Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.07.2012, Az. 29 W (pat) 538/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 4540

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wildeshauser Schützengilde" – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

…       

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 009 486.1

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 18. Juli 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] vom 19. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit die Eintragung für die nachfolgenden Waren zurückgewiesen worden ist:

Klasse 14:
Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;
Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind;
Klasse 24:
Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken;
Klasse 26:
Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln; künstliche Blumen; Haarschmuck; Haarspangen;
Klasse 29:
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Konfitüren, Kompotte; Milchprodukte;
Klasse 30:
Kaffee, Tee, Kakao, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig; Salz; Senf; Saucen (Würzmittel); Gewürze;
Klasse 32:
Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33:
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

Klasse 34:

Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.] Schützengilde

3

ist am 27. Mai 2009 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 14:

5

aus Edelmetallen und deren Legierungen hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Schlüsselanhänger;

6

Klasse 16:

7

Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Abziehbilder, Aufkleber, Stickers ([X.])

8

Klasse 24:

9

Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bett- und Tischdecken;

Klasse 26:

Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln; künstliche Blumen; Abzeichen, nicht aus Edelmetall; Anstecker (Buttons); Aufnäher (Kurzwaren); Haarschmuck; Haarspangen;

Klasse 29:

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Konfitüren, Kompotte; Milchprodukte;

Kaffee, Tee, Kakao, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig; Salz; Senf; Saucen (Würzmittel); Gewürze;

Klasse 30:

Klasse 32:

Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

Klasse 33:alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

[X.]:Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer;

Mit Beschluss vom 19. Juli 2011 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Bei der angemeldeten Wortfolge handele es sich um eine geografische Angabe, die als Herkunfts- Erbringungs- oder Bestimmungsort der beanspruchten Waren in Betracht komme. Es weise auf eine [X.] in [X.] hin, die beanspruchten Waren könnten eine solche Vereinigung thematisieren oder sich auf andere Weise mit ihr beschäftigen. Sprachübliche Bezeichnungen von Veranstaltungen seien weder für diese Veranstaltungen selbst noch für die dort angebotenen Produkte unterscheidungskräftig. Sie sei ohne weiteres verständlich und glatt beschreibend. Zudem bestehe ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle 16 des [X.]es vom 19. Juli 2011 aufzuheben.

Er ist der Auffassung, dem angemeldeten Zeichen komme Unterscheidungskraft zu. Das Wort "[X.]" werde vom Verkehr als reines Fantasiewort aufgefasst, da der Begriff für eine Schützenbruderschaft veraltet sei. Auch das Wort "[X.]" werde als [X.] wahrgenommen. Zwar handele es sich um eine Kreisstadt im [X.] [X.], sie sei aber außerhalb des [X.] völlig unbekannt. Selbst für Verbraucher, denen der Ortsname bekannt sei, enthalte das Kennzeichen keinen geographischen Herkunftshinweis, da eine [X.] kein Produktionsbetrieb sei. Zudem könnten Vereinsnamen nach der Rechtsprechung des [X.] unterscheidungskräftig sein.

Auch ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat zum Teil Erfolg.

1. Die Anmelderin hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 8 [X.] einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens für die im Tenor genannten Waren. Der Eintragung steht in Bezug auf diese Waren kein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 [X.] entgegen.

a) Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 133 – [X.]; 935 Rn. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411,412 Rn. 24 Matratzen [X.]/[X.]) Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihnen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a. a. O. – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1101,1102 Rn. 23 – TOOOR!).

b) Die Wortfolge "[X.] [X.]" besteht aus dem Adjektiv "[X.]" und dem [X.] Substantiv "[X.]".

aa) [X.] ist eine Kreisstadt im [X.] [X.]… mit ca. 20.000 Einwohnern. Der Luftkurort liegt im N… Wirtschaftlich sind neben dem Tourismus die Lebensmittel- und Agrarindustrie von Bedeutung.

bb) Gilden waren im Mittelalter Vereinigungen insbesondere von Kaufleuten, aber auch von Handwerkern (Zünfte) oder anderen Personengruppen zu gegenseitigem Schutz und Hilfe in Notlagen. Sie gründeten sich auf einen Treueeid und gaben sich eigene Satzungen. Meist waren sie eng mit kirchlichen Institutionen verbunden. Der wechselseitig geleistete Treueeid wurde durch regelmäßig wiederkehrende gemeinsame Mahlzeiten erneuert. "[X.]n" entstanden im späten Mittelalter als Vorgänger der Bürgerwehren und dienten unter anderem der Verteidigung der Städte. Die [X.] [X.]n verloren später ihren militärischen Charakter und verwandelten sich in "bürgerliche Vergnügungsgesellschaften" ([X.], 21. Auflage [X.]). Es gibt in [X.] noch eine Vielzahl von Vereinen, die das Wort "[X.]" im Namen tragen.

