Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.03.2011, Az. 9 AZR 862/09

9. Senat | REWIS RS 2011, 8665

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Gegenstand

Entfernungsentschädigung für Arbeitnehmer in der Forstverwaltung nach dem TV-Forst - keine Einschränkung des berechtigten Personenkreises durch das ungeschriebene Tarifmerkmal "besondere Betroffenheit infolge Organisationsveränderung"


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. November 2009 - 15 Sa 2023/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der [X.], an ihn eine tarifliche [X.] zu zahlen.

2

Der Kläger trat am 1. August 1989 in die Dienste des [X.]. Dieses beschäftigte ihn als Forstwirt und Waldarbeiter im [X.] In dem vom 24. Mai 1991 datierenden Arbeitsvertrag findet sich [X.]. folgende Regelung:

        

„§ 3   

        

Es wird folgende [X.] vereinbart:

        

Als Ausgangspunkt für die [X.]berechnung wird der Ortsteil [X.] der [X.] vereinbart.“

3

Für die Wegstrecken, die der Kläger an Arbeitstagen zwischen seiner Wohnung und seiner ersten sowie letzten Einsatzstelle mit seinem Kraftfahrzeug zurücklegte, erhielt der Kläger ein [X.] nach den Bestimmungen des „Manteltarifvertrags für Waldarbeiter der [X.]änder und der Gemeinden“ vom 26. Jan[X.]r 1982 ([X.]). Dieser sah in der Fassung des [X.] Nr. 23 vom 18. November 2002 [X.]. Folgendes vor:

        

„§ 34 

        

[X.], Fahrgeld

        

(1)     

Der Waldarbeiter erhält für den Weg zur Arbeitsstelle ein [X.], wenn der von der Mitte des Wohnortes, bei Städten und Gemeinden von der Mitte des Ortsteils, bei Streusiedlungen von der Wohnung des [X.], zurückzulegende kürzestmögliche zumutbare Fahrweg (einschließlich Fußwege) bzw. Fußweg mehr als sieben Kilometer (Hin- und Rückweg) beträgt.

        

[X.]egt der Waldarbeiter den Weg zur Arbeitsstelle mit einem regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittel zurück, erhält er ein Fahrgeld, wenn die mit dem Beförderungsmittel zurückgelegte Strecke zuzüglich der Wege zu und von den Stationen (Haltestellen) des Beförderungsmittels mehr als sieben Kilometer (Hin- und Rückweg) beträgt.

                 

…       

        

(2)     

…       

                 

Mit dem neu eingestellten Waldarbeiter kann auch ein anderer Ort als der Wohnort für die [X.]berechnung im Arbeitsvertrag vereinbart werden.

                 

…       

                 

Ändert der Waldarbeiter im [X.]aufe des Arbeitsverhältnisses aus persönlichen Gründen seinen Wohnort, wird für die Berechnung des [X.] oder des Fahrgeldes höchstens die bisherige tatsächlich gefahrene Strecke zugrunde gelegt.

        

(3)     

Das [X.] beträgt für den angefangenen achten und jeden weiteren angefangene Kilometer 0,11 Euro.

        

…       

        

§ 75   

        

Übergangsvorschrift für [X.], Fahrgeld

        

Der am 31. Dezember 2002 schon und am 1. Jan[X.]r 2003 noch im Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber stehende Waldarbeiter, der nach dem bis zum 31. Dezember 2002 maßgebenden Recht Anspruch auf [X.] oder Fahrgeld nach § 34 hatte, erhält [X.] oder Fahrgeld nach dem bis zum 31. Dezember 2002 maßgebenden Recht.

        

…“    

4

Mit Wirkung zum 1. Jan[X.]r 2005 ging das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes auf die Beklagte, eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, über.

5

Der „Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen und Betrieben der [X.]änder“ vom 18. Dezember 2007 ([X.]), der den [X.] mit Wirkung zum 1. Jan[X.]r 2008 ablöste, enthält [X.]. folgende Bestimmungen:

        

„§ 1   

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag gilt für Beschäftigte in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen und Betrieben, die Tätigkeiten in der Waldarbeit ausüben …

        

§ 23   

        

Besondere Zahlungen

                 

…       

        

(7)     

Benutzt der/die Beschäftigte sein/ihr Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung, erhält er/sie eine Entfernungsentschädigung. Die Entfernungsentschädigung wird ab dem 31. Kilometer gewährt; Hinfahrt und Rückfahrt sind jeweils gesondert zu betrachten. Sie beträgt bei einem Kraftfahrzeug mit einem Hubraum

                 

a)    

bis 600 ccm

0,18 Euro,

                 

b)    

von mehr als 600 ccm

0,30 Euro.

