BT-Drucksache 18/9150

Deutschland als Führungsnation einer EU-Battlegroup

Vom 6. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9150
18. Wahlperiode 06.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Doris Wagner, Agnieszka Brugger, Dr. Tobias Lindner,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Cem Özdemir,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutschland als Führungsnation einer EU-Battlegroup

Am 1. Juli 2016 hat Deutschland als „lead nation“ die Führung einer EU-Battle-
group (EU-Battlegroup 2016-2) übernommen, der neben Einheiten der Bundes-
wehr auch Soldatinnen und Soldaten aus Österreich, Tschechien, den Niederlan-
den, Irland, Luxemburg und Kroatien angehören. In Vorbereitung auf die gemein-
same Bereitstellung des Verbandes haben die beteiligten Staaten im Frühjahr
2016 mehrere Übungen durchgeführt, an deren Ende die Zertifizierung der Battle-
group erfolgte. Das Bundeministerium der Verteidigung hat im Verteidigungsaus-
schuss des Deutschen Bundestages wiederholt eine stark eingeschränkte Einsatz-
bereitschaft, insbesondere der Hubschrauber der Bundeswehr, eingeräumt. Gleich-
zeitig klagt die Bundeswehr über fehlendes Personal, insbesondere im Bereich
Sanität und Technik. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit die Bundeswehr der
Aufgabe, eine Battlegroup zu führen, überhaupt gewachsen ist bzw. welche Kon-
sequenzen das intensive Engagement in der Battlegroup für die Bundeswehr und
die Beteiligung an Auslandseinsätzen sowie sonstigen Verpflichtungen nach sich
zieht. Unklar ist darüber hinaus, welche Bedeutung und Funktion die Bundesre-
gierung den EU-Battlegroups für die Weiterentwicklung einer Gemeinsamen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union beimisst.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Nach welchem konkreten Kriterienkatalog ist die Zertifizierung der EU-

Battlegroup 2016-2 erfolgt?
2. Wie und durch welche Stelle wurde dieser Kriterienkatalog entwickelt, und

was für mögliche Einsatzszenarien liegen diesem zugrunde?
3. Wie werden diese Kriterien operationalisiert (zwei Beispiele)?
4. Wer entscheidet, ob die Battlegroup die geforderten Standards für eine Zer-

tifizierung erfüllt?

Drucksache 18/9150 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

5. Falls diese Entscheidung allein oder in großen Teilen durch Angehörige der
Streitkräfte der „lead nation“, in diesem Falle also der Bundeswehr, erfolgt:
Stellt die Identität von Gutachter und zu begutachtender Streitkraft nach An-
sicht der Bundesregierung ein Problem dar?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, welche Alternativen gibt es zum System der Selbstzertifizie-

rung?
c) Welche Mechanismen gibt es, um die Zertifizierung zu überprüfen bzw.

zu kontrollieren?
6. a) Welche Rolle spielt die Europäische Union im Prozess der Zertifizierung?

b) Welche Rolle spielt die Europäische Verteidigungsagentur im Prozess der
Zertifizierung?

7. a) Gibt es einen Austausch unter den Mitgliedstaaten (auch über die Teil-
nehmer einer jeweiligen Battlegroup hinaus) zur Zertifizierung der Battle-
groups?

b) Werden bzw. wurden gemeinsame Standards und Prüfungsverfahren ent-
wickelt?

8. Ist es je vorgekommen, dass eine Battlegroup die Zertifizierung nicht erhal-
ten hat?
Falls ja, wann, und mit welchen Konsequenzen?

9. a) Welche Mängel wurden während der Zertifizierung der Battlegroup
2016-2 identifiziert (bitte auflisten)?

b) Wie viele der identifizierten Mängel konnten abgestellt werden, und wel-
che Mängel bleiben warum weiterhin bestehen?

10. Wie viele und welche Ausrüstungsbestandteile haben zum Zeitpunkt der Zer-
tifizierung gefehlt (bitte einzeln auflisten)?
a) Welche der fehlenden Ausrüstungsbestandteile werden von der Bundes-

regierung als notwendig eingestuft, um die Einsatzfähigkeit der Battle-
group zu gewährleisten?

b) Wie schnell ist ein Schließen der identifizierten Ausrüstungslücken mög-
lich?

11. Inwiefern unterscheidet sich die Zertifizierung einer EU-Battlegroup von der
eines Beitrages zur NATO Response Force?
Worin sind die Unterschiede begründet?

