BT-Drucksache 18/9364

Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU

Vom 2. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9364
18. Wahlperiode 02.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Doris Wagner, Agnieszka Brugger, Dr. Tobias Lindner,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Cem Özdemir,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäi-
schen Union (EU) hat in den vergangenen Monaten eine bemerkenswerte Neu-
bewertung erfahren: Lange Jahre galt die GSVP als Politikfeld, in dem eine eu-
ropäische Zusammenarbeit oder gar Integration an unüberwindbare Grenzen
stößt. Doch inzwischen betrachten viele Politikerinnen und Politiker, Expertinnen
und Experten Integrationsfortschritte gerade in der GSVP als die größte Chance,
die vielfach diagnostizierte Krise der EU zu überwinden. Sowohl die Global Stra-
tegy der EU, die die Hohe Vertreterin Federica Mogherini dem Europäischen Rat
Ende Juni 2016 vorgestellt hat (https://europa.eu/globalstrategy/en) als auch das
Positionspapier, das der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc
Ayrault am 26. Juni 2016 veröffentlichte (www.auswaertiges-amt.de/DE/
Europa/Aktuell/160624-BM-AM-FRA_ST.html) fordern eine Vertiefung der Zu-
sammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, um Legiti-
mität und Ansehen der EU in der Bevölkerung zu erhöhen. Auch in ihrem am 13.
Juli 2016 veröffentlichten Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der
Bundeswehr bekennt sich die Bundesregierung zu einer Weiterentwicklung der
GSVP hin zu einer „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion“.
Unklar bleibt nach Auffassung der Fragesteller in allen genannten Strategiepapie-
ren, welche konkreten Schritte dazu führen sollen, die seit Jahren stetig wieder-
holten Forderungen nach einer engeren Kooperation im Verteidigungsbereich
auch tatsächlich mit Leben zu erfüllen. Ebenso unklar bleibt, ob neben der ge-
planten Intensivierung der Zusammenarbeit im militärischen Bereich auch eine
Verstärkung der Strukturen und Instrumente im Bereich der zivilen Säule der
GSVP vorgesehen ist, und wenn ja, mit welchen konkreten Maßnahmen diese
erreicht werden soll.

Drucksache 18/9364 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Die am 28. Juni 2016 durch die Hohe Vertreterin der EU vorgestellte Global
Strategy ruft (auf Seite 51) dazu auf, sektorale Strategien zu erneuern bzw.
neue zu entwickeln – gibt es demnach konkrete Pläne, eine vertiefende
EU-Teilstrategie auch für den Bereich der zivilen Krisenprävention und des
zivilen Konfliktmanagements zu erarbeiten?
a) Wenn nein, hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, dass eine sol-

che „zivile Teilstrategie“ in das EU-Arbeitsprogramm für die nächsten
Monate aufgenommen wird, und weshalb hat sie sich mit diesem Vor-
schlag nicht durchsetzen können?

b) Wenn ja, wer wird die Bundesregierung bei der Erarbeitung der Strategie
vertreten, und mit welchen konkreten Vorschlägen will sich die Bundes-
regierung einbringen?

2. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung „stärkere und
flexiblere Fähigkeiten zur Krisenvorsorge und Krisenbewältigung“ schaffen,
die die EU – laut dem Positionspapier vom 26. Juni 2016 von Bundesaußen-
minister Dr. Frank-Walter Steinmeier und seinem französischen Amtskolle-
gen Jean-Marc Ayrault – benötigt?
a) Durch welche neuen Strukturen, Instrumente oder Finanzquellen soll die

EU konkret in die Lage versetzt werden, „noch intensiver als bisher dabei
[zu] helfen, die staatlichen Strukturen ihrer Partner und Nachbarstaaten
aufzubauen und zu entwickeln“, und welcher Teil der „staatlichen Struk-
turen“ ist hierbei konkret gemeint (Positionspapier vom 26. Juni 2016)?

b) Will sich die Bundesregierung hierbei konkret für eine personelle Ver-
stärkung der zivilen Planungsstrukturen im Europäischen Auswärtigen
Dienst einsetzen?

c) Will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, die personelle Ausstattung
der zivilen Missionen der EU zu verbessern, und wenn ja, auf welche
Weise?

d) Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, eine dem deutschen
Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) vergleichbare Institu-
tion auf europäischer Ebene einzurichten, um die Rekrutierung und Schu-
lung geeigneten zivilen Personals auch aus solchen Mitgliedstaaten zu ge-
währleisten, die sich entsprechende eigene Rekrutierungsstrukturen nicht
leisten können oder wollen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die geplante bzw. sich im Gang befindli-
che Neustrukturierung der Abteilungen Common Security and Defence Po-
licy (CSDP)/Security Policy and Conflict Prevention (SECPOL)/Intelligence
Analysis Centre (INTCEN) und Crisis Management and Planning Directo-
rate (CMPD) im Europäischen Auswärtigen Dienst?

