BT-Drucksache 18/9467

Kooperation von Bayer CropScience und der GIZ im Rahmen der BMZ-Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger in Indien

Vom 22. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9467
18. Wahlperiode 22.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Harald Ebner,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour,
Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin,
Doris Wagner, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Steffi Lemke, Friedrich Ostendorff
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kooperation von Bayer CropScience und der GIZ im Rahmen der BMZ-
Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger in Indien

Der Ansatz der German Food Partnership (GFP) in Kooperation mit Agrarkon-
zernen, vermeintlich gegen Hunger kämpfen zu wollen, galt als äußerst umstrit-
ten. Die Oxfam-Studie „Böcke zu Gärtnern. Wie die aktuelle Kooperation mit
Agrarkonzernen eine nachhaltige Landwirtschaft verhindert“ stellte unter ande-
rem fest, dass die Kooperationspartner der Agrarwirtschaft teilweise offen für ihre
Produkte warben und entgegen der vertraglichen Vereinbarung auch Schulungen
von deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt wurden. Zumindest
das Vertragswerk sah neutrales Schulungspersonal vor.
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Dr. Gerd Müller erklärt zwar, neue Ansätze beim Kampf gegen den Hunger zu
verfolgen und verlängert darum die die German Food Partnership nicht. Tatsäch-
lich verfolgt aber auch Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller bei seinen eignen
Initiativen aus Sicht der Fragesteller dieselben, viel kritisierten Ansätze. Inner-
halb der Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger soll in sogenannten Grünen
Innovationszentren in insgesamt 14 Ländern die Kooperation mit Unternehmen
der Agrar- und Ernährungswirtschaft forciert werden. Die Oxfam-Studie „Böcke
zu Gärtnern“ konstatiert, es ließe sich nicht erkennen, inwieweit bei der Konzep-
tion und Umsetzung der Innovationszentren auf Kritik, die bereits anlässlich der
GFP geäußert wurde, seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung reagiert wird bzw. dieser Rechnung getragen wird.
Mit Sachstand vom Mai 2016 existiert bisher nur im Grünen Innovationszentrum
Indien ein Vertrag mit einem Kooperationspartner aus der Privatwirtschaft. Die-
ser Partner ist die Firma Bayer CropScience.
Bayer CropScience sieht sich derzeit u. a. Vorwürfen fehlerhafter Kennzeichnung
des giftigen Pestizids Nativo 75 WG ausgesetzt (http://info.brot-fuer-die-welt.de/
blog/pestizide-bayer-syngenta-gefaehrden-zehntausende). Warnungen zu Gesund-
heits- und Umweltrisiken fehlen. Die Verbraucher werden auch nicht über mög-
liche Schutzmaßnahmen für Haut und Augen informiert. Besonders besorgniser-
regend ist dabei, dass die giftigen Chemikalien während der Schwangerschaft und
mit der Muttermilch auf die folgende Generation übertragen werden können.

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Es steht zu befürchten, dass es durch das Projekt in Indien erneut zu negativen
Auswirkungen für Produzentinnen und Produzenten, auf deren Umwelt, Gesund-
heit sowie ökonomische und soziale Verhältnisse kommt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Ziele wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen Bayer

CropScience und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammen-
arbeit (GIZ) GmbH für die Kooperation im Rahmen des Grünen Innovati-
onszentrums Indien vertraglich vereinbart?
a) Inwiefern lassen sich die entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregie-

rung mit den unternehmerischen Zielen von Bayer CropScience in Indien
vereinbaren (bitte begründen)?

b) Mit welchen konzeptionellen Ansätzen sollen die vereinbarten Ziele er-
reicht werden?

c) Wurden neben Bayer CropScience alternative Projektpartner in Erwä-
gung gezogen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, weshalb nicht?

2. Welche Kleinbauernorganisationen oder Organisationen der Zivilgesell-
schaft wurden und werden nach Kenntnis der Bundesregierung in die Pro-
jektentwicklung, -konzeption und -durchführung eingebunden?
a) Welche indischen Organisationen wurden konsultiert?

Inwiefern sind diese Organisationen weiterhin in die Durchführung ein-
gebunden?

b) Wenn keine indischen Organisationen konsultiert und dauerhaft einge-
bunden wurden, wieso nicht?
Inwieweit kann die Bundesregierung begründen, dass den lokalen Belan-
gen dennoch Vorrang gegenüber den unternehmerischen Interessen des
Kooperationspartners eingeräumt wird?