12. Wie viele Hubschrauber welches Musters des Kampfhubschrauberregiments 36
und der Transporthubschrauberregimenter 10 und 30 werden in die von
Deutschland geführte EU-Battlegroup 2016-2 eingebracht?
Wie viele dieser Hubschrauber sind derzeit einsatzbereit?

13. Wie viele Hubschrauber der genannten Muster werden im Rahmen der
EU-Battlegroup 2016-2 von welchen anderen Truppenteilen gestellt?

14. Stehen die für die Battlegroup gemeldeten NH 90 und UH Tiger während der
Dauer der Battlegroup auch für andere Aufträge zur Verfügung?
Wenn ja, wo, und mit welchem Auftrag werden die Hubschrauber einge-
setzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9150
 

15. Wie viele Maschinen beider Muster sind derzeit in der Bundeswehr insge-
samt einsatzbereit, und wie viele der einsatzbereiten Hubschrauber erfüllen
die Anforderungen, die im Rahmen der Battlegroup-Zertifizierung gestellt
werden?

16. Entstehen durch die Einbindung der NH90 und UH Tiger und dem entspre-
chend notwendigen Bodenpersonal in die EU-Battlegroup 2016-2 Engpässe
in der Wartung und Instandhaltung der zu Ausbildungs- und Übungszwecken
notwendigen Hubschrauber?

17. Wie viele Flugstunden muss ein Hubschrauberpilot oder eine -pilotin nach
Abschluss der Ausbildung regelmäßig ableisten, um die Musterberechtigung
bzw. Fluglizenz zu erhalten und gemäß EU- bzw. NATO-Kriterien „combat
ready“ zu sein?

18. Wie viele Flugstunden standen den Pilotinnen und Piloten der NH 90 und
UH Tiger in den Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils durchschnittlich zur
Verfügung?

19. Wie vielen Pilotinnen und Piloten der NH 90 und UH Tiger wurde in den
Jahren 2013, 2014 und 2015 die Musterberechtigung oder Fluglizenz entzo-
gen, weil sie zu wenige Flugstunden absolviert hatten?

20. Welche Zulagen bzw. besonderen Aufwandsentschädigungen sind an den
Besitz einer gültigen Musterberechtigung bzw. Fluglizenz gekoppelt?

21. Hat die Bundesregierung Maßnahmen ergriffen, um den finanziellen Verlust
zu kompensieren, den Soldatinnen und Soldaten erleiden, die infolge nicht
zur Verfügung stehender Hubschrauber ihre Musterberechtigung bzw. Flug-
lizenz verlieren?

22. Welche Möglichkeiten bestehen für diejenigen Hubschrauberpilotinnen und
-piloten, denen die Musterberechtigung bzw. Fluglizenz entzogen wurde,
diese Musterberechtigung bzw. Fluglizenz wieder zurückzuerhalten, und wie
viel Zeit nimmt dieses Verfahren üblicherweise in Anspruch, bzw. welche
Maßnahmen sind hierfür nötig?

23. Für wie realistisch hält es die Bundesregierung, dass die von Deutschland als
„lead nation“ geführte Battlegroup tatsächlich eingesetzt wird (bitte mit Be-
gründung)?

24. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung im Hinblick auf den Vorschlag,
den der Leiter der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze der Vereinten
Nationen, Hervé Ladsous, bei Treffen der EU-Verteidigungsminister in
jüngster Zeit mehrfach unterbreitet hat, demzufolge die Battlegroups den
Vereinten Nationen zur Verfügung gestellt und als „bridging force“ einge-
setzt werden sollten, bis eine beschlossene UN-Mission tatsächlich einsatz-
bereit ist?

25. Welche Funktion und Bedeutung haben die Battlegroups nach Ansicht der
Bundesregierung jenseits eines konkreten Einsatzes?

26. Inwiefern erwartet die Bundesregierung Auswirkungen eines EU-Austritts
Großbritanniens auf die Bestellung der EU-Battlegroups in den nächsten Jah-
ren?
Welche Meldungen seitens Großbritannien liegen derzeit für künftige
Battlegroups vor?

Drucksache 18/9150 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

27. Welche Kosten entstehen der Bundesrepublik Deutschland durch das Enga-
gement als „lead nation“ einer Battlegroup?

Berlin, den 6. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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