Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.09.2012, Az. VII ZR 72/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3413

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BU[X.]DESGERICHTSHOF

IM [X.]AME[X.] DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 72/10
Verkündet am:

6.
September
2012

Seelinger-Schardt,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

[X.]achschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 249 Abs. 1 ([X.])
Ein [X.] ist nicht berechtigt, die Zahlung des dem [X.]achunternehmer zustehenden [X.] so lange zu verweigern, bis in einem Rechtsstreit zwi-schen ihm und seinem Auftraggeber geklärt ist, ob der Auftraggeber gegen den Werklohnanspruch des [X.] zu Recht mit einer von diesem bestrit-tenen Vertragsstrafe aufrechnet, die der Auftraggeber wegen einer Verzögerung der [X.]achunternehmerleistung geltend macht.
[X.], Urteil vom 6. September 2012 -
VII ZR 72/10 -
OLG [X.]/Main

LG [X.]/Main

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28.
Juni
2012
durch den
Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
[X.],
die Richte-rin [X.], den [X.]
Halfmeier, den [X.] Prof.
[X.] und
den [X.]
Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 30.
März
2010
im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als die Klage auf die Beru-fung der [X.] gegen das Urteil des [X.]s [X.] am Main vom 6.
Februar
2009 in Höhe von 189.977,41

Zinsen abgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird die Beru-fung der [X.] zurückgewiesen.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung über den [X.] der [X.]
und die Kosten des Re-visionsverfahrens
sowie des Verfahrens über die Beschwerde ge-gen die [X.]ichtzulassung der Revision
an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen
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-
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn. Sie war als [X.]achunternehme-rin der [X.], die für die [X.] (künftig nur [X.])
die Haustechnik auszuführen
hatte, bei der Errichtung einer Sportarena tätig. Die Beklagte [X.] die Klägerin auf der Grundlage der VOB/B
(Ausgabe 2002)
mit [X.] vom 28.
Juni/7.
Juli
2004 mit Leistungen zur Fernmeldetechnik einschließ-lich Brand-
und Einbruchsmeldung. Die
für den 12.
August
2005 vereinbarte Gesamtfertigstellung durch die Klägerin erfolgte erst am 19.
Oktober
2005.
Die Beklagte beruft sich gegenüber dem [X.] der Klägerin auf ein Zurückbehaltungsrecht, weil sie wegen der von der Klägerin zu vertre-tenden Verzögerung von der [X.] auf eine den Werklohnanspruch der Klägerin übersteigende Vertragsstrafe in Anspruch genommen werde. Die [X.] verwei-gere deshalb die Zahlung des der [X.] zustehenden [X.]. Die [X.] führt über ihren Werklohnanspruch gegen die [X.] einen Rechtsstreit, in dem sie die Aufrechnung mit dem [X.] als unberechtigt zurückweist. Sie macht u.a. geltend, die Vertragsstrafe sei nicht wirksam ver-einbart. Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie dürfe den Werklohn der Kläge-rin bis zur Klärung des [X.]s der [X.] zurückhalten.
Das [X.] hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 201.754,55

i-derklage der [X.], mit der diese
eine eigene Vertragsstrafe und [X.] geltend gemacht hat, hat es
abgewiesen. Auf die Berufung der [X.]n hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Außerdem hat es [X.], dass die Klägerin verpflichtet ist, der [X.] jeden Schaden mit Ausnahme eines entgangenen Gewinns zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass die Klägerin die zum 12.
August 2005 vereinbarte [X.] schuldhaft 1
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überschritten hat.
Über den Hilfsantrag, die Klägerin auf die Widerklage zu [X.], an die Beklagte 601.945,61

u-fungsgericht nicht entschieden, weil dieser Antrag nur für den Fall gestellt [X.] sei, dass eine Verurteilung auf die Klage erfolge oder der auf die [X.] am 12.
August
2005 bezogene Feststellungsantrag der Widerklage keinen Erfolg haben werde.

Mit der vom Senat
insoweit
zugelassenen Revision möchte die Klägerin ihren Klageantrag in Höhe von 189.977,41

sen weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.

I.
Das Berufungsgericht hält die Klage
in Höhe
des noch im Streit stehen-den Betrages von 189.977,41

Es hat angenommen, dass die Klägerin der [X.] nach §
5 [X.]r.
4 VOB/[X.]. §
6 [X.]r.
6 Satz
1 VOB/B zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil die Klägerin am 13.
August
2005 in [X.] geraten sei. Teil des der [X.] aus der Verzögerung zu ersetzenden Schadens sei die Vorent-haltung eines Liquiditätszuflusses von Seiten der [X.], der im Wege der [X.] zumindest teilweise ausgeglichen werde, wenn die Beklagte ih-rerseits bis zur Klärung der Anspruchsberechtigung der [X.] keine Zahlung an 4
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5
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die Klägerin erbringe. Die Fristüberschreitung der Klägerin sei für den Einbehalt der [X.] adäquat
ursächlich gewesen. Die der Klägerin nachteilige Zurechnung des Einbehalts der [X.] sei
auch
vom Schutzzweck des zu leistenden [X.]es wegen [X.]s gedeckt. Denn durch die [X.] Fertigstellung im [X.] habe die Klägerin die Gefahr für die Beklagte erhöht, von ihrer Auftraggeberin -
wenn auch möglicherweise
zu Unrecht
-
in Anspruch genommen zu werden.