4. Über welche Informationen zu Hintergründen und zur Zielsetzung der ge-
nannten Umstrukturierung verfügt die Bundesregierung?

5. Auf welche Weise wollen die Bundesregierung und die französische Regie-
rung „gemeinsame Finanzierungen ihrer Operationen [im Rahmen der
GSVP] erleichtern“ (Positionspapier vom 26. Juni 2016), nachdem die letzte
Überprüfung des Athena-Mechanismus in dieser Frage keinen greifbaren
Fortschritt erbracht hat?

6. Welche Aufgaben sollen die von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter
Steinmeier und seinem französischen Amtskollegen geforderten „stän-
digen maritimen Einsatzverbände“ erfüllen, und welchen Umfang sollten
diese Verbände nach Ansicht der Bundesregierung haben?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9364
7. Welchen materiellen und personellen Beitrag soll die Bundeswehr hierbei
leisten?

8. Welche Rolle ist den „ständigen maritimen Einsatzverbänden“ beim Aufbau
des ebenfalls im Positionspapier vom 26. Juni 2016 avisierten „multinatio-
nalen Grenz- und Küstenschutz[es]“ der EU zugedacht?

9. In welchen „anderen Schlüsselbereichen“ jenseits ständiger maritimer Ein-
satzverbände sollte die EU nach Ansicht der Bundesregierung weitere EU-
eigene Fähigkeiten schaffen (Positionspapier vom 26. Juni 2016)?

10. Käme hierbei für die Bundesregierung auch eine Verstetigung der bisher ro-
tierend gestellten EU-Battlegroups in Betracht?
Wenn ja, welche Rolle sollte die Bundeswehr nach Ansicht der Bundesregie-
rung in einer solchen ständigen Battlegroup spielen?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die von den beiden Außen-
ministern Dr. Frank-Walter Steinmeier und Jean-Marc Ayrault befürwortete
„Einrichtung eines europäischen Forschungsprogramms im Verteidigungs-
bereich“ im Widerspruch steht zu Artikel 41 Absatz 2 des Vertrags über die
Europäische Union – und falls nein, warum nicht?

12. Worin unterscheidet sich die von der Bundesregierung in die EU einge-
brachte Initiative zur militärischen Ertüchtigung von Partnerstaaten (Jana
Puglierin/Sebastian Feyock/Yvonne van Diepen: Ertüchtigen statt wegsehen,
in: Internationale Politik, 2/2014, S. 60 bis 65) von der Capacity-Building-
Initiative, die die NATO beim Gipfel in Wales im September 2014 beschlos-
sen hat (vgl. Nummer 89 der Schlussfolgerungen des NATO-Gipfels in Wa-
les vom 4. bis 5. September 2014), und aus welchen Gründen sollte neben
der NATO auch die EU zur Ertüchtigung von Partnerstaaten beitragen, ob-
wohl dies unter Umständen zu einer kostspieligen Duplizierung von Maß-
nahmen führt?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Finanzierung der militä-
rischen Ertüchtigung von Partnerstaaten im Widerspruch steht zu Artikel 41
Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, und wenn nein, warum
nicht?

14. Aus welchem Kapitel des EU-Haushalts bzw. aus welchem Finanzierungs-
instrument der EU sollte die militärische Ertüchtigung von Partnerstaaten
nach Ansicht der Bundesregierung finanziert werden?

15. Welche Mitgliedstaaten der EU erfüllen nach Kenntnis der Bundesregierung
die Voraussetzungen zur Teilnahme an der Ständigen Strukturierten Zusam-
menarbeit nach Artikel 1 Buchstabe b des Protokolls Nr. 10 über die Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit nach Artikel 42 des Vertrags über die Europä-
ische Union (bitte auflisten)?

16. Warum hat die Bundesregierung bisher darauf verzichtet, das so genannte
Framework Nations Concept, das die Bundesregierung erfolgreich in die
NATO eingebracht hat (vgl. Nummer 67 der Schlussfolgerungen des NATO-
Gipfels in Wales vom 4. bis 5. September 2014), auch als Konzept für eine
intensivierte Zusammenarbeit innerhalb der EU vorzuschlagen?

Berlin, den 1. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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