                 

Mit neu eingestellten Beschäftigten kann abweichend von Satz 1 auch ein anderer Ort als der Wohnort für die Gewährung der Entfernungsentschädigung im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Verlegt der/die Beschäftigte aus persönlichen Gründen seinen/ihren Wohnsitz, erhöht sich dadurch der Anspruch auf Entfernungsentschädigung nach den Sätzen 1 bis 4 nicht.

        

…       

        

§ 24   

        

Berechnung und Auszahlung des Entgelts

        

(1)    

Bemessungszeitraum für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile ist der Kalendermonat, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist. … Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, sowie der Tagesdurchschnitt nach § 21 sind am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig.

        

…       

        
        

§ 37   

        

Ausschlussfrist

        

(1)     

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten ... schriftlich geltend gemacht werden. ...“

6

Der „Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der [X.]änder aus dem Geltungsbereich des [X.]/[X.]-O in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts vom 18. Dezember 2007“ ([X.]) regelt [X.]. Folgendes:

        

„§ 16 

        

Übergangsregelungen

        

für [X.], Fahrgeld nach § 75 [X.]/[X.]-O

        

Für noch bestehende Ansprüche gilt die Übergangsvorschrift zu § 75 [X.]/[X.]-O weiter. Ansprüche nach § 23 Abs. 7 [X.] sind anzurechnen.“

7

Mit Schreiben vom 18. Juni 2008 verlangte der Kläger von der [X.] eine [X.] nach § 23 Abs. 7 [X.] für die Hin- und Rückstrecken, die er im Zeitraum vom 1. Jan[X.]r bis zum 30. April 2008 mit seinem Pkw zwischen seinem Wohnort einerseits und den jeweils ersten und letzten Einsatzstellen andererseits zurücklegte.

8

Mit seiner am 11. August 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Mit Schriftsatz vom 17. September 2008, der der [X.] am 23. September 2008 zugestellt worden ist, hat er die Klage um Entschädigungsansprüche für Juni und Juli 2008 erweitert.

9

Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, die Beklagte sei zur Zahlung einer [X.] gemäß § 23 Abs. 7 [X.] verpflichtet. Die [X.] in § 3 des Arbeitsvertrags, die allein für die Berechnung des [X.]s Bedeutung habe, sei für die Berechnung der [X.] nicht heranzuziehen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 440,78 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 11. August 2008 zu zahlen

                 

und     

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 137,16 Euro Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 1. August 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ihrer Rechtsauffassung zufolge wendet sich § 23 Abs. 7 [X.] allein an Forstwirte, die infolge von [X.] in den Forstbetrieben im Vergleich zum vorigen [X.] längere Anfahrtswege hätten. Dies belege die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm, die einen kostenneutralen Übergang vom alten zum neuen Tarifrecht gewährleisten wolle.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.]andesarbeitsgericht hat die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der [X.] für die mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Forderungen zu einem späteren Zeitpunkt beginne. Die aus Juni 2008 resultierende Entschädigung habe die Beklagte erst ab dem 1. September 2008 zu verzinsen. Mit der Entschädigung, die der Kläger für die im Juli 2008 unternommenen Fahrten verlange, befinde sich die Beklagte erst ab dem 1. Oktober 2008 in Verzug. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.]n gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zu Recht zurückgewiesen.

I. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Die [X.] ist verpflichtet, an den Kläger für die Monate Januar bis April 2008 eine Entfernungsentschädigung [X.]. 440,78 [X.] netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2008 zu zahlen.