3. Welche Dauer ist nach Kenntnis der Bundesregierung für die Kooperation
zwischen Bayer CropScience und der GIZ im Rahmen des Grünen Innovati-
onszentrums Indien vorgesehen?
a) Wie ist sichergestellt, dass nach Kooperationsende ein entwicklungspoli-

tischer Mehrwert geschaffen und vor allem erhalten wird?
b) Wie ist sichergestellt, dass die Kooperation nicht zu einer marktbeherr-

schenden Position von Bayer CropScience in dem Projektgebiet führt, die
sich bspw. in Form von ökonomischen Abhängigkeiten von Produzentin-
nen und Produzenten negativ auswirkt?

4. Welche finanziellen, materiellen, personellen oder sonstigen Beiträge leisten
nach Kenntnis der Bundesregierung Bayer CropScience und die GIZ im Rah-
men des Grünen Innovationszentrums Indien?
a) Welche dieser Beiträge werden von Bayer CropScience erbracht?
b) Welche dieser Beiträge werden von der GIZ erbracht?

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5. Wurden oder werden nach Kenntnis der Bundesregierung Schulungsmaß-
nahmen, Besprechungen und Veranstaltungen im Rahmen des Grünen Inno-
vationszentrums in Indien durchgeführt?
Wenn ja,
a) Wer konzipiert diese Schulungsmaßnahmen, Besprechungen und Veran-

staltung?
b) Wer führt diese Schulungsmaßnahmen, Besprechungen und Veranstal-

tungen durch?
c) Wie wurde die Zielgruppe für diese Schulungsmaßnahmen, Besprechun-

gen und Veranstaltungen identifiziert?
d) Inwieweit waren und sind die lokale Zivilgesellschaft und Kleinbauern-

organisationen an der Konzeption, Durchführung und bei der Identifizie-
rung relevanter Zielgruppen beteiligt?

e) Ist festgelegt, dass im Rahmen der Kooperation kein Product Placement
stattfindet?
Wenn ja, wie wird sichergestellt, dass diese Vereinbarung bei der Erstel-
lung der Schulungsmaterialien und der Durchführung der Schulungen ein-
gehalten wird?
Wenn nein, warum nicht?

6. Welche sozialen, ökologischen und entwicklungsorientierten Standards wur-
den nach Kenntnis der Bundesregierung als Grundlage der Kooperation ver-
traglich zwischen Bayer CropScience und der GIZ vereinbart?
a) Verständigten sich Bayer CropScience und die GIZ vertraglich auf rele-

vante, international anerkannte Normen und Richtlinien, um bspw. Kin-
derarbeit, der Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern, dem Einsatz
toxischer Substanzen und dem unsachgemäßen, gesundheitsschädlichen
Einsatz von Pestiziden vorzubeugen?

b) Inwiefern sind die ILO-Kernarbeitsnormen (ILO: International Labour
Organization) Bestandteil des Kooperationsvertrags?
Wenn nein, weshalb nicht?

c) Inwiefern ist der FAO-Verhaltenskodex (FAO: Food and Agriculture Or-
ganization of the United Nations) zum Pestizidmanagement Teil des Ko-
operationsvertrags?
Wenn nein, weshalb nicht?

d) Inwiefern wird der Einsatz von Pestiziden, die auf der Liste von PAN In-
ternational (PAN: Pesticide Action Network; List of Highly Hazardous
Pesticides) aufgeführt sind, ausgeschlossen?

e) Wie wird die Einhaltung der vereinbarten Standards durch die Kooperati-
onspartner aber auch durch die am Projekt beteiligten Produzentinnen und
Produzenten und Anwenderinnen und Anwender überprüft?

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7. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass Produzentin-
nen und Produzenten und Anwenderinnen und Anwender im Rahmen des
Projekts über Gefahren und Risiken im Umgang mit Pestiziden aufgeklärt
werden?
a) Wie wird vor Ort für geeignete Lagerungsmöglichkeiten gesorgt?
b) Wie wird für eine sichere Entsorgung von Pestizidresten und Verpackun-

gen gesorgt?
c) Wie wird für die Verfügbarkeit von angemessenen Schutzmaßnahmen

(bspw. Kleidung) in ausreichender Zahl und zu erschwinglichen Preisen
gesorgt?

d) Sind alle Informationen und Schulungen zur Lagerung, Anwendung und
Verwendung von Pestiziden und Düngemitteln sowie zu deren Gesund-
heitsrisiken und Gefahren in lokaler Sprache verfügbar?

e) Wie wird die geeignete Lagerung, Entsorgung und Verwendung von Pes-
tiziden, die Aufklärung über Gesundheitsrisiken und Gefahren sowie de-
ren Verfügbarkeit in lokaler Sprache in der Praxis kontrolliert?

f) Welche Fungizide werden den Bauern und Bäuerinnen von Bayer
CropScience empfohlen (bitte alle namentlich aufführen)?

