BT-Drucksache 18/8931

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksache 18/4713, 18/4949, 18/8916 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie

Vom 23. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8931
18. Wahlperiode 23.06.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Herbert
Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Kerstin Kassner, Sabine
Leidig, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Birgit Menz, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/4713, 18/4949, 18/8916 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher
Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren
der Fracking-Technologie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland wurden zahlreiche Erlaubnisse zur Aufsuchung von Erdgas- und
Erdölvorkommen in Schiefergas- und Tightgas-Lagerstätten vergeben. In Nord-
rhein-Westfalen haben verschiedene Energiekonzerne Aufsuchungserlaubnisse, die
fast die Hälfte der Landesoberfläche überdecken. In Niedersachsen ist der Anteil von
50 Prozent der Landesfläche überschritten.
Unternehmen erhoffen sich große Gewinne durch die Ausbeutung dieser Ressour-
cen. Kohleflözgas, Schiefergas und Tightgas sind im Gegensatz zu konventionellem
Erdgas in dichtem Gestein eingeschlossen. Um das im Gestein gebundene Erdgas zu
fördern, wird das riskante Verfahren des Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, ange-
wandt. Dabei wird eine mit gefährlichen Chemikalien versetzte Flüssigkeit mit ho-
hem Druck in die Tiefe gepumpt, um das gastragende Gestein aufzubrechen und
künstliche Risse zu schaffen.
Die Fracking-Methode ist mit zahlreichen negativen Auswirkungen und Risiken für
Mensch und Umwelt verbunden. Dass „die Gefährdung der oberflächennahen Was-
servorkommen“ nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wurde u. a. in den vom
Umweltbundesamt („Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und
Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten“) und der von der Lan-
desregierung Nordrhein-Westfalen („Fracking in unkonventionellen Lagerstätten in
NRW“) in Auftrag gegebenen Studien deutlich.

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Risiken und negative Auswirkungen sind insbesondere:
− die Verunreinigung des Grund- und Trinkwassers durch Frack-Flüssigkeiten,

Methan oder Lagerstättenwasser. Diese können durch Unfälle, natürliche oder
künstlich geschaffene Wegsamkeiten im Untergrund sowie undichte Bohrloch-
abdichtungen und Zementummantelungen an die Oberfläche und in das Grund-
wasser gelangen. Insbesondere die Zementummantelungen sind aufgrund des
hohen Drucks starken Belastungen ausgesetzt und dementsprechend fehleran-
fällig;

− die ungeklärte Entsorgung des bei der Förderung anfallenden Flowbacks, dem
Gemisch aus Lagerstättenwasser und Frack-Flüssigkeit, welcher neben Chemi-
kalien des Frack-Vorgangs häufig u. a. radioaktive Isotope, Schwermetalle wie
Quecksilber und Benzol enthält;

− der erhebliche Anfall an Bohrschlamm. Beim großflächigen Einsatz der Fra-
cking-Technik wird das vorhandene Restvolumen der Deponien der Klasse der
DK 3 in Deutschland schnell erschöpft sein;

− unkontrollierbare und klimabelastende Methan-Austritte aus Bohrleitungen
oder Rissen im gashaltenden Gestein. Diese erheblichen Emissionen des im Ver-
gleich mit Kohlendioxid wesentlich klimaschädlicheren Spurengases aus diffu-
sen Quellen stehen den Klimazielen Deutschlands entgegen;

− das Auftreten nicht bestimmungsgemäßer Betriebszustände. In Deutschland
existieren keine detaillierten rechtlichen Anforderungen an die Technik und Si-
cherheitstechnik beim Einsatz von Fracking. Die wenigen Leitfäden des Bran-
chenverbands und vereinzelte DIN-Normen können diese Lücke nicht schlie-
ßen. In der Folge wird auf US-Normen zurückgegriffen, welche die aus den
USA bekannten Schadensfälle gerade nicht verhindern konnten;

− Erdbeben durch den direkten Frack-Vorgang, insbesondere in geologische Stö-
rungszonen;

− Erdbeben durch die Verpressung von Lagerstättenwasser in sogenannte Ver-
senkbohrungen;

− Gesundheitsschäden wie Krebserkrankungen. An mehreren Standorten in Nie-
dersachsen, so in der Samtgemeinde Bothel oder der Stadt Rotenburg, sind in
der Umgebung von Erdgasförderplätzen deutlich erhöhte Krebsraten festgestellt
worden;