1. Anspruchsgrundlage für die Entschädigungsforderung ist § 23 Abs. 7 [X.].

a) Die Parteien wenden seit dem 1. Januar 2008 die Vorschriften des [X.] auf ihr Arbeitsverhältnis an.

b) Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die § 23 Abs. 7 [X.] einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung knüpft. Der Kläger benutzte in der [X.] vom 1. Januar bis zum 30. April 2008 für die vom [X.] festgestellten Fahrten von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zur Wohnungsein [X.]fahrzeug. Die Wegstrecken, die der Kläger zurücklegte, betrugen - jeweils gesondert für Hin- und Rückfahrt berechnet - mehr als 31 Kilometer. Die Revision hat gegen die diesbezüglichen Feststellungen des [X.]s keine Einwände erhoben.

c) Der Senat braucht die Streitfrage, ob § 23 Abs. 7 [X.] lediglich auf [X.] in [X.] beschränkt ist oder auf sämtliche Arbeitnehmer im Geltungsbereich des [X.] anzuwenden ist (einschränkend etwa [X.] 30. Juni 2010 - 2 [X.]/09 -; [X.] 16. Juni 2010 - 1 Ca 586/10 -; [X.] 15. April 2009 - 3 Ca 2442/08 -), nicht zu entscheiden. Die Tätigkeit des [X.] ist eine [X.].

d) Entgegen der Ansicht der Revision schränkt § 23 Abs. 7 Satz 1 bis Satz 3 [X.] den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht auf die Beschäftigten ein, die von [X.] in der Forstverwaltung in besonderem Maße betroffen sind. Das [X.] hat die maßgebenden Tarifbestimmungen zutreffend ausgelegt.

aa) Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der [X.] nicht unmissverständlich ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt ([X.] 20. Januar 2009 - 9 [X.] - Rn. 35, [X.]E 129, 131).

bb) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich das von dem [X.] gefundene Auslegungsergebnis als richtig.

(1) Eine einschränkende Auslegung, wie die Revision sie befürwortet, findet in dem [X.] keinen Anhalt.

(a) Dem Wortlaut der Tarifregelung zufolge erhalten die Beschäftigten eine Entfernungsentschädigung, die ihr [X.]fahrzeug für die Fahrtstrecke von ihrer Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung benutzen. Das [X.] „Beschäftigte“ knüpft an den in § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten [X.] an. Dieser erfasst alle Personen, die von einem Arbeitgeber in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen oder Betrieben beschäftigt werden und die Tätigkeiten der Waldarbeit ausüben.

(b) Die Bezeichnung der tariflichen Leistung als „Entfernungsentschädigung“ steht in keinem sachlichen Zusammenhang zu [X.] auf Arbeitgeberseite. Der Begriffsteil „Entschädigung“ deutet auf einen Ausgleich für Belastungen hin (vgl. [X.] 8. Aufl. Stichwort „Entschädigung“ iSd. Ausgleichs für Verlust, Schaden, Kosten, Mühen). Die Regelung in § 23 Abs. 7 [X.] dient dem Ausgleich von Belastungen des Beschäftigten durch Fahrtstrecken, die der Mitarbeiter nicht aus [X.] im Wege des Umzugs oder auf andere Weise ausgleichen kann. Dies trifft auf die Beschäftigten iSd. § 1 [X.] unabhängig von Veränderungen in der Forstorganisation zu.

(c) Der tarifliche Tatbestand „zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück“ lässt entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf schließen, die Tarifvertragsparteien hätten ein ungeschriebenes [X.] „Organisationsbetroffenheit“ in die Bestimmung aufnehmen wollen. [X.], wie etwa der Kläger sie leistet, fällt in der [X.] an, ob die Verwaltungsstruktur organisatorische Veränderungen erfährt.

(d) Entsprechendes gilt für das tarifliche Erfordernis, die Fahrtstrecke müsse mindestens 31 Kilometer betragen. Die von den Tarifvertragsparteien festgelegte Entfernungsgrenze knüpft allein an die konkrete Fahrtbelastung des Beschäftigten, nicht jedoch an eine Organisationsveränderung in der Forstwirtschaft an. Die seit dem 1. November 1997 geltende Erlasslage, auf die die Revision hinweist, ist für die Auslegung der Tarifbestimmung unergiebig. Soweit Ziff. 2 Unterpunkt 2 des Erlasses des [X.] Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 24. November 1997 „für die von der Organisationsänderung der [X.] Forstämter zum 1. Oktober 1997 … betroffenen Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter“ unter weiteren Voraussetzungen ein erhöhtes Wegegeld zuerkannte, reflektiert dies die von der Finanzverwaltung bei [X.]en angenommene Grenze zwischen üblicher und unüblicher Fahrtstreckenbelastung (vgl. [X.] 18. Dezember 2008 - VI R 39/07 - Rn. 10 ff., [X.]E 124, 111; 11. Mai 2005 - VI R 70/03 - Rn. 12 ff., [X.]E 109, 508). Der Umstand, dass § 23 Abs. 7 Satz 1 [X.] den anspruchsberechtigten Personenkreis abweichend von Ziff. 2 Unterpunkt 2 des Erlasses vom 24. November 1997 beschreibt, spricht nicht für, sondern gegen eine einschränkende Auslegung der Tarifbestimmung.