cc) [X.] ist der Sitz der "[X.] [X.]", eines Vereins zu Förderung der Stadt und des heimatlichen Brauchtums. Die "[X.] [X.]" veranstaltet satzungsgemäß in enger Verflechtung mit der Stadt W…jährlich wiederkehrende mehrtägige Brauchtumsfeste, wie die Schaffermahlzeit, das [X.], das Übungs- oder Königsschießen auf ein Ziel in Form eines Metallvogels und ähnliche Veranstaltungen, bei denen die Mitwirkenden zu traditionellen rituell genau festgelegten Aufmärschen in Tracht oder Kostümen erscheinen und die in der Region eine touristische Attraktion darstellen.

c) Damit stellt das angemeldete Zeichen keine bloße geografische Herkunftsangabe, sondern einen Vereinsnamen dar, der allerdings nicht überregional bekannt sein dürfte. Für die angesprochenen Kreise, hier die allgemeinen Verbraucher weist das Zeichen also auf einen Heimatverein einer Kleinstadt hin. Namen von Personenvereinigungen können grundsätzlich Unterscheidungskraft besitzen, wenn sie keinen sachbezogenen Bedeutungsinhalt für die beanspruchten Waren aufweisen.

d) Der Begriff "[X.] [X.]" hat für die im Tenor genannten Waren keinen unmittelbar beschreibenden Bezug.

Edelsteine und Uhren haben keinen sachlichen Bezug zu Heimatvereinen. Insbesondere werden sie üblicherweise nicht eingesetzt, um auf eine Mitgliedschaft in einem solchen Verein hinzuweisen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass das Publikum das Wortzeichen bei markenmäßiger Anbringung, also bei Edelsteinen auf der Verpackung und bei Uhren auf dem Zifferblatt oder der Rückseite als Hinweis auf die Mitgliedschaft in einer [X.] versteht.

Für die im Tenor genannten Papier- und Textilwaren der Klassen 16, 24 und 26, die Lebensmittel und Getränke der Klassen 29, 30, 32, 33 und die Waren der [X.] hat das Wortzeichen ebenfalls keinen unmittelbaren Sachbezug. Da [X.]n weder Textilien noch Lebensmittel, Getränke oder Tabak, Raucherwaren und Streichhölzer herstellen, könnte das Zeichen lediglich darauf hindeuten, dass die gekennzeichneten Waren in der [X.] [X.] verwendet werden. Daraus kann das Publikum aber keine Aussage über die Qualität oder Beschaffenheit der betreffenden Waren ableiten. Da es zudem nicht üblich ist, mit der Verwendung von Waren in Vereinen zu werben, kann das Zeichen für diese Waren als betrieblicher Herkunftshinweis dienen.

2. Dagegen war die Beschwerde hinsichtlich der Waren der

Klasse 14:

aus Edelmetallen und deren Legierungen hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren; Schlüsselanhänger;

Klasse 16:

 Abziehbilder, Aufkleber, Stickers ([X.]);

Klasse 26:

Abzeichen, nicht aus Edelmetall; Anstecker (Buttons); Aufnäher (Kurzwaren);

zurückzuweisen.

Denn für diese Waren steht der Eintragung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen.

Für die genannten Waren der Klassen 14, 24 und 26 ist das angemeldete Zeichen in erster Linie nach den üblichen Verkehrs- und Anbringungsgewohnheiten nichts anderes als ein Hinweis auf die Mitgliedschaft in der [X.] [X.]. Nach der Lebenserfahrung des Senats, der sich zu den entsprechenden Verkehrskreisen zählt, ist es üblich, derartige Gegenstände in Form von Orden, Ehrenzeichen und Schmucknadeln als Mitgliedszeichen und Ehrungen an die Mitglieder von Traditionsvereinen zu verteilen. Für die [X.] [X.] selbst ergibt sich dies aus ihrer Satzung. Schlüsselanhänger sind typische Fanartikel, die von Vereinen zur Verbreitung ihrer Bekanntheit und zur Werbung für ihre Veranstaltungen ausgegeben werden. Anstecker, Aufnäher, Abziehbilder, Aufkleber und Stickers mit dem Namen oder den Symbolen von Vereinen sollen nach der Wahrnehmung des angesprochenen Publikums, auf das es maßgeblich ankommt ([X.] a. a. [X.]) in erster Linie die Zugehörigkeit zu einem Verein oder die Teilnahme an einer Vereinsveranstaltung zum Ausdruck bringen. Ein Aufdruck des Zeichens auf diesen Waren wird vom Verkehr deshalb nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, sondern als Hinweis auf die Zugehörigkeit zu einem Heimatverein verstanden werden. Die Verwendung als Mitgliedshinweis ist daher die wahrscheinlichste Verwendungsform und auf diese ist nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] Beschluss vom 26. April 2012, … – mit gestrichelten Linien umsäumter roter Winkel) für die Beurteilung der Unterscheidungskraft abzustellen, sodass das Zeichen bei diesen Waren nur als Hinweis auf den Verein und seine Mitglieder und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis der Waren betrachtet wird.

Meta

29 W (pat) 538/11

18.07.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.07.2012, Az. 29 W (pat) 538/11 (REWIS RS 2012, 4540)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4540

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