II.
Das hält der rechtlichen [X.]achprüfung nicht stand.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Klage in der
von der Revision angegriffenen Höhe
von 189.977,41

als zur [X.] unbegründet abgewiesen.
1.
Es kann dahin stehen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zu-trifft, bereits die
von der Klägerin verursachte Verzögerung des Liquiditätszu-flusses
von Seiten der [X.] stelle einen grundsätzlich ersetzbaren Schaden dar, oder ob erst aus der Verzögerung
resultierende [X.]achteile,
wie [X.] Zinsverluste oder notwendige Zinsaufwendungen,
solche Schäden wä-ren.
2.
Jedenfalls rechtsirrig ist die Ansicht, der
Ausgleich des
hier geltend gemachten
Verzögerungsschadens
durch Gewährung eines Zurückbehaltungs-rechts gegenüber der Werklohnforderung der Klägerin sei auch vom [X.] der haftungsbegründenden [X.]orm, nämlich der weitgehend
mit der ge-setzlichen Regelung übereinstimmenden vertraglichen Vereinbarung der Er-satzpflicht für verzugsbedingte Schäden nach §
5 [X.]r.
4 VOB/[X.]. §
6 [X.]r.
6 Satz
1 VOB/B (Ausgabe 2002),
umfasst.
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6
-
a) Es entspricht ganz überwiegender Auffassung und
der
ständigen
Rechtsprechung des [X.], dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der [X.]orm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte [X.]orm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. [X.], Urteile vom 22.
Mai
2012

VI
ZR
157/11, [X.], 2024
Rn.
14; vom 11.
Juni 2010

V
ZR
85/09, [X.], 1585
Rn.
24; vom 11.
Januar
2005 -
X
ZR
163/02, [X.]JW 2005, 1420
f.
Rn.
18; [X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., vor §
249 Rn.
29
f. m.w.[X.]). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zu-sammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Das kann auch der Fall sein, wenn der Schaden durch eine vertragswidrige Handlung eines Dritten entsteht ([X.], Urteil vom 26.
Januar
1989 -
III ZR 192/87, [X.]Z 106, 313, 316
ff.). Ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zu-sammenhang genügt
dagegen
nicht. Insbesondere ist Zweck vertraglicher Haf-tung nicht, den Geschädigten von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlas-ten ([X.], Urteil vom 11.
Januar
2005 -
X
ZR
163/02 aaO). Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. [X.], Urteile
vom 20.
September
1988

VI
ZR
37/88,
VersR 1988, 1273, 1274; vom 6.
Mai
2003 -
VI
ZR
259/02, [X.], 1128, 1130; [X.], Urteil vom 14.
März
1985 -
IX
ZR
26/84, [X.]JW 1986, 1329, 1332, jeweils m.w.[X.]).

b) Hiernach ist es nicht gerechtfertigt, die eingetretene Verzögerung bei der Durchsetzung des Werklohnanspruchs der [X.] gegen die [X.] der Fertigstellungsverzögerung der Klägerin zuzurechnen und sie hierfür haften zu lassen. Die fristgerechte Erstellung des Werkes eines [X.]achunternehmers soll dem Hauptnehmer
allerdings
ermöglichen, seine gegenüber seinem Besteller bestehenden Vertragspflichten ordnungsgemäß, insbesondere ebenfalls fristge-recht zu erfüllen. Damit dienen die entsprechenden vertraglichen Pflichten des 11
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7
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[X.]achunternehmers auch dem Zweck zu vermeiden, dass der Besteller
den [X.] wegen einer Verzögerung in Anspruch nehmen kann, etwa auf
Zahlung einer Vertragsstrafe.
[X.]ach dem Vortrag der [X.] besteht der von der [X.] reklamierte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe jedoch nicht, so dass ihr Werklohn-anspruch nicht wirksam durch Aufrechnung vermindert worden ist und noch durchgesetzt werden kann. Ein Risiko, Ansprüche gegen den Besteller erst mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen zu können, trifft prinzipiell jeden Unternehmer. Es ist grundsätzlich seinem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. Daran [X.] sich nichts, wenn das Verhalten des Bestellers erst oder auch durch eine Pflichtverletzung des [X.]achunternehmers hervorgerufen worden ist. Denn Grundlage des Streits um die unberechtigte Verweigerung der Zahlung des [X.]
ist immer das Vertragsverhältnis zwischen dem [X.] und seinem Besteller, hier also zwischen der [X.] und der [X.]. [X.], die sich aus Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter [X.] aus diesem Vertragsverhältnis ergeben,
sind von den jeweils [X.] Vertragspartnern zu tragen. Es ist nicht gerechtfertigt, sie auf den [X.]achun-ternehmer, hier die Klägerin, abzuwälzen.

III.
Der Rechtsstreit ist nur teilweise zur Endentscheidung reif, §
563 Abs.
3 ZPO. Im Umfang der Aufhebung sind keine weiteren Feststellungen zu erwar-ten, so dass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat.
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Danach ist der [X.] im Umfang der Anfechtung stattzugeben. Über eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch der [X.] aus der Inanspruchnahme durch die [X.] ist nicht zu befinden, weil die Beklagte diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Berufung [X.] fallen gelassen und sich lediglich auf ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Erledigung ihrer [X.] gegen die [X.] gestützt hat.
Ausweislich des Berufungsurteils hat die
Beklagte für diesen Fall ihrer Verurteilung auf die Klage einen weiteren [X.] auf Zahlung gestellt, über den
das Berufungsgericht folgerichtig
bisher nicht entschieden hat, was nunmehr noch geschehen muss.

[X.]
[X.]
Halfmeier

[X.]

Kosziol
Vorinstanzen:
LG [X.]/Main, Entscheidung vom 06.02.2009 -
3-14 O 17/07 -

OLG [X.]/Main, Entscheidung vom 30.03.2010 -
5 U 38/09 -

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Meta

VII ZR 72/10

06.09.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.09.2012, Az. VII ZR 72/10 (REWIS RS 2012, 3413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3413

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VII ZR 72/10

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