(2) Der tarifliche Zusammenhang, in den § 23 Abs. 7 [X.] eingebettet ist, bestätigt das von dem [X.] gefundene Auslegungsergebnis.

(a) Die Übergangsregelung des § 16 Satz 1 [X.] gewährt Beschäftigten, die vor dem 31. Dezember 2002 im Geltungsbereich des [X.] tätig waren, einen zeitlich begrenzten Bestandsschutz für Ansprüche nach § 34 [X.]. Diese Mitarbeiter hatten bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen auch nach Inkrafttreten des neuen [X.] einen der Höhe nach beschränkten Anspruch auf Wege- und Fahrgeld iSv. § 34 [X.]. Der Arbeitgeber hatte das Wegegeld entfernungs- und aufwandsabhängig zu leisten, ohne dass es darauf ankam, ob der anspruchsberechtigte Mitarbeiter von [X.] betroffen war.

(b) In dieselbe Richtung weist § 16 Satz 2 [X.]. Nach dieser Bestimmung sind Ansprüche aus § 23 Abs. 7 [X.] auf die bestandsgeschützten Wege- und [X.] anzurechnen. Die Tarifvertragsparteien wollten auf diese Weise verhindern, dass der Aufwand für Fahrten überkompensiert wird. Der Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, dass die Anrechnung nur bei Mitarbeitern erforderlich ist, die infolge von Änderungen in der Forstorganisation zusätzliche Nachteile erleiden.

(3) Gegen die Sichtweise der Revision spricht schließlich der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Würde man in § 23 Abs. 7 Satz 1 bis Satz 3 [X.] ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal „Organisationsbetroffenheit“ hineinlesen, verlören die Vorschriften ihre tariflichen Konturen. Es bliebe unklar, welche Personen aufgrund welcher, zu welchem [X.]punkt getroffenen Organisationsentscheidung welchen Inhalts für welche Dauer von der tariflich vorgesehenen Fahrtkostenentschädigung ausgeschlossen wären.

(4) Die von der [X.]n herangezogene Mitteilung des [X.] der [X.] vom Februar 2009 und die Bewertung des [X.] der [X.] vom 8./9. September 2008 rechtfertigen kein anderes Auslegungsergebnis. Selbst wenn darin eine übereinstimmende Einschätzung der Tarifvertragsparteien gesehen werden könnte, dass nur die Arbeitnehmer anspruchsberechtigt sein sollen, die infolge von [X.] besondere Nachteile erleiden, sind diese Stellungnahmen für die Auslegung des § 23 Abs. 7 [X.] nicht maßgebend. Denn ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien hat weder im Wortlaut noch im Kontext der Tarifbestimmung Ausdruck gefunden. Ohne Anhalt im Text kann allein auf nachträgliche Äußerungen keine Auslegung gestützt werden (vgl. [X.] 20. September 2006 - 10 [X.] - Rn. 30).

e) Die [X.] in § 3 des die Parteien verbindenden Arbeitsvertrags vom 24. Mai 1991 steht dem vom Kläger erhobenen Anspruch nicht entgegen. Die arbeitsvertragliche Bestimmung, der zufolge „als Ausgangspunkt für die Wegegeldberechnung“ der Ortsteil L der [X.] gilt, ist für Ansprüche des [X.] auf der Grundlage des abgelösten [X.], nicht aber für Ansprüche nach den Vorschriften des [X.] von Bedeutung.

