BT-Drucksache 18/9769

Grüne Innovationszentren - Stand der Umsetzung, Partnerorientierung und entwicklungspolitischer Nutzen

Vom 22. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9769
18. Wahlperiode 22.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Peter Meiwald, Claudia Roth (Augsburg),
Harald Ebner, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner,
Omid Nouripour, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Innovationszentren – Stand der Umsetzung, Partnerorientierung und
entwicklungspolitischer Nutzen

Obwohl genügend Lebensmittel produziert werden, hungern weltweit noch im-
mer rund 800 Millionen Menschen, 2 Milliarden sind mangelernährt. Der Bun-
desminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Mül-
ler, will mit dem Globalvorhaben „Grüne Innovationszentren in der Agrar- und
Ernährungswirtschaft“ (Grüne Zentren) den Hunger bekämpfen, wie er es bereits
in seiner ersten Rede als Bundesminister am 29. Januar 2014 erklärte (www.
bundestag.de/mediathek/?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=
details&ids=3084240&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&destination=
search&mask=search). Seit seiner Reise nach Mali im März 2014 (www.bmz.de/
de/presse/aktuelleMeldungen/2014/maerz/140326_pm_029_Bundesminister-
Mueller-reist-nach-Suedsudan-und-Mali/index.html) begleiten Meldungen von
der Gründung dieser Zentren die Auslandsbesuche des Bundesministers. Aktuell
sind Projekte in Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Ghana, Indien, Kamerun, Kenia,
Malawi, Mali, Nigeria, Sambia, Togo und Tunesien vorgesehen. Das Bundesmi-
nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) be-
schreibt auf seiner Internetseite: „Kleinbäuerinnen und -bauern brauchen Zugang
zu Wissen, Märkten, Kapital und Betriebsmitteln. Produktion, Weiterverarbei-
tung und Vermarktung müssen eng miteinander verknüpft werden“. Mit insge-
samt 138,5 Millionen Euro sollen bis 2019 500 000 kleinbäuerliche Betriebe er-
reicht werden. Dabei stünden insbesondere die Belange von Jugendlichen und
Frauen im Fokus (www.bmz.de/de/themen/ernaehrung/innovationen/gruene_
innovationszentren/hintergrund/index.html). Auch die Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH betont, die Belange von Frauen
würden besonders berücksichtigt (www.giz.de/de/weltweit/32209.html). Unter
anderem ginge es um den Einsatz von „hochwertigem Saatgut und Dünger“. Die
Kooperation mit einschlägigen Partnern aus der Privatwirtschaft wie etwa Bayer
CropScience ist erklärtes Ziel der Grünen Zentren (www.bmz.de/de/themen/
ernaehrung/innovationen/gruene_innovationszentren/hintergrund/index.html).
Fast drei Jahre nach Ankündigung dieser Sonderinitiative gehen die konkrete
Umsetzung und der Abschluss der Verträge mit den Partnern eher schleppend
voran. In der Ausschussdrucksache 18(19)397 des Ausschusses für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages vom 24. Mai
2016 ist aus der Kategorie „Wirtschaft“ lediglich für das Grüne Zentrum Indien

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ein abgeschlossener Vertrag mit Bayer CropScience gemeldet. Nichtregierungs-
organisationen kritisieren, dass der Privatwirtschaft in den Kooperationsverträgen
im Rahmen der Grünen Zentren sogar noch mehr Macht eingeräumt würde als
bei der in Verruf geratenen German Food Partnership (www.oxfam.de/system/
files/oxfam-hintergrundpapierboecke_zu_gartnern.pdf). Das Prestige-Projekt
seines Amtsvorgängers Dirk Niebel hatte Bundesminister Gerd Müller nicht
fortgesetzt. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/9598
hervorgeht, werden Schulungsmaßnahmen für Bäuerinnen und Bauern
von Bayer CropScience und dem Düngemittelhersteller Yara selbst durchge-
führt. Die Bundesregierung weist in derselben Antwort die Vorwürfe, Agrar-
konzerne würden zur Produktwerbung eingeladen, mit dem Verweis auf den
„Referenzrahmen für Entwicklungspartnerschaften im Agrar- und Ernährungs-
sektor“ (www.developpp.de/sites/default/files/2016_04_06_referenzrahmen_
fuer_entwicklungspartne_2016_0129461_-_rs.pdf) zurück. Der Referenzrah-
men schließt Produktwerbung allerdings nicht aus, sondern verlangt lediglich,
dass sich die Empfehlungen nicht auf die „Verwendung der eigenen Produkte
beschränken“ (www.oxfam.de/system/files/oxfam-hintergrundpapier_boecke_
zu_gartnern.pdf) dürfen. Angesichts der Erfahrungen mit den Trainings und
den Schulungsmaterialien, die im Rahmen der German Food Partnership
durchgeführt wurden (www.oxfam.de/system/files/201606-martin-rokitzki-gfp-
assessment.pdf), bedarf es genauerer Informationen zu der Umsetzungspraxis im
Rahmen der Sonderinitiative.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann begann im jeweiligen Grünen Zentrum die

a) Planung und Konzeption und
b) Durchführung
(bitte Zeitpunkte nach Ländern auflisten)?

