BT-Drucksache 18/8629

Haltung der Bundesregierung zur Übernahme griechischer Regionalflughäfen durch die Fraport AG

Vom 30. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8629
18. Wahlperiode 30.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Caren Lay,
Christine Buchholz, Klaus Ernst, Inge Höger, Andrej Hunko, Birgit Menz,
Thomas Nord, Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Haltung der Bundesregierung zur Übernahme griechischer Regionalflughäfen
durch die Fraport AG

Im Antrag „Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands“ des Bundesministeriums
der Finanzen vom 17. August 2015 an den Deutschen Bundestag (Bundestags-
drucksache 18/5780) warb das Bundesfinanzministerium für die Zustimmung des
Deutschen Bundestages zur Zahlung einer weiteren Kredittranche an Griechen-
land. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass „eine signifikant gestärkte Pri-
vatisierungsstrategie ein wichtiger Eckpunkt des Programms werden [soll]“.
Zu den zu privatisierenden öffentlichen Vermögen gehören im dritten Memoran-
dum für ein dreijähriges ESM-Programm (ESM: Europäischer Stabilitätsmecha-
nismus) neben den Häfen von Piräus und Thessaloniki, der Bahngesellschaft
TrainOSE und des Tief- und Straßenbaus auch die Privatisierung der Regional-
flughäfen: Unter Artikel 4.4 wird festgelegt, dass „die Behörden unumkehrbare
Schritte für den Verkauf der Regionalflughäfen zu den gegenwärtigen Bedingun-
gen, bei denen der erfolgreiche Bieter bereits feststeht, durchführen [werden]“
(S. 31). Somit wurde die Konzession der Regionalflughäfen an die Fraport AG
durch die Europäischen Kommission, Europäische Zentralbank – EZB – und den
Internationalen Währungsfonds – IWF – (die sogenannte Troika oder „Institutio-
nen“) nochmal explizit festgelegt. Nachdem der griechische Privatisierungsfonds
HRADF (Hellenic Republic Asset Development Fund) und die Fraport AG den
Privatisierungsvertrag am 14. Dezember 2015 unterschrieben, wurde der Vertrag
am 22. Januar 2016 von Dritten veröffentlicht (vgl. www.thepressproject.gr/
article/88058/Auti-einai-i-sumbasi-me-tin-Fraport).
Wegen der aus Sicht der Fragesteller für die Fraport AG besonders günstigen
Übernahmebedingungen auf Kosten des griechischen Staates sowie wegen des
außerordentlichen Drucks, unter dem die griechische Regierung das dritte Memo-
randum und den Privatisierungsvertrag unterschrieben hat, steht die Veräußerung
der 14 profitablen griechischen Regionalflughäfen Griechenlands unter heftiger
Kritik insbesondere des Netzwerks Attac Trägerverein e. V. Unter anderem geht
aus dem Vertragstext hervor, dass der griechische Staat jene Flughafenmitarbei-
terinnen und -mitarbeiter entschädigen muss, die die Fraport AG nicht weiterbe-
schäftigt. Würden Beschäftigte bei Arbeitsunfällen verletzt oder getötet, müsse
ebenfalls der Staat zahlen. Sollten durch Gesetzesänderungen zusätzliche Be-
triebskosten entstehen, so hat die Fraport AG ebenso Anspruch auf Entschädi-
gung wie bei Flugausfällen aus technischen Gründen oder wegen Streik. Kosten
für Reparaturen oder Ersatz alter Maschinen sowie für Schulden und Bankkredite
bei Vertragsende muss ebenfalls der griechische Staat tragen. Sogar Planungs-
und Umbaukosten könne die Fraport AG übertragen. Die Fraport AG muss weder

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Steuern auf Immobilien zahlen noch Gebühren für z. B. Abwasser, kommunale
Beleuchtung oder biologische Kläranlagen.
Mit der Konzession der 14 Flughäfen an die Fraport AG profitiert ein Konzern,
der mehrheitlich deutschen staatlichen Institutionen gehört, von den Privatisie-
rungsauflagen der Institutionen für Griechenland. Denn die Fraport AG gehört zu
mehr als 31 Prozent dem Land Hessen und zu mehr als 20 Prozent der Stadtwerke
Frankfurt am Main Holding GmbH. Angesichts der bedeutenden Rolle der Bun-
desregierung in den Verhandlungen zwischen der Troika und der Regierung Grie-
chenlands muss überprüft werden, ob eine politische Begünstigung während der
Verhandlungen zur Festlegung eines dritten Memorandums zugunsten eines deut-
schen, mehrheitlich öffentlichen Unternehmens seitens der Bundes- oder hessi-
sches Landesregierung erfolgte.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. An welchen Veranstaltungen, Sitzungen o. Ä. der Bundesregierung und de-

ren nachgeordneten staatlichen Stellen, der deutschen Botschaft in Griechen-
land, der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Eu-
ropäischen Union und beim Europarat in Brüssel und Straßburg, nahmen seit
Anfang 2013 Vertreterinnen oder Vertreter der Fraport AG teil, und wann
genau (bitte tabellarisch unter Angabe der entsprechenden Sitzung/Veran-
staltung, des Datums, der Namen der Vertreterinnen bzw. Vertreter der
Fraport AG und gegebenenfalls kurzer Beschreibung des Besprechungsthe-
mas aufführen – siehe die ausführliche Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14698)?