− Gesundheitsgefahren durch fehlende Sicherheitsabstände. Vergleiche mit
Wohnbebauungsabstandsregelungen aus den USA und Australien zeigen, dass
die deutschen Bestimmungen weit hinter diesen zurückbleiben. Während dort
Abstände von mehreren hundert Metern bis 2 000 Meter festgelegt sind, sind
keine bundesweiten Mindestabstände vorgesehen. In den Bundesländern ist bes-
tenfalls der niedersächsische 100-m-Abstand zur Einzelbebauung die relevante
Orientierungsgröße;

− ein im Vergleich zur Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten
deutlich höherer Flächenbedarf;

− eine hohe Lärm- und Luftbelastung der Anwohnerinnen und Anwohner;
− ein hohes Verkehrsaufkommen, insbesondere während des Frack-Vorgangs;
Fracking bringt dabei lediglich einen betriebswirtschaftlichen, aber keinen volks-
wirtschaftlichen Nutzen. Das durch Fracking in Deutschland geförderte Gas würde
lediglich einen Anteil von ca. 2 Prozent am Energieverbrauch Deutschlands decken.
Dies könnte schnell durch einen forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien auf-
gefangen werden.
In einem öffentlich gewordenen Eckpunktepapier an die SPD-Bundestagsfraktion
vom 4. Juli 2014 hatten Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Bundesum-
weltministerin Dr. Barbara Hendricks einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung

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zur Aufsuchung und Förderung von Kohlenwasserstoffen mittels der Fracking-
Technik vorgestellt und dabei „die strengsten Regeln, die es in diesem Bereich je-
mals gab“, angekündigt. Tatsächlich sollte aber hierdurch der großflächige Einsatz
von Fracking eingeleitet werden.
Die Ende Dezember 2014 an die Verbände übermittelten Referentenentwürfe der
Bundesregierung zur Regelung von Fracking fielen zudem bereits deutlich hinter die
im Juli 2014 von Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und von Bundes-
wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgelegten Eckpunkte zurück. Die im
April 2015 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwürfe enthielten gegen-
über den Referentenentwürfen keine wesentlichen Veränderungen. Von einem Fra-
cking-Verbot ohne Ausnahmen konnte keine Rede sein.
Auch die am 21. Juni 2016 vorgelegten Änderungsanträge von CDU/CSU und SPD
lösen die Problematik des Fracking nicht, sondern ermöglichen die Anwendung die-
ser Technik.
So ist Fracking im Sandgestein, sogenannten Tightgas-Reservoirs, nach wie vor zur
Gasgewinnung erlaubt. Im Sandgestein soll Fracking auch zur Ölgewinnung in allen
Tiefen erfolgen können. Die beantragten Einschränkungen für die Aufsuchung und
Gewinnung von Gas im Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein sowie Kohleflözgestein
bringen keine Sicherheit, da sie nach den Plänen von CDU/CSU und SPD 2021
durch eine entsprechende Prüfungsregelung wieder in Frage gestellt werden.
Auch Probe-, Erkundungs- und Forschungsbohrungen unter Verwendung der Fra-
cking-Technik sind möglich. Alle Erfahrungen aus der Einführung der Atomkraft
zeigen jedoch: Die Forschung, welche zumeist von den Unternehmen selbst betrie-
ben wird, ist ein Einfallstor für die spätere Anwendung der Technologie.
Begleitet werden sollen diese Erprobungsmaßnahmen durch eine Expertenkommis-
sion. Diese Expertenkommission hat eine deutliche personelle Schlagseite zu Guns-
ten der Fracking-Befürworter und in ihr sitzt kein Mitglied aus der Zivilgesellschaft.
Das Einbringen kritischer Aspekte wird damit bereits durch die Zusammensetzung
der Kommission weitgehend unterbunden.
Mit der Einführung von sogenannten Länderklauseln wird sich die Situation in Nie-
dersachsen noch verschärfen. Während die Gasindustrie und die rot-grüne Landes-
regierung die rechtssichere Anwendung der Fracking-Technik in Tightgas-Reser-
voirs fordern, gibt es erheblichen Widerstand in der Bevölkerung gegen diese Pläne.
Damit provoziert die Koalition von CDU/CSU und SPD zukünftig einen Kampf um
jedes Bohrloch. Im Interesse der Gesundheit und dem Erhalt der Natur hätte an die
Stelle von Länderklauseln ein Fracking-Verbot ohne Ausnahmen treten müssen.
Die Gasindustrie erhält dabei genau das, was sie vehement gefordert hat und dem
sich die Politik beugt: Rechtssicherheit für eine verstärkte Gasgewinnung mit der
Fracking-Technik in Tightgas-Reservoirs, die es bisher nicht gegeben hat. Hinzu
kommt ein Einstieg in die Anwendung der Fracking-Methode in Schiefer-, Ton-,
Mergel- und Kohleflözgestein. Im Gewand von vier wissenschaftlichen Erprobungs-
maßnahmen können die Gaskonzerne erste Aufsuchungsmaßnahmen durchführen.
Nachdem in den nächsten Jahren eine verstärkte Gewinnung von Tightgas mittels
Fracking erfolgt, kann nach der Überprüfung und Änderung des Wasserhaushaltsge-
setzes im Jahr 2021 mit Fracking im Schiefergestein begonnen werden.
Für die Kosten der Umweltzerstörung und von Gesundheitsschäden werden die gas-
fördernden Unternehmen nicht aufkommen. Unterkapitalisierte Firmen werden in
Insolvenz gehen. Konzerne werden Teile des Unternehmens abspalten und in die
Insolvenz gehen lassen oder lang andauernde Prozesse führen. Hierfür hat die Bun-
desregierung keine Lösung vorgelegt.
Angesichts der genannten Gefahren für Mensch und Umwelt wäre es unverantwort-
lich, Fracking selbst unter Einsatz nicht toxischer Frack-Flüssigkeiten und unter ver-
schärften Auflagen zu erlauben. Nur ein Fracking-Verbot ohne Ausnahmen in
Deutschland bietet ausreichende Rechtssicherheit.

