Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2017, Az. 4 BN 25/16

4. Senat | REWIS RS 2017, 14248

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anforderungen an die Abwägungsentscheidung eines Bebauungsplans; Baulandeigenschaft eines Grundstücks


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits [X.], Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - [X.]E 13, 90 <91>). Daran fehlt es hier.

3

Die Beschwerde wendet sich im Stile einer Berufungsbegründung gegen die Annahme des [X.], der angefochtene Bebauungsplan sei insgesamt abwägungsfehlerfrei erlassen worden.

4

Soweit sich den Fragen,

welche Anforderungen (der Substantiierung) an prinzipiell abwägungsbeachtliche private Belange bzw. Interessen zu stellen sind, um eine Abgrenzung von den Interessen und privaten Belangen zu ermöglichen, die von vornherein schon als geringwertig und zu vernachlässigen außen vor zu bleiben haben, etwa weil sie vorgeschoben sind oder im konkreten Fall lediglich abstrakt angeführt werden können, ohne dass ihre Betroffenheit irgendwelche praktisch konkreten Beeinträchtigungen hervorbringen könnte,

unter welchen Bedingungen ein als privater Belang städtebaulich prinzipiell zu berücksichtigendes Interesse des Grundstücksnachbarn und -eigentümers beispielsweise an Sicht- und Lärmschutz nicht schutzwürdig ist, weil die Eigentümer auf seinen Fortbestand nicht vertrauen durften,

ob bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB die Beeinträchtigung des (einheitlichen) Eigentumsrechts an einem Grundstück durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (hier: [X.] Geh- und Radweg) mit der Erwägung gerechtfertigt werden darf, dass das Grundstück aus isoliert zu betrachtenden unterschiedlich nutzbaren oder bebaubaren oder unbebaubaren Teilflächen besteht, die isoliert und unabhängig von dem Rest des Grundstücks (hier: Wohn- und Baugrundstück) als betroffener privater Belang bei der Abwägung zu berücksichtigen sind, weil allein dort örtlich der unmittelbare Bereich der planerischen Festsetzung zu verorten ist, und

ob bei der Abwägung privater Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB (z.B. subjektiv öffentliche Rechte wie das Grundstückseigentum oder Interessen wie das Interesse an Sicht- und Lärmschutz) die jeweils faktische Nutzung zum Zeitpunkt des Bebauungsplanerlasses maßgeblich ist, obwohl die Grundstücke in rechtlich zulässiger Weise anders genutzt werden könnten,

ein in Bezug auf das Abwägungsgebot (§ 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB) verallgemeinerungsfähiger Inhalt entnehmen lässt, zeigt die Beschwerde rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Die Fragen sind in der Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die [X.] eingestellt werden müssen (stRspr seit [X.], Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 [X.] 105.66 - [X.]E 34, 301 <309>). Nicht abwägungsbeachtlich sind dagegen geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (stRspr, z.B. [X.], Urteil vom 24. September 1998 - 4 [X.]N 2.98 - [X.]E 107, 215 <219>). Ob ein privater Belang schutzwürdig ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

5

Geklärt ist ferner, dass ein (wirksamer) Bebauungsplan Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt. Die [X.] darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen ([X.], Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 [X.] 105.66 - [X.]E 34, 301 <305>). Diese Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen ([X.], [X.] vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - NVwZ 2003, 727 = juris Rn. 15; [X.], Urteil vom 16. April 1971 - 4 [X.] 66.67 - [X.] 406.11 § 35 BBauG Nr. 90). Es umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.; [X.], Urteil vom 27. August 2009 - 4 [X.]N 5.08 - [X.]E 134, 355 Rn. 16 und Beschluss vom 24. November 2010 - 4 [X.] 40.10 - [X.] = juris Rn. 4). Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der [X.] als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden ([X.], Beschluss vom 16. Januar 1996 - 4 NB 1.96 - [X.] 406.11 § 1 BauGB Nr. 88 = juris Rn. 4). Im Rahmen der [X.] nach § 1 Abs. 7 BauGB hat die [X.] folglich die Nachteile einer Planung für Planunterworfene zu berücksichtigen.

6

Besteht ein Recht zur Bebauung, kommt der normativen Entziehung desselben erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung auswirken muss. Die Frage, ob das betreffende Grundstück insgesamt Baulandqualität besitzt, darf deshalb nicht offen bleiben ([X.], [X.] vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - NVwZ 2003, 727 = juris Rn. 18).

7

Von diesen Maßstäben hat sich das Oberverwaltungsgericht leiten lassen. Ob es dabei zu Recht davon ausgegangen ist, dass das Grundstück der Erbengemeinschaft aus isoliert zu betrachtenden, unterschiedlich nutzbaren oder bebaubaren Teilflächen besteht, ist wiederum eine rechtsgrundsätzlich nicht klärungsfähige Frage des Einzelfalls.

8

Gleiches gilt grundsätzlich auch für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob bei der Abwägung die jeweils faktische Nutzung zum Zeitpunkt des [X.] maßgeblich ist, obwohl die Grundstücke in rechtlich zulässiger Weise anders genutzt werden könnten, wobei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - wie dargelegt - grundsätzlich geklärt ist, dass es im Rahmen der planerischen Abwägung auf bauliche Nutzungsrechte ankommt ([X.], [X.] vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - a.a.O.)

9

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und die über die Festsetzung des Streitwerts aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 25/16

13.03.2017

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. Mai 2016, Az: 2 K 116/14, Urteil

§ 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.03.2017, Az. 4 BN 25/16 (REWIS RS 2017, 14248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14248

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 BN 31/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Status als Welterbe als Belang i.S.v. § 1 Abs. 6 BauGB; passiver Bestandsschutz


4 BN 30/15 (Bundesverwaltungsgericht)


1 N 20.151 (VGH München)

Bebauungsplan, Ergänzendes Verfahren, Rügeobliegenheit, Von Bebauung freizuhaltende Flächen, Ordnungsgemäße Abwägung der Eigentümerinteressen


4 BN 8/23 (Bundesverwaltungsgericht)


2 N 13.2425 (VGH München)

Ausschluss einer privaten Nutzung durch Festsetzungen im Bebauungsplan


Referenzen
Wird zitiert von

9 N 14.2525

9 N 12.2648

9 N 12.1003

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.