8. Wie und wie oft werden Erfolg bzw. Misserfolg des Kooperationsprojekts
kontrolliert, und werden diese Evaluierungsberichte den Mitgliedern des
Deutschen Bundestages zugänglich gemacht?
Wenn ja, wann werden die Evaluierungsberichte den Mitgliedern des Deut-
schen Bundestages zugänglich gemacht?

9. Welche Reichweite hat/haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Wet-
terstation/die Wetterstationen und die darauf aufbauenden Empfehlungen im
Rahmen des Integrated Pest Management (bitte Distanz angeben)?
a) Wer betreibt und besitzt diese Wetterstation/Wetterstationen?
b) An wen werden die Wetterdaten versandt, die von der Wetterstation erho-

ben werden?
c) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Produzentinnen und Pro-

duzenten die Erkenntnisse der Wetterstation tatsächlich unentgeltlich nut-
zen können?

d) Wie stellt die Bundesregierung dies auch für die Zeit nach dem Ende des
Projekts sicher?

e) Welche weiteren Daten liefert die Wetterstation/liefern die Wetterstatio-
nen außer einer Datenbasis für Empfehlungen im Rahmen des Integrated
Pest Management, und wie werden diese den Produzentinnen und Produ-
zenten zugänglich gemacht?

10. Wie viele der Produzentinnen und Produzenten im Projektgebiet werden
vom Kooperationsprojekt nach Kenntnis der Bundesregierung profitieren
(bitte den prozentualen Teil der Betriebe angeben)?
a) Welche Art von Landwirtschaft betrieben die Produzentinnen und Produ-

zenten im Projektgebiet bisher?
b) Welche Pestizide wurden bisher im Projektgebiet vor allem angewandt

(bitte angeben)?
c) Inwieweit unterscheiden sich die im Rahmen des Projekts geschulten Pro-

duktionsweisen von den bisherigen?
d) Inwiefern sollen die beteiligten Produzentinnen und Produzenten auch

hinsichtlich neuer Vermarktungsformen geschult werden?

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e) Inwieweit werden auch gezielt Subsistenzlandwirtinnen und -landwirte
als Zielgruppe angesprochen?

11. Betreibt Bayer CropScience nach Kenntnis der Bundesregierung im Projekt-
gebiet weitere Projekte (bspw. Testzentren für Saatgut, Düngemittel und Pes-
tizide)?
a) Inwieweit ist sichergestellt, dass Vertragshändler von Bayer CropScience

nach dem FAO-Verhaltenskodex zum Pestizidmanagement geschult wur-
den?

b) Inwieweit ist sichergestellt, dass Vertragshändler von Bayer CropScience
im Projektgebiet notwendige Schutzkleidung in ausreichender Zahl und
zu erschwinglichen Preisen anbieten?

12. Welche Anbauempfehlungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung an
die beteiligten Landwirtinnen und Landwirte im Rahmen des Projekts gege-
ben?
Wird insbesondere sichergestellt, dass
a) lokal angepasste Sorten verwendet werden (bitte angeben, welche Sorten

empfohlen werden),
b) Methoden des nichtchemischen Pflanzenschutzes ebenfalls vermittelt

werden (bitte angeben, welche Methoden empfohlen werden),
c) Methoden zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit vermittelt werden (bitte

angeben, welche Methoden empfohlen werden)?
13. Wird den beteiligten Bäuerinnen und Bauern nach Kenntnis der Bundesre-

gierung durch Schulungsmaterial oder Schulungen vermittelt, dass der Ein-
satz von Pestiziden und synthetischem Dünger notwendig ist für höhere Er-
träge, und wird den Produzentinnen und Produzenten zur Nutzung von Pes-
tiziden und Düngern zugeraten?
Wenn das Schulungsmaterial bzw. die Inhalte der Schulungen noch nicht
vorliegen, wie wird sichergestellt, dass nichtchemischer Pflanzenschutz und
Maßnahmen zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit als gleichwertige Alter-
nativen dargestellt werden?

14. Inwieweit wird nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Schulungen auf
Herausforderungen und Risiken beim Anbau von modernen Hochleistungs-
sorten in Bezug auf Wasserbedarf, höhere Inputkosten bei Saatgut und Pes-
tizidbedarf und daraus resultierendes höheres Verschuldungsrisiko etc. hin-
gewiesen?

15. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber den Bäuerinnen und
Bauern Aussagen zu gentechnisch veränderten Sorten getroffen, und wenn
ja, welche?

16. Gibt es über die Kooperation im Rahmen des Grünen Innovationszentrums
hinaus weitere Kooperationen der GIZ oder der Bundesregierung mit Bayer
CropScience in Indien (falls ja, bitte alle Vorhaben mit Zielen und Finanzie-
rung aufführen)?

Berlin, den 22. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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