BT-Drucksache 18/9546

Fragen zum Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im Hinblick auf besondere Gefahrenlagen und terroristische Anschläge

Vom 2. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9546
18. Wahlperiode 02.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Britta Haßelmann,
Renate Künast, Özcan Mutlu, Dr. Konstantin von Notz und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fragen zum Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheits-
aufgaben im Hinblick auf besondere Gefahrenlagen und terroristische Anschläge

Die flächendeckende Einführung des Digitalfunks der Behörden und Organisati-
onen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ist eines der größten technischen Moderni-
sierungsvorhaben in Deutschland und soll den veralteten Analogfunk ablösen.
Dabei sahen die Planungen ursprünglich vor, dass der Aufbau des BOS-Digital-
funknetzes im Jahr 2012 abgeschlossen sein sollte. Inzwischen vermeldet die
Bundesanstalt für Digitalfunk Behörden und Organisationen mit Sicherheitsauf-
gaben, dass insgesamt 4 506 Basisstationen installiert worden seien und eine Fun-
kabdeckung von 99 Prozent realisiert wurde (Stand: Juli 2016). Dennoch gibt es
immer wieder Berichte von Netzabdeckungsproblemen im Allgemeinen (heise
online, 29. März 2016, „Berliner Polizei hat massive Probleme mit dem Digital-
funk“, WAZ, 24. März 2016, „Umstellung auf Digitalfunk bereitet Probleme“
u. a. m.) sowie insbesondere im Inneren von Gebäuden (rbb, 27. Juli 2016, „Über
Löcher im Polizeifunk wird gestritten“, Berliner Morgenpost, 29. März 2016,
„Polizeifunk-Chaos in City West und Einkaufszentren“). Des Weiteren sind bei
Großschadensereignissen und besonderen Gefahrenlagen bereits Grenzen der
Funktechnik deutlich geworden (Focus, 23. Juli 2016, „Zivilpolizisten jagten den
Todes-Schützen – und wurden für Attentäter gehalten“). In diesem Zusammen-
hang stellt sich insbesondere die Frage, ob die vorgesehenen Datenkapazitäten
ausreichend sind, um eine störungsfreie Kommunikation sicherzustellen.
Dabei ist eine zuverlässige und störungsfreie Kommunikation für einen erfolgrei-
chen Einsatz von Polizei- und Rettungskräften zwingend erforderlich. Darüber
hinaus ist eine stabile Funkverbindung auch für die persönliche Sicherheit von
Beschäftigten und Freiwilligen wichtig, die im Einsatz teils nicht unerhebliche
Risiken eingehen müssen und sich auf ihr Kommunikationsmittel auch als Versi-
cherung, z. B. zur Nachalarmierung oder Lageberichterstattung, verlassen können
müssen.
Neben besonderen Gefahrenlagen, die durch Naturkatastrophen oder Unfällen
verursacht wurden, kommt der Einsatzkräftekommunikation dabei gerade auch
bei terroristischen Anschlägen eine äußerst wichtige Rolle zu. Sie muss gewähr-
leisten, dass schnellstmöglich ein Lagebild erstellt und kommuniziert werden
kann, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Den Einsatzkräften muss es hierbei
ermöglicht werden, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen sowie die Ver-
sorgung von Verletzten schnell zu koordinieren.

Drucksache 18/9546 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern ist der Umstieg vom analogen Funk zum BOS-Digitalfunk bei der
Bundespolizei noch nicht vollständig vollzogen?
a) Gibt es bei der Bundespolizei Polizeidirektionen, deren Einheiten im Ein-

satz noch nicht auf BOS-Digitalfunk umgestellt haben, und wenn ja, wel-
che sind das?

b) Gibt es bei der Bundespolizei Einheiten, die noch nicht vollständig mit
BOS-Digitalfunkgeräten ausgestattet sind, und wenn ja, welche sind das?

c) Inwiefern ist die Umstellung auf BOS-Digitalfunk bei den Hubschraubern
der Bundespolizei, insbesondere bei den Mittleren Transporthubschrau-
bern (MTH) bereits erfolgt?

2. Inwiefern ist der Umstieg vom analogen Funk zum BOS-Digitalfunk nach
Kenntnis der Bundesregierung bei den Polizeien der Länder noch nicht voll-
ständig vollzogen?

