BT-Drucksache 18/9225

Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im deutschen Luftverkehr

Vom 14. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9225
18. Wahlperiode 14.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Herbert Behrens, Caren Lay,
Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Jutta Krellmann, Thomas Nord,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Axel Troost, Hubertus Zdebel und der
Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im deutschen Luftverkehr

Europas Luftverkehr wächst im Billigsegment (www.handelsblatt.com/unternehmen/
handel-konsumgueter/eurowings-ryanair-easyjet-der-siegeszug-der-billig-airlines-
geht-weiter/12573840.html). Die Eurowings Europe GmbH, eine Tochtergesell-
schaft der Deutschen Lufthansa AG, soll am 29. Juni 2016 ihren Betrieb aufneh-
men. Laut Lufthansa-Vorstand K. U. G., soll die Eurowings Europe GmbH im
Wettbewerb mit anderen Billigfluggesellschaften konkurrieren (www.capital.
de/dasmagazin/eurowings-eifert-ryanair-nach.html). Mehrere Gewerkschaften
beschuldigen die Deutsche Lufthansa AG, dass durch die Neugründung der Toch-
tergesellschaft in Österreich Tarifflucht und Lohndumping betrieben werden sollen
(www.zdf.de/frontal-21/lufthansa-umfliegt-tarifrecht-sparkurs-bei-billigableger-
eurowings-europe-42014054.html). J. Sch., verantwortlich für Luftverkehr in der
österreichischen Gewerkschaft vida, kritisiert, es würden „Profitsteigerungen auf
Kosten von Arbeitnehmerrechten bis hin zur prekären Beschäftigung“ angestrebt
(ebd.). Der Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit e. V., M. W.,
sieht Qualitäts- und Sicherheitsstandards in Gefahr (ebd.). Der Wettbewerb im
Billigsegment des europäischen Luftverkehrs ist intensiv. Die europäische Pilo-
tenvereinigung ECA kritisiert, dass junge Piloten künftig fast ausschließlich Be-
schäftigungen bei Billigflug-Airlines zu ungesicherten Bedingungen finden wer-
den (www.airliners.de/europaeische-pilotenvereinigung-veraenderungsprozess/
35522). Laut der Vereinigung Cockpit e. V. sind Scheinselbstständigkeit und
Leiharbeit die am häufigsten angewandten Methoden von Fluggesellschaften, um
Lohnnebenkosten zu drücken. Laut der Vereinigung Cockpit e. V. könne das auch
Auswirkungen auf die Flugsicherheit haben (ebd.). Diese Einschätzung wird durch
eine Studie der Universität Gent aus dem Jahr 2015 untermauert. Laut der Stu-
die gaben gerade atypisch in sogenannten „Pay-to-Fly“-Modellen beschäftigte
Pilotinnen und Piloten an, Entscheidungen zur Flugsicherheit in nicht ausrei-
chendem Maß selbstständig treffen zu können (www.vcockpit.de/fileadmin/
dokumente/themen/faire_Arbeitsbedingungen/atypische-Besch%C3%A4ftigung-
Luftfahrt.pdf).

Drucksache 18/9225 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Für welche Berufsgruppen will die neu gegründete Industriegewerkschaft

Luftverkehr e. V. (IGL) nach Kenntnis der Bundesregierung Tarifverhand-
lungen führen?

2. Will die IGL nach Kenntnis der Bundesregierung zukünftig auch Tarifver-
handlungen für Berufsgruppen führen, die bislang oder auch weiterhin von
anderen Gewerkschaften vertreten werden?
Wenn ja, um welche Berufsgruppen und Gewerkschaften handelt es sich?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gründung der IGL vor dem Hinter-
grund des Tarifeinheitsgesetzes?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2015, dass die Einwände der
Spartengewerkschaften Marburger Bund – Verband der angestellten und be-
amteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e. V., Vereinigung Cockpit e. V.
und des Deutschen Journalisten-Verbandes e. V. prinzipiell ihre Berechtigung
hätten (www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gesetz-zur-tarifeinheit-fingerzeig-
aus-karlsruhe.e8d1b875-dbb1-47d4-a134-d919928b20bd.html) und es sich
sogar vorbehalte, von Amts wegen eine einstweilige Anordnung zum Stopp
des Gesetzes zu erlassen (www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-beschluss-
1bvr157115-eilantrag-scheitert-tarifeinheitsgesetz-gewerkschaften/)?

