BT-Drucksache 18/8950

Zukunft des Rechtsstaatsdialogs mit China

Vom 24. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8950
18. Wahlperiode 24.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cem Özdemir, Katja Keul, Renate Künast, Tom Koenigs,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin,
Doris Wagner, Luise Amtsberg und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft des Rechtsstaatsdialogs mit China

Seit der „Deutsch-Chinesischen Vereinbarung zum Austausch und der Zusam-
menarbeit im Rechtsbereich“ aus dem Jahr 2000 unterhält die Bundesregierung
den so genannten Rechtsstaatsdialog mit der Volksrepublik (VR) China. Die Ver-
einbarung zielt unter anderem darauf ab, „zu gewährleisten, dass das Volk um-
fangreiche Rechte und Freiheiten nach dem Gesetz genießt, dass die Menschen-
rechte respektiert und garantiert und alles staatliche Handeln gesetzmäßig durch-
geführt werden“. Dazu wurden über die Jahre zahlreiche Maßnahmen unter dem
Schirm des Rechtsstaatsdialogs durchgeführt. Neben dem jährlichen Rechts-
staatssymposium, bei dem die Federführung beim Bundesministerium der Justiz
und für Verbraucherschutz (BMJV) für die deutsche Seite und beim Rechtsamt
des Staatsrates für die chinesische Seite liegt, gehören dazu auch zahlreiche Ak-
tivitäten nichtstaatlicher Durchführungsorganisationen.
In Anbetracht der aktuellen rechtlichen und politischen Entwicklungen in der VR
China ist zu befürchten, dass diese Aktivitäten künftig erheblich erschwert wer-
den. Am 28. April 2016 wurde auf der 20. Sitzung des Ständigen Ausschusses
des 12. Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China das Gesetz der
Volksrepublik China zur Verwaltung von Aktivitäten innerhalb des chinesischen
Gebiets durch Nichtregierungsorganisationen von außerhalb des chinesischen
Gebiets (im Folgenden: „NGO Gesetz“) verabschiedet, das am 1. Januar 2017 in
Kraft treten soll. Mit dem Gesetz stellt China die Aktivitäten von ausländischen
Nichtregierungsorganisationen unter die Kontrolle der Behörden der Staatssi-
cherheit und schafft damit erhebliche administrative Hürden und politische Risi-
ken für Aktivitäten aller nichtstaatlichen deutschen und internationalen Organi-
sationen in China.
Bereits 2015 war es nach Beschluss des Gesetzes zum Schutz der nationalen Si-
cherheit zu Verhaftungen gerade auch von Rechtsanwältinnen und Rechtsan-
wälte, die sich für die Einhaltung von Bürgerrechten eingesetzt hatten, gekommen
(vgl. Amnesty International).
Darüber hinaus stellt die chinesische Führung internationale Standards von
Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in ihrer offiziellen Rhetorik immer wie-
der als Konzepte feindlicher Kräfte dar, die es einzudämmen gilt. Rechtsanwäl-
tinnen und Rechtsanwälte müssen in China ihre Zulassung regelmäßig erneuern
lassen. In der Vergangenheit haben chinesische Behörden immer wieder die Zu-
lassung von Anwältinnen und Anwälten verweigert, die sich besonders für den

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Schutz der Menschenrechte eingesetzt haben. Damit stellen sie die Zielsetzung
des deutsch-chinesischen Rechtstaatsdialogs in Frage.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten Auswirkungen wird das neue NGO-Gesetz nach Einschät-

zung der Bundesregierung auf die deutsch-chinesische Zusammenarbeit ha-
ben, insbesondere auf bilateral vereinbarte Dialogformate und Kooperatio-
nen?

2. In welcher Form hat die Bundesregierung das NGO-Gesetz mit der chinesi-
schen Regierung und anderen chinesischen Partnern thematisiert?

3. War dieses konkrete Gesetzesvorhaben Gegenstand von Beratungen im Rah-
men der Symposien des Rechtsstaatsdialogs (RSD)?
Wie haben die chinesischen Partner sich dazu positioniert?