3. Inwiefern sind, nach Einschätzung der Bundesregierung, eine bundesland-
übergreifende und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit (Polizei, Katastro-
phenschutz) bei besonderen Gefahrenlagen bzw. bei terroristischen Anschlä-
gen gewährleistet, wenn einige Akteure mit BOS-Analog- andere aber mit
BOS-Digitalfunkgeräten ausgestattet sind?
a) Inwiefern ist unter dem Gesichtspunkt der Verwendung von BOS-Ana-

log- sowie Digitalfunkgeräten eine störungsfreie Kommunikation zwi-
schen der Bundes- und Länderpolizei nach Kenntnis der Bundesregierung
bei besonderen Gefahrenlagen gewährleistet?

b) Inwiefern ist dabei eine effektive Kommunikation (z. B. durch die Ein-
richtung von entsprechenden, ggf. gemeinsamen, BOS-Funkgruppen) von
Bundes- und Landespolizeien nach Kenntnis der Bundesregierung ge-
währleistet?

c) Inwiefern ist eine effektive Kommunikation (z. B. durch die Einrichtung
von entsprechenden, ggf. gemeinsamen, BOS-Funkgruppen) von Bundes-
und Landespolizeien sowie der Rettungsdienste, Feuerwehren und des
Technisches Hilfswerks gewährleitet?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die laut Medi-
enberichten (heise online, 29. März 2016, „Berliner Polizei hat massive Prob-
leme mit dem Digitalfunk“, WAZ, 24. März 2016, „Umstellung auf Digital-
funk bereitet Probleme“ u. a. m.) zum Teil immer noch nicht vollständig ab-
geschlossene Umstellung von BOS-Analog- zu Digitalfunk in den Bundes-
ländern?

5. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass während
des Polizeieinsatzes, der durch den Amoklauf in München am 22. Juli 2016
ausgelöst worden war, die Funkkanäle der Polizei so überlastet waren, dass
lange Zeit wichtige polizeiliche Meldungen nicht durchgegeben werden
konnten (Focus, 23. Juli 2016, „Zivilpolizisten jagten den Todes-Schützen –
und wurden für Attentäter gehalten“)?

6. Inwiefern sind der Bundesregierung Einsätze bekannt, bei denen aufgrund
der eingesetzten Funktechnik keine störungsfreie Kommunikation zwischen
der Bundespolizei und der Länderpolizei sichergestellt war oder im Einsatz
Probleme aufgetreten sind?

7. Inwiefern sind der Bundesregierung Einsätze bekannt, bei denen eine stö-
rungsfreie Kommunikation zwischen der Bundespolizei und/oder den Län-
derpolizeien mit den weiteren Akteuren des Katastrophenschutzes nicht si-
chergestellt war oder dabei im Einsatz Probleme aufgetreten sind?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9546
8. Stellt nach Auffassung der Bundesregierung die nicht einheitliche Nutzung
von BOS-Digitalfunkgeräten bzw. die weitere Nutzung von BOS-Ana-
logfunkgeräten eine Nutzungskonkurrenz dar, die eine Auswirkung auf das
Einsatzgeschehen bei besonderen Gefahrenlagen haben kann?

9. Gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung ausreichend Schulungen,
bei denen Einsatzkräfte mit Blick auf besondere Gefahrenlagen die länder-
übergreifende und interdisziplinäre Kommunikation erlernen?

10. Gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung ausreichend Übungen, bei
denen Einsatzkräfte mit Blick auf besondere Gefahrenlagen die länderüber-
greifende und interdisziplinäre Kommunikation trainieren?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstellungsprozess in der Bundes-
polizei hinsichtlich der deutlichen Unterschiede in den einzelnen Direktionen
und Einheiten?
a) Wie ist eine Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Einheiten der

Bundespolizei gewährleistet, wenn manche Einheiten schon BOS-Digi-
talfunk und andere aber noch BOS-Analogfunk verwenden?

b) Wie ist die Kommunikation gewährleistet, wenn unterschiedliche Einhei-
ten zur Bewältigung besonderer Gefahrenlagen zusammengelegt werden
und einige dabei schon BOS-Digitalfunk und andere aber noch BOS-Ana-
logfunk verwenden?

