BT-Drucksache 18/9846

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 18/9632, 18/9793 - Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Maritimen Sicherheitsoperation SEA GUARDIAN im Mittelmeer

Vom 28. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9846
18. Wahlperiode 28.09.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Omid Nouripour, Agnieszka Brugger,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Uwe
Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 18/9632, 18/9793 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten
Maritimen Sicherheitsoperation SEA GUARDIAN im Mittelmeer

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf dem NATO-Gipfel Anfang Juli 2016 in Warschau haben die Staats- und
Regierungschefs Operation SEA GUARDIAN im Mittelmeer auf den Weg gebracht.
Für die Beteiligung an dieser Mission hat die Bundesregierung nun ein Mandat mit
einem sehr umfangreichen Aufgabenspektrum vorgelegt. Neben der allgemeinen
Seeraumüberwachung und der Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen,
umfasst das Mandat auch die Unterstützung von Anrainerstaaten in der
Mittelmeerregion zum Informationsaustausch und Kapazitätsaufbau sowie den Kampf
gegen den Terrorismus auf dem Mittelmeer. Das soll auch die Ausbildung und
gemeinsame Übungen mit diesen Sicherheitskräften umfassen. Mit welchen Ländern
der Mittelmeerregion eine Zusammenarbeit vorgesehen ist, wer konkret ausgebildet
werden soll und welches Ziel diese Ausbildung haben soll, wird im Mandat nicht
erwähnt. Der Bundestag lehnt eine solche unzureichende Auftragsbeschreibung für die
eingesetzten Soldatinnen und Soldaten ab.
Die Bundesregierung versucht mit diesem Mandat offensichtlich ihren
Handlungsspielraum gegenüber dem Bundestag beim Einsatz der Bundeswehr im
Rahmen von Auslandseinsätzen auszuweiten. Während das Aufgabenportfolio und die
geographische Reichweite der Mission eine enorme Breite haben, sind die konkreten
Aufträge an die eingesetzten Soldatinnen und Soldaten nur sehr vage definiert.
Theoretisch befähigt das Mandat die Bundesregierung dazu, die Marinen aller
Anrainerstaaten auszubilden, ohne dass der Bundestag in den einzelnen Fällen noch
ein Mitspracherecht hätte. Die einzige Bedingung wäre, dass die jeweiligen

Drucksache 18/9846 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Anrainerstaaten dem zustimmen. Das Mandat ist letztlich also ein Blankoscheck für
die Bundesregierung zum Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeerraum. Wenn der
Bundestag dem Mandat einmal zugestimmt hat, kann die Exekutive zudem den
Operationsplan beliebig ändern, solange er im Rahmen des Mandats bleibt. Da das
vorliegende Mandat so breit und unklar formuliert ist, dass weitreichende Änderungen
im Operationsplan problemlos darin untergebracht werden könnten, besteht die Gefahr
einer massiven Entgrenzung des militärischen Engagements in dieser Region. Der
Deutsche Bundestag betont das Gebot der Mandatsklarheit und wendet sich gegen die
unklare und offene Ausgestaltung des Auftrages für die Mission SEA GUARDIAN.
In dem Mandat für SEA GUARDIAN ist zudem enge Zusammenarbeit mit der EU-
Mission EUNAVFOR MED geplant. Das europäische Mandat von EUNAVFOR
MED sieht ein militärisches Vorgehen zu Wasser und zu Land, gegen Infrastruktur
und Schiffe in Libyen vor, die sogenannten Schleppern zugeordnet werden. Diese
Pläne sind hochriskant und bergen die Gefahr den Bürgerkrieg in Libyen weiter zu
verschärfen. Sie sind deshalb politisch kontraproduktiv und abzulehnen. Das SEA
GUARDIAN Mandat erlaubt nicht nur eine Unterstützung dieser Pläne, es würde auch
eigene militärische Operationen auf libyschen Territorium bzw. in libyschen
Hoheitsgewässern ermöglichen. Während jedoch bei EUNAVFOR MED für diese
Option ein vorheriges Mandat des UN-Sicherheitsrates erforderlich gehalten wird, soll
SEA GUARDIAN ohne ein solches UN-Mandat auskommen: eine Zustimmung des
betroffenen Küstenstaates und die Autorisierung durch den Nordatlantikrat der NATO
sollen genügen. Eine solche Umgehung der Vereinten Nationen ist abzulehnen. Der
Deutsche Bundestag bekräftigt, dass die Vereinten Nationen als entscheidende
legitimatorische Instanz in Fragen des internationalen Friedens und der Sicherheit zu
stärken und nicht zu schwächen sind.
Der Deutsche Bundestag kritisiert zudem, dass seinen Mitgliedern der Operationsplan
von SEA GUARDIAN zunächst vorenthalten wurde. Das verstärkt den Eindruck, dass
eine parlamentarische Kontrolle des Bundeswehreinsatzes bei SEA GUARDIAN
gezielt vermieden werden soll. Ein solches Vorgehen der Bundesregierung untergräbt
die verfassungsrechtliche Prämisse, dass Bundesregierung und Bundestag bei der
Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr im Entscheidungsverbund
agieren. Eine erforderliche umfassende Meinungsbildung zum Einsatz von
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wird so durch die Bundesregierung
unmöglich gemacht wird, weil für den Bundestag aufgrund der Informationen aus dem
Antrag der Bundesregierung keine klaren Konturen des beantragten „Einsatzes“, der
eher ein Einsatz-Potpourri ist, erkennbar sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich an der Operation SEA GUARDIAN unter den gegebenen Voraussetzungen
nicht zu beteiligen;

2. in der NATO darauf hinzuwirken, dass der Bündnisfall unter Artikel 5 des
NATO-Vertrages, welcher im Zuge der Anschläge vom 11. September 2001
ausgerufen wurde und bis heute besteht, generell beendet wird.

Berlin, den 27. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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