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Weltweit protestieren betroffene Bürgerinnen und Bürger gegen die Anwendung von
Fracking. Auch in Deutschland stößt die Anwendung von Fracking auf großen Wi-
derstand. Immer wieder unterstützen mindestens zwei Drittel der bei Umfragen be-
teiligten Personen ein Fracking-Verbot ohne Ausnahmen. Immer neue Bürgerinitia-
tiven gründen sich gegen die Gasförderung mit der Fracking-Technik. Zahlreiche
Gemeinden haben sich teils einstimmig gegen Fracking ausgesprochen (z. B. Braun-
schweig, Lüneburg, Hannover, Peine, Osnabrück, Wolfsburg, Wolfenbüttel).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf zum Fracking-Verbot vorzulegen,
a) der durch eine Änderung des Bundesberggesetzes sicherstellt, dass die

Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen mittels hydraulischen
Aufbrechens von Gestein (Hydraulic Fracturing) ohne Ausnahme verbo-
ten ist;

b) der Regelungen enthält, welche die Unternehmen, denen eine Aufsu-
chungserlaubnis für Schiefergas- oder Schieferöl-Vorkommen erteilt
wurde, verpflichten, innerhalb von sechs Monaten einen Nachweis zu er-
bringen, dass eine Förderung auch ohne Fracking oder vergleichbar ge-
fährliche Techniken möglich ist und die zum Widerruf der Aufsuchungs-
erlaubnis führen, wenn ein solcher Nachweis nicht oder nicht hinreichend
erfolgen sollte;

c) der Regelungen enthält, welche die Unternehmen unverzüglich zur voll-
ständigen Offenlegung der bisherigen Frack-Vorgänge in Deutschland in-
klusive der eingesetzten Stoffe, deren Identität (chemische Zusammenset-
zung, CAS-Nummern, IUPAC-Nomenklatur), der toxikologischen Be-
wertung und der eingesetzten Mengen und zur Zurverfügungstellung die-
ser Daten in einem öffentlichen Stoffregister an die zuständigen Behörden
und der Öffentlichkeit gegenüber verpflichten;

d) der Regelungen enthält, die eine umweltgerechte Entsorgung des Flow-
back aus den bereits durchgeführten Fracking-Bohrungen sicherstellen
und die Verpressung in sogenannte Disposalbohrungen untersagen;

2. für die Aufnahme des Fracking in die Anlage 1 der Espoo-Konvention einzu-
treten und hierfür die Initiative zu ergreifen, um grenzüberschreitende Umwelt-
verträglichkeitsprüfungen bei Fördermaßnahmen mit Fracking in Grenznähe
sicherzustellen.

Berlin, den 23. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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