c) Wie könnten Einheiten, die sich aus unterschiedlichen Bundespolizeidi-
rektionen und/oder der Direktion Bundesbereitschaftspolizei zusammen-
setzen, im Einsatz per Funk kommunizieren, wenn sie nicht einheitlich
BOS-Digitalfunk nutzen?

d) Wie kann die Bundespolizeiinspektion Frankfurt am Main zur Unterstüt-
zung bei einer besonderen Gefahrenlage am Frankfurter Flughafen heran-
gezogen werden, wenn diese bereits BOS-Digitalfunkgeräte nutzt, aber
die Bundespolizeidirektion Frankfurter Flughafen noch BOS-Analog-
funkgeräte einsetzt?

e) Inwiefern werden aufgrund laufender oder angehaltener Umstellungspro-
zesse von der Bundespolizei auch noch an anderen Fernbahnhöfen oder
Flughäfen BOS-Analogfunkgeräte eingesetzt (ggf. bitte auflisten)?

12. Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Bedarf, Maßnahmen zu ergreifen,
die die Objektfunkversorgung für BOS-Digitalfunk in öffentlichen Gebäu-
den verbessern?

13. Inwiefern hält es die Bundesregierung für geboten, den Leitfaden zur Ob-
jektversorgung zu überarbeiten?
a) Welche Änderungen in diesem Leitfaden könnten dazu dienen, die Pla-

nung und Beschaffung digitaler Gebäudefunkanlagen zu verbessern?
b) Sollte nach Einschätzung der Bundesregierung die Muster-Bauordnung

der Länder so geändert werden, dass auch in älteren Gebäuden entspre-
chende Anlagen installiert werden müssen, und wenn nein, warum nicht?

14. Inwiefern plant die Bundesregierung, Maßnahmen zu ergreifen oder darauf
hinzuwirken, dass die BOS-Digitalfunkabdeckung in Bahnhöfen der Deut-
schen Bahn AG verbessert wird?

15. Inwiefern sind der Bundesregierung Vorfälle bekannt, bei denen eine nicht
ausreichende Netzabdeckung des BOS-Digitalfunknetzes in Gebäuden zu ei-
ner sicherheitsrelevanten Beeinträchtigung von Polizeieinsätzen geführt hat?

Drucksache 18/9546 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Ist der Betrieb von derzeit rund 4 500 Basisstationen nach Einschätzung der

Bundesregierung ausreichend, um eine ausreichende BOS-Digitalfunknetz-
abdeckung zu erreichen?
a) Sind die bisher erreichten Datenkapazitäten insbesondere ausreichend,

um eine zuverlässige Kommunikation bei besonderen Gefahrenlagen und
großen Schadenslagen zu gewährleisten?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung dabei die BOS-Digitalfunknetzabde-
ckung in urbanen Regionen?

c) Wie beurteilt die Bundesregierung dabei die BOS-Digitalfunknetzabde-
ckung in ländlichen Regionen?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung Forderungen, dass zusätzliche Basisstati-
onen notwendig seien?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung Forderungen, dass zusätzliche Basisstati-
onen notwendig seien, um eine ausreichende BOS-Digitalfunknetzabde-
ckung in Gebäuden sicherzustellen?

19. Inwiefern ist die von Einsatzkräften beschriebene Nutzung von privaten Mo-
biltelefonen (HAZ, 31. Oktober 2014, „Polizistin muss Kollegen über 110
rufen“; Focus, 20. April 2016, „Polizist packt aus: ‚Ich habe Angst, mit mei-
ner Ausrüstung zum Einsatz zu fahren‘“) nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bei der Bundespolizei noch üblich, um Probleme des BOS-Digitalfunk-
netzes auszugleichen?

20. Inwiefern ist beim gegenwärtigen Ausbaustand des BOS-Digitalfunknetzes
eine Datenübermittlung (beispielsweise von Dokumenten) gewährleistet,
und welche Datenkapazitäten werden dabei erreicht, beziehungsweise wel-
che BOS-Digitalfunknetzkapazitäten wären nach Einschätzung der Bundes-
regierung nötig, um einen praxistauglichen Betrieb zu ermöglichen?

21. Wie sind die BOS-Digitalfunkbasisstationen gegen Ausfälle, insbesondere
bei einem Zusammenbrechen der Stromversorgung, geschützt?

Berlin, den 2. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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