenFall kann der Geschädigte weitere Ansprüche nur geltend machen, wenn späterSchäden auftreten, die vom [X.] des voraus-gegangenen Schmerzensgeldprozesses nicht erfaßt sind und deren Geltend-machung daher dessen Rechtskraft nicht entgegensteht.[X.] alledem wird sich das Berufungsgericht mit der in der [X.] aufgeworfenen Frage zu befassen haben, ob angesichts der ge-- 10 -samten Umstände des Falls, insbesondere des Tathergangs, der [X.] [X.] und ihrer Folgen sowie des Mitverschuldens des [X.] von 20%ein Schmerzensgeld von 5000 Müller[X.][X.]PaugeZoll

Meta

VI ZR 70/03

20.01.2004

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2004, Az. VI ZR 70/03 (REWIS RS 2004, 4976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4976

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