2. Wer hat im jeweiligen Projekt die konkrete Zielgruppe definiert und den Pro-
jektort festgelegt (bitte nach Ländern und jeweiligen Grünen Zentren aufge-
schlüsselt darstellen)?

3. Wann wurden Kooperationsverträge mit beteiligten Partnern abgeschlossen
(Privatwirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, und andere)?
Mit welchen weiteren Partnern befindet sich die Bundesregierung in der
Anbahnung von Kooperationen, und bis wann rechnet die Bundesregierung
jeweils mit Vertragsabschlüssen (bitte für das jeweilige Land und Grüne
Zentrum benennen)?

4. Welche finanziellen, materiellen, personellen oder sonstigen Beiträge leisten
die Kooperationspartner (bitte nach Partnern und Ländern auflisten)?

5. Welche Mittel wendet die Bundesregierung jeweils auf (bitte nach Ländern
und Jahren auflisten)?

6. Mit welche Indikatoren werden in den jeweiligen Grünen Zentren deren Er-
folge gemessen (bitte nach Ländern und auflisten)?

7. Inwieweit sind die Ziele und Indikatoren des Globalvorhabens Grüne Inno-
vationszentren im üblichen Dialog mit den Partnern bzw. Partnerländern ent-
wickelt worden?

8. Welche Leitbilder, die im BMZ-Strategiepapier zur Förderung der nachhal-
tigen Landwirtschaft aufgeführt sind, wurden bzw. werden bei den Grünen
Innovationszentren berücksichtigt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9769
9. Inwieweit werden bei den Grünen Innovationszentren wie im BMZ-Strate-
giepapier zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft gefordert (www.bmz.
de/de/mediathek/publikationen/archiv/reihen/strategiepapiere/Strategiepapier
327_03_2013.pdf) gleichzeitig Armutsminderung und Ernährungssicherung
einerseits und Ressourcenschutz und Klimaverträglichkeit andererseits di-
rekt adressiert und erreicht?
Welche Maßnahmen sind insbesondere auf den Ressourcenschutz und die
Klimaverträglichkeit ausgerichtet?

10. Welche lokalen Partner aus den jeweiligen Ländern wurden bzw. werden
a) in die Planung und Konzeption und
b) in die Durchführung eingebunden (bitte nach Ländern auflisten)?

11. In welchen Grünen Innovationszentren sind Frauenorganisationen, Bauern-
organisationen und andere zivilgesellschaftliche Organisationen
a) in die Planung,
b) in die Konzeption und
c) in die Durchführung eingebunden bzw. eingebunden gewesen,
und mit welchen konkreten Maßnahmen werden ihren Interessen Rechnung
getragen (bitte alle Organisationen nach Ländern auflisten)?

12. Welche genderspezifischen Maßnahmen kommen in den Grünen Innovati-
onszentren zur Anwendung, um auf die besonderen Bedürfnisse und Benach-
teiligungen von Frauen einzugehen?

13. Wie viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern werden von den Projekten der-
zeit jeweils erreicht (bitte nach Ländern auflisten)?
a) Welches durchschnittliche Netto-Einkommen wurde für die jeweiligen

Kleinbäuerinnen und Kleinbauern als Referenzgröße vor Projektbeginn in
den jeweiligen Ländern ermittelt?

b) Wird bei der Ermittlung des Einkommens die Entwicklung der Ausgaben
(bspw. für Betriebsmittel) berücksichtigt?

14. Inwieweit wird bei den Schulungen im Rahmen von Projekten mit Kleinbäu-
erinnen und Kleinbauern auf Herausforderungen und Risiken beim Anbau
von modernen Hochleistungssorten in Bezug auf Wasserbedarf, höhere In-
putkosten bei Saatgut und Pestizidbedarf und ein daraus resultierendes höhe-
res Verschuldungsrisiko usw. hingewiesen?

15. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass im Rahmen der Arbeit der Grü-
nen Zentren einheimisches Saatgut verwendet wird (bitte nach Wertschöp-
fungsketten und Grünen Zentren auflisten)?

16. Welche Anbauverfahren kommen in den Grünen Innovationszentren zur An-
wendung bzw. werden in den Schulungen vermittelt (bitte angeben, welche
der sieben genannten Anbauverfahren angewendet werden – bitte nach Län-
dern auflisten: Fruchtwechsel, Kompost, Gründüngung, Zwischenfruchtan-
bau, Leguminosenanbau, Mischanbau, Agroforstsysteme)?

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17. Welche Mechanismen sind vorgesehen, um Verletzungen des „Referenzrah-

men für Entwicklungspartnerschaften im Agrar- und Ernährungssektor“ oder
der konkreten Verträge seitens der Vertragspartner aufzudecken?
a) Liegen lokalen Partnern der Referenzrahmen und die jeweiligen Verträge

in lokaler Sprache vor?
b) Welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen bei Vertragsverletzungen

durch Partner?

Berlin, den 22. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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