aa) Vereinbarungen, die aufgrund von tariflichen Öffnungsklauseln getroffen werden, enden grundsätzlich mit Auslaufen desjenigen Tarifvertrags, der für ihre Entstehung die rechtliche Grundlage bildet. Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen nachfolgende Tarifverträge ebenfalls Öffnungsklauseln enthalten. Eine Ausnahme ist zu erwägen, wenn der auf der Öffnungsklausel fußenden Vereinbarung im Wege der Auslegung zu entnehmen ist, dass sie auch für den Fall gelten soll, dass der Tarifvertrag durch einen Folgevertrag ersetzt wird (vgl. [X.] 25. August 1983 - 6 [X.] - zu II 4 der Gründe, [X.]E 44, 94).

bb) Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass dem Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 24. Mai 1991 und damit vor dem Inkrafttreten des [X.] schlossen, nicht zu entnehmen ist, die [X.] solle über die Laufzeit des [X.] hinaus Bestand haben.

(1) Während die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen der Parteien in erster Linie den Tatsacheninstanzen obliegt ([X.] 19. Mai 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 19, [X.]E 131, 30), hat das [X.] in Formularverträgen selbstständig und uneingeschränkt auszulegen ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 35, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 11).

(2) Selbst wenn der Senat zugunsten der [X.]n davon ausgeht, es handele sich bei § 3 des Arbeitsvertrags um eine von der [X.]n vorformulierte Vertragsbestimmung, ist das vom [X.] gefundene Auslegungsergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(a) Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Gemäß § 133 BGB ist ausgehend vom objektiven Wortlaut der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war ([X.] 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 43, [X.] § 106 Nr. 7 = EzA GewO § 106 Nr. 4).

(b) Nach diesen Grundsätzen ist das vom [X.] gefundene Auslegungsergebnis nicht zu beanstanden. Die Regelung, die die Parteien unter § 3 des Arbeitsvertrags vereinbarten, erstreckt sich lediglich auf die außer [X.] getretene Regelung des § 34 [X.], nicht jedoch auf die seit dem 1. Januar 2008 geltende Tarifbestimmung des § 23 Abs. 7 [X.]. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vertragsbestimmung. Zum [X.]punkt des Vertragsschlusses galten allein die Regelungen des [X.]. Die Arbeitsvertragsparteien haben auf den „Ausgangspunkt für die Wegegeldberechnung“ abgestellt und damit allein an die Tarifregelungen angeknüpft, die unter Geltung des [X.] Ansprüche des Arbeitnehmers auf „Wegegeld“ regelten.

f) Die Regelung des § 23 Abs. 7 Satz 5 [X.] lässt den Anspruch des [X.] unberührt. Danach erhöht sich der Anspruch auf Entfernungsentschädigung nicht, wenn ein Beschäftigter seinen Wohnsitz aus persönlichen Gründen verlegt. Soweit die [X.] in der Revisionsinstanz erstmalig vorträgt, der Kläger habe seinen Wohnsitz im Jahr 1997 aus privaten Gründen verlegt, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 559 Abs. 1 ZPO nicht Grundlage der revisionsrechtlichen Überprüfung ist.

g) Der Kläger hat durch das Schreiben vom 18. Juni 2008 und die rechtzeitig erhobene Klage die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] gewahrt.

h) Die von der [X.]n zu leistende Entfernungsentschädigung beträgt für den [X.]raum von Januar bis April 2008 440,78 [X.]. Die Höhe der vom Kläger erhobenen Forderung ist zwischen den Parteien unstreitig.

2. Die [X.] ist verpflichtet, auf die Hauptforderung Zinsen [X.]. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen (§ 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

II. Der Klageantrag zu 2. ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die [X.] einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung, der sich für die Monate Juni und Juli 2008 auf 137,16 [X.] beläuft (§ 23 Abs. 7 [X.]). Es gelten die Ausführungen unter [X.] 1 entsprechend.

2. Die von dem Kläger erhobene Zinsforderung findet ihre Rechtfertigung in § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entfernungsentschädigung ist als Entgeltbestandteil, der nicht in [X.] festgelegt ist, erst am Zahltag des zweiten Monats, der auf seine Entstehung folgt, fällig (§ 24 Abs. 1 Satz 4 [X.]). Das hat das [X.] zutreffend entschieden.

B. Die [X.] hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Faltyn    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 862/09

15.03.2011

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Braunschweig, 12. November 2008, Az: 3 Ca 358/08, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.03.2011, Az. 9 AZR 862/09 (REWIS RS 2011, 8665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8665

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