BT-Drucksache 18/9375

Stand der Überlegungen und Berechnungen hinsichtlich einer Bundesfernstraßengesellschaft

Vom 9. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9375
18. Wahlperiode 09.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Sabine Leidig, Klaus Ernst, Caren Lay,
Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter, Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner,
Jutta Krellmann, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Stand der Überlegungen und Berechnungen hinsichtlich einer
Bundesfernstraßengesellschaft

Die Bundesregierung plant nach eigenen Angaben, eine zentrale Bundesfernstra-
ßengesellschaft einzurichten. Bislang wurde angekündigt, dass diese Bundesfern-
straßengesellschaft sich vollständig in öffentlicher Hand befinden soll (vgl. Be-
richt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Reform
der Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen vom 11. Dezember
2015 und Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Bundesfernstraßengesellschaft auf Bundes-
tagsdrucksache 18/8786 vom 13. Juni 2016). Eine starke Einflussnahme privater
Anleger und Unternehmen ist dennoch denkbar, zudem je nach Grundgesetzän-
derung und gewähltem Modell eine künftige (Teil-)Privatisierung (formell wie
materiell) oder anderweitige Einbindung privater Kapitalgeber nicht ausgeschlos-
sen wurde. Bei vergangenen materiellen Privatisierungen (Deutsche Post AG,
Telekom Deutschland GmbH) sowie formellen Privatisierungen (Deutsche Bahn
AG) ist der Bund erhebliche Zahlungsverpflichtungen eingegangen, von denen
die neu gegründeten Gesellschaften – auch bei Personalübernahme – freigestellt
wurden. Damit wurden im Fall der Telekom auch die späteren Eigentümer von
solchen Pensionsverpflichtungen freigestellt. Bereits im Zwischenbericht der Bo-
dewig-II-Kommission weisen die Autoren im Zusammenhang mit den Vorschlä-
gen der Bundesregierung auf diesen Zusammenhang hin: „Die länderseitigen Per-
sonalaufwendungen müssten inklusive der Pensionsverpflichtungen geregelt wer-
den.“
Im Szenarienbericht der Bodewig-II-Kommission sehen die Autoren bei der Re-
alisierung einer Bundesautobahngesellschaft eine „[g]gf. notwendige Gründung
einer Bundesanstalt für die Abwicklung dienstrechtlicher Verhältnisse“ vor.
„Hierzu zählen dann auch die damit verbundenen umfangreichen Rückstellungen
für Pensionen und Beihilfeleistungen.“ Der voraussichtliche Regelungsumfang
wird dort wie folgt beschrieben: „Darüber hinaus bedarf es der Regelung der
dienstrechtlichen Angelegenheiten für die aus der Länderauftragsverwaltung in
eine Bundesautobahngesellschaft übernommenen Beschäftigten. Anzustreben
wäre eine Bundesanstalt (in Anlehnung an Artikel 143b, Absatz 3 Grundgesetz),
die dann beispielsweise die Beihilfe- und Pensionszahlungen übernehmen und die
Beschäftigten der ‚Bundesautobahngesellschaft‘ überlassen würde. Die daraus
entstehenden und die der Auftragsverwaltung der Länder zuzuordnenden Kosten
müssten in einer gesonderten Regelung (etwa Staatsvertrag oder vergleichbarer

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Regelung) dem Bund übertragen werden. Insgesamt können alle aus der Perso-
nalübernahme begründeten Konsequenzen (Pensionsrückstellungen, Rekrutie-
rungskosten für neues Personal, Ausgleichzahlungen[,] weitere arbeitsrechtliche
Konsequenzen u. [Ä].) allerdings erst nach Vorlage konkreterer Umsetzungs-
pläne durch den Bund abschließend beurteilt werden.“
Allein die finanziellen Auswirkungen für die Steuerzahlenden bei einer Übertra-
gung auf den Bund bzw. bei einer Teilprivatisierung infolge der Veränderungen
bei den Gehältern und den Pensionszahlungen werden voraussichtlich erheblich
sein. Für seriöse Planungen einer Bundesfernstraßengesellschaft sind sie daher
nach Auffassung der Fragesteller zu quantifizieren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Beschäftigte aktuell in den Auf-

tragsverwaltungen der Länder für Bundesfernstraßen tätig sind?
Wenn ja, wie viele sind es (bei Teilzeitstellen und nur anteiliger Tätigkeit für
Bundesfernstraßen umgerechnet auf Vollzeitäquivalente)?

2. Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch die jährlichen Zahlungen an diese
Gruppe für Löhne, Gehälter, Beamtenbezüge inklusive aller Gehaltsbestand-
teile, Beihilfen und Lohnnebenkosten insgesamt sind?
Wenn ja, wie hoch sind die Zahlungen (Genauigkeit ± 10 Mio. Euro ist aus-
reichend)?

3. Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch die Zahlungen der Länder für
Pensionen, Renten und Zahlungen an Witwen und Waisen an Bezugsemp-
fänger aus dieser Gruppe derzeit jährlich sind?
Wenn ja, wie hoch sind die Zahlungen (Genauigkeit ± 10 Mio. Euro ist aus-
reichend)?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch die Zahlungen der Länder für
Pensionen, Renten und Zahlungen an Witwen und Waisen an Bezugsemp-
fänger aus dieser Gruppe bis zum Jahr 2075 zu veranschlagen sind?
Wenn ja, wie hoch sind die Zahlungen (Genauigkeit ± 5 Mrd. Euro ist aus-
reichend)?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe die Länder Rückstellun-
gen für solche Zahlungen gebildet haben?
Wenn ja, wie hoch sind die Rückstellungen (Genauigkeit ± 5 Mrd. Euro ist
ausreichend)?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, auf welche Höhe die Bundesländer die
Kosten für Mehraufwand und Synergieverlust (wie z. B. die Einschränkung
der Möglichkeiten, Betriebsdienste gleichmäßig über das Jahr auszulasten)
für die Verwaltung des nachrangigen Netzes (Landstraßen, Kreisstraßen)
veranschlagen, wenn die Verwaltung der Bundesfernstraßen abgetrennt
wird?
Wenn ja, wie hoch sind diese Kosten insgesamt sowie gegliedert nach
a) einmaligen Kosten für die Länder durch den Verwaltungsumbau, die Zu-

sammenlegung von Einheiten, den Umbau oder Zukauf von Gebäuden,
Fahrzeugen und Geräten etc. und

b) dauerhaften jährlichen Kosten durch Synergieverlust und ungleiche Aus-
lastung?

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7. Ist der Bundesregierung bekannt, welche jährlichen Mehrkosten in der
Summe der Ausgaben von Bund und Ländern entstehen, wenn im Zuge der
Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft Landesbeschäftigte und -be-
amte zum Bund wechseln?
Wenn ja, wie hoch sind die Mehrkosten (Genauigkeit ± 10 Mio. Euro ist
ausreichend)?

8. Wie viele Beschäftigte arbeiten aktuell im Bundesministerium für Verkehr
und digitale Infrastruktur (BMVI) und nach Kenntnis der Bundesregierung
bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH (VIFG) sowie
bei der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES),
die für Bundesfernstraßen zuständig sind (bei Teilzeitstellen und nur anteili-
ger Tätigkeit für Bundesfernstraßen umgerechnet auf Vollzeitäquivalente)?

9. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen Zahlungen
an diese Gruppe für Löhne, Gehälter, Beamtenbezüge inklusive aller Ge-
haltsbestandteile, Beihilfen und Lohnnebenkosten?

10. Wie hoch werden die Zahlungen des Bundes für Pensionen, Renten und Zah-
lungen an Witwen und Waisen an Bezugsempfänger aus dieser Gruppe bis
zum Jahr 2075 sein?

11. Hat die Bundesregierung ihre Vorstellungen für eine Reform der Auftrags-
verwaltung im Bundesfernstraßenbau in die Verhandlungen zum Bund-Län-
der-Finanzausgleich eingebracht?
Wenn ja, welche Forderungen hat sie diesbezüglich dort erhoben?
Welchen finanziellen Gegenwert hat sie ihrer Forderung beigemessen (Erhö-
hung/Reduktion der jährlichen Ausgleichszahlungen bzw. geldwerter Ver-
zicht auf Einnahmen zugunsten der Länder oder des Bundes)?

12. Hat die Bundesregierung den Ländern seit dem 1. Januar 2016 Dokumente
zu einer Reform der Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau überge-
ben?
Wenn ja, welchen Titel, Autor und Inhalt haben diese Dokumente?

13. Hat die Bundesregierung für die Ausarbeitung ihrer Vorstellungen einer Re-
form der Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau oder ihrer Forderun-
gen an die Länder im Bund-Länder-Finanzausgleich externe Gutachten aus-
geschrieben oder beauftragt?
Wenn ja, welchen Titel, Autor und Inhalt haben diese Dokumente?

14. Wird die Bundesregierung ihre Vorstellungen für eine Reform der Auftrags-
verwaltung im Bundesfernstraßenbau weiterhin in die Verhandlungen zum
Bund-Länder-Finanzausgleich einbringen?
Wenn ja, welche Forderungen wird sie diesbezüglich dort erheben?
Welchen finanziellen Gegenwert misst sie ihrer Forderung bei (Erhöhung/
Reduktion von jährlichen Ausgleichszahlungen bzw. geldwerter Verzicht auf
Einnahmen zugunsten der Länder oder des Bundes)?

15. Welche Vorstellungen bzw. Leitlinien hat die Bundesregierung von der not-
wendigen Grundgesetzänderung als Voraussetzung für eine Bundesfernstra-
ßengesellschaft?

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16. Wäre auch nach der geplanten Grundgesetzänderung eine zukünftige formale
oder gar materielle (Teil-)Privatisierung der Bundesfernstraßengesellschaft
bzw. der Fernstraßen ausgeschlossen, bzw. mit welcher Formulierung der
Grundgesetzänderung plant die Bundesregierung die Ankündigung, dass die
Fernstraßen in öffentlicher Hand verbleiben sollen, zu garantieren?

Berlin, den 9. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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