4. Plant die Bundesregierung, das NGO-Gesetz zum Gegenstand des 16. Sym-
posiums des deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialogs 2016 zu machen?
Wenn ja, in welchem Rahmen? Wenn nein, warum nicht?

5. Hat die Bundesregierung im Rahmen des Rechtsstaatsdialog bereits die Stel-
lung von Anwältinnen und Anwälten als Organe der Rechtspflege themati-
siert, und wenn nein, wann beabsichtigt sie dies zu tun?

6. Welche Rolle spielt die Unabhängigkeit von Richterschaft und Anwaltschaft
im Rahmen des Rechtsstaatsdialogs?

7. Hat die Bundesregierung, im Rahmen des Rechtsstaatsdialogs das Zulas-
sungsverfahren für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte thematisiert?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

8. a) Plant die Bundesregierung, die Situation der Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälte in China, insbesondere nach Verabschiedung des chinesi-
schen Gesetzes zum Schutz der nationalen Sicherheit im Juli 2015, zum
Gegenstand des 16. Symposiums des deutsch-chinesischen Rechtsstaats-
dialogs 2016 zu machen?
Wenn ja, in welchem Rahmen?
Wenn nein, warum nicht?

b) Inwiefern wird sie dabei auch Berichte über vermehrte Verhaftungen von
Menschenrechtsanwältinnen und -anwälten nach Verabschiedung des Ge-
setzes thematisieren (vgl. Amnesty International)?

9. Warum hat sich die Bundesregierung gemeinsam mit den chinesischen Part-
nern für das Thema „Verbraucherrechte im Internet-Zeitalter“ als Schwer-
punkt des deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialogs 2016 entschieden?

10. Wie hat die Bundesregierung, insbesondere das Bundesministerium für Jus-
tiz und Verbraucherschutz, die möglichen Folgen des neuen Gesetzes für die
weitere Durchführung des Rechtsstaatsdialogs mit ihren nichtstaatlichen
Partnern in China (Universitäten, Verbände, Handelskammern usw.) thema-
tisiert?
Hat das Bundesministerium die deutschen Durchführungsorganisationen
über das neue Gesetz informiert, und im Hinblick auf die Folgen für die künf-
tige Kooperation beraten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8950
 

11. Hat eine umfassende Evaluierung der bisherigen Symposien, der einzelnen
Maßnahmen, der Gesamtheit der Maßnahmen des RSD stattgefunden?
Sind die Ergebnisse öffentlich zugänglich?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen Ergebnisse des deutsch-
chinesischen Rechtsstaatsdialogs im Allgemeinen sowie die der Symposien
im Besonderen?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die Ergebnisse des RSD im Hinblick auf
das formulierte Ziel, die Respektierung von Rechtsstaatlichkeit und Men-
schenrechten zu fördern, ein?

14. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass durch die deutsche Rechtsbera-
tung im Rahmen der Symposien nicht Gesetze legitimiert werden, die inter-
nationalen Menschenrechtsstandards zuwiderlaufen?

15. Wie will die Bundesregierung mit dem Rechtsstaatsdialog verfahren, sollten
grundlegende Aktivitäten in seinem Rahmen in Zukunft nicht mehr bzw. nur
noch eingeschränkt stattfinden können?

16. Welche Rolle spielen die demokratischen Strukturen der Bundesrepublik
Deutschland in den Gesprächen, zum Beispiel, dass in der Bundesrepublik
Deutschland frei und demokratisch gewählte Parlamente für die Rechtset-
zung zuständig sind?

17. Welche strukturellen Verbesserungen der Menschenrechtslage – über Ein-
zelfälle hinaus – hat der deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog, der Teil
des Rechtsstaatsdialogs ist, bislang erbracht?

18. Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, das Format des deutsch-chi-
nesischen Menschenrechtsdialogs aufgrund der bisherigen Erfahrungen/Er-
gebnisse zu modifizieren bzw. neu auszurichten, insbesondere im Hinblick
auf direkte Gespräche mit der Zivilgesellschaft?
Wenn ja, inwiefern?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 24. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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