5. Wie oft wurde in der Vergangenheit nach Kenntnis der Bundesregierung das
Bundesverfassungsgericht von Amts wegen gegen ein Gesetz tätig?
Welche Schlüsse und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

6. Hält die Bundesregierung das Gesetz angesichts des Urteils des Bundesver-
fassungsgerichtes immer noch für verfassungskonform (vgl. Plenarproto-
koll 18/107, S. 10229 B zur zweiten und dritten Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Tarifeinheit – Ta-
rifeinheitsgesetz)?

7. Würde sich die Bundesregierung der Feststellung des Bundesverfassungsge-
richtes anschließen, dass Berufsgewerkschaften gegenüber Branchenge-
werkschaften in einzelnen Fällen durch das Tarifeinheitsgesetz „durchaus
gewichtige Nachteile“ (www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/
Pressemitteilungen/DE/2015/bvg15-073.html) erfahren haben?
Welche Schlüsse und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

8. Welche solcher Fälle, in denen Berufsgewerkschaften gegenüber Branchen-
gewerkschaften Nachteile erfahren haben, sind der Bundesregierung be-
kannt?

9. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen der
Studie der Universität Gent aus dem Jahr 2015, die vor einer Beeinträchtigung
der Flugsicherheit warnt, weil sich Pilotinnen und Piloten in atypischer Be-
schäftigung durch die ökonomischen Interessen der Arbeitgeber in ihren Ent-
scheidungen bezüglich der Flugsicherheit eingeschränkt sehen (vgl. Jorens
et al., 2015: Atypical Employment in Aviation, Final Report, online unter:
www.vcockpit.de/fileadmin/dokumente/themen/faire_Arbeitsbedingungen/
AtypicalEmployment-Study_UniGhent_2015.pdf)?

10. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil von atypisch
Beschäftigten Airline-Mitarbeitern und Flugzeugbesatzungen in Europa, und
um welche atypischen Beschäftigungsformen handelt es sich dabei (bitte
nach Alter und Beschäftigungsform aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9225
 

11. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil atypisch Be-
schäftigter bei den in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Piloten
und Besatzungsmitgliedern?

12. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil atypischer Be-
schäftigungen bei deutschen und bei in Europa fliegenden Piloten und Besat-
zungsmitgliedern seit dem Jahr 1995 entwickelt?

13. Wie viele Berufspiloten und wie viele Besatzungsmitglieder sind nach
Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland selbstständig (bitte wenn
möglich nach Alter, Art der Beschäftigung und Geschäftsmodell differenzie-
ren)?
Wie viele sind es nach Kenntnis der Bundesregierung in Europa?

14. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Selbststän-
digen bei europäischen und wie hoch bei in der Bundesrepublik Deutschland
agierenden Billig-Airlines?

15. Würde sich die Bundesregierung der Einschätzung der von der Europäischen
Kommission in Auftrag gegebenen Studie der Universität Gent aus dem Jahr
2015 (vgl. Jorens et al., 2015: Atypical Employment in Aviation, Final Re-
port, online unter: www.vcockpit.de/fileadmin/dokumente/themen/faire_
Arbeitsbedingungen/AtypicalEmployment-Study_UniGhent_2015.pdf) an-
schließen, dass es sich bei der Selbstständigkeit von Piloten häufig um
Scheinselbstständigkeiten handelt (ebd., S.20)?
Wenn nein, warum nicht?

16. Wie viele Berufspiloten und wie viele Besatzungsmitglieder sind nach
Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland befristet beschäftigt?

Wie viele sind es nach Kenntnis der Bundesregierung in Europa?
17. Wie viele Berufspiloten und wie viele Besatzungsmitglieder sind nach

Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland über eine Zeitarbeitsfirma bei
einer in der Bundesrepublik Deutschland agierenden Airline beschäftigt?

Wie viele sind es nach Kenntnis der Bundesregierung in Europa?
18. Wie viele Berufspiloten und wie viele Besatzungsmitglieder sind nach

Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland als Werkvertragsnehmerinnen
und Werkvertragsnehmer beschäftigt (falls keine aktuellen Zahlen vorliegen,
bitte die letzten verfügbaren Zahlen angeben)?
Wie viele sind es nach Kenntnis der Bundesregierung in Europa?

19. Wie hoch war der in der deutschen und in der europäischen Luftfahrtbranche
im Jahr 2014 erwirtschaftete Gewinn pro Airline?

Berlin, den 14. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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