2. An welchen Veranstaltungen, Sitzungen o. Ä. der Bundesregierung und de-
ren nachgeordneten staatlichen Stellen, der deutschen Botschaft in Griechen-
land, der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Eu-
ropäischen Union und beim Europarat in Brüssel und Straßburg, nahmen seit
Anfang 2013 Vertreterinnen oder Vertreter des Landes Hessen teil, und wann
genau (bitte tabellarisch unter Angabe der entsprechenden Sitzung/Veran-
staltung, des Datums, der Namen der Vertreterinnen bzw. Vertreter der
Fraport AG und gegebenenfalls kurzer Beschreibung des Besprechungsthe-
mas aufführen – siehe die ausführliche Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14698)?

3. Bei welchen zu den Fragen 1 und 2 erfragten Treffen waren die Verhandlun-
gen zwischen der EZB, dem IWF und der Europäischen Kommission sowie
Griechenland über die Bedingungen des dritten Memorandums Gegenstand
der Gespräche?

4. Bei welchen zu den Fragen 1 und 2 erfragten Treffen wurde eine mögliche
Übernahme von griechischen Flughäfen durch die Fraport AG besprochen?

5. Welche schriftlichen Stellungnahmen (per Brief, Bote oder E-Mail) hinsicht-
lich einer Übernahme der griechischen Regionalflughäfen sind bei der Bun-
desregierung und deren nachgeordneten staatlichen Stellen bisher eingegan-
gen (bitte unter Angabe des Eingangsdatums, des Absenders sowie des Emp-
fängers aufführen)?

6. Hat es nach Kenntnis der Bundesregierung anlässlich des Besuches des hes-
sischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier in Brüssel am 15. Juli 2015
Kommunikationen oder Treffen zur Vorbereitung des Besuches zwischen
der hessischen Landesregierung und Vertretern des Bundesministeriums der
Finanzen, des Auswärtigen Amts, der deutschen Botschaft in Griechenland,
der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäi-
schen Union und beim Europarat in Brüssel und Straßburg oder sonstigen
Stellen des Bundes gegeben (bitte nach Art der Kommunikation, Datum und
Ort des Treffens aufschlüsseln)?

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7. Bei welchen Treffen mit Vertreterinnen bzw. Vertretern des IWF, der EZB
und der Europäischen Kommission, Sitzungen des Europarats sowie in wel-
chen Dokumenten im Rahmen der Verhandlungen über ein drittes Memoran-
dum of Unterstanding für Griechenland wurde die Privatisierung griechi-
scher Flughäfen thematisiert, und welche Position nahmen jeweils die Ver-
treterinnen bzw. Vertreter der Bundesregierung diesbezüglich ein?

8. Auf wessen Betreiben wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ver-
handlungen mit Griechenland durchgesetzten Privatisierungsfonds die
Fraport AG als Geschäftspartner für die Privatisierung von griechischen
Flughäfen genannt?

9. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung andere, von der Europäischen
Union in dem Privatisierungsfonds aufgeführte griechische Infrastruktur, zu
der explizit ein Unternehmen genannt wurde, das Infrastruktur aufkaufen oder
betreiben soll?

10. Hält es die Bundesregierung für legitim, dass die Fraport AG den Betrieb
von griechischen Flughäfen im Rahmen des EU-Privatisierungsfonds über-
nimmt, gleichzeitig aber für den Bau eines neuen Terminals Mittel aus dem
EU-Investitionspaket 2015 beantragt (bitte begründen)?

11. Wie erklärt sich die Bundesregierung das Zustandekommen eines Privatisie-
rungsvertrages mit der Fraport AG, der umfängliche und außergewöhnliche
Haftungsauflagen für den griechischen Staat beinhaltet, angesichts der Tat-
sache, dass die sonstige Auflagenpolitik der Europäischen Union gegenüber
Griechenland der umgekehrten Logik folgt, die lautet, der Staat solle seine
Ausgaben und Verpflichtungen reduzieren und darüber seinen Handlungs-
spielraum erweitern?

12. Hält es die Bundesregierung für legitim, dass deutsche Unternehmen mit öf-
fentlicher Mehrheitsbeteiligung Nutznießer des griechischen Privatisie-
rungsfonds sind, dessen Auflagen von der Bundesregierung maßgeblich mit-
definiert wurden?
Wenn ja, wie tritt die Bundesregierung dem Eindruck entgegen, dass der
Ausverkauf Griechenlands unter deutscher Regie und zum Nutzen öffentli-
cher deutscher Einrichtungen, sprich zum Eigennutz, getätigt wurde (bitte
begründen)?

13. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nach Kenntnis der
Bundesregierung an den von der Fraport AG in Griechenland übernomme-
nen Flughäfen entlassen werden, und wer muss für die soziale Absicherung
der entlassenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufkommen?

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14. Sind der Bundesregierung im Rahmen der von den „Institutionen“ bzw. der
Troika auferlegten Privatisierung weitere Verkäufe öffentlicher Einrichtun-
gen bekannt, bei denen fast alle Risiken und Haftungen trotz Veräußerung
beim griechischen Staat verbleiben und der private Käufer ungewöhnlich
günstige Konditionen genießt, wie es bei der Fraport AG der Fall ist, als da
u. a. sind: Befreiungen von Steuern und Gebühren an den Staat, Freiheit zur
Festsetzung neuer Gebühren für die Fraport AG, Entschädigungsforderungen
an den griechischen Staat, Haftungstatbestände durch den griechischen Staat,
die durch Normierung von der Fraport AG selbst herbeigeführt werden kön-
nen, Umwälzung von Umweltkosten auf den griechischen Staat, Betreiber-
wechsel auf Flughäfen ohne Schadenshaftung durch die Fraport AG, Garan-
tiebefreiung für die Fraport AG nach Vertragsablauf?
Wenn ja, um welche Vertragsabschlüsse handelt es sich?

Berlin, den 27. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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