BT-Drucksache 18/8551

Angemessenheit von VW-Vorstandsvergütungen

Vom 20. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8551
18. Wahlperiode 20.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter,
Susanna Karawanskij, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Thomas Lutze,
Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Angemessenheit von VW-Vorstandsvergütungen

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben am 17. März 2009 in Regierungs-
verantwortung den Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstands-
vergütung (VorstAG) in den Deutschen Bundestag eingebracht (Bundestags-
drucksache 16/12278). Das Gesetz ist am 5. August 2009 in Kraft getreten (vgl.
http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP16/188/18860.html). „Ziel des Gesetz-
entwurfs ist es, die Anreize in der Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder in
Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unterneh-
mensführung zu stärken. Zugleich sollen die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats
für die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung gestärkt und konkretisiert werden
sowie die Transparenz der Vorstandsvergütung gegenüber den Aktionären und
der Öffentlichkeit verbessert werden“, heißt es im Gesetzentwurf.
Auf die Schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst nach der
Höhe und den Bestandteilen der Vorstandsvergütungen bei VW für das Jahr 2015
aber wusste die Bundesregierung nur zu antworten: „Detaillierte Angaben über
Vorstandsvergütungen der Volkswagen AG liegen der Bundesregierung nicht
vor“ (vgl. die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries
beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie vom 10. Mai 2016 auf die
Schriftliche Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 18/8523).
Nach eigener Recherche liegen mittels des im Rahmen des Konzernlageberichts
veröffentlichten Vergütungsberichts die Vorstandsvergütungen nach Höhe und
Bestandteilen jedoch vor (vgl. http://geschaeftsbericht2015.volkswagenag.com/
konzernlagebericht/verguetungsbericht/bezuege-des-vorstands.html). Gerade vor
dem Hintergrund des Dieselabgas-Betrugs und des in der Öffentlichkeit mit Inte-
resse wahrgenommenen Streits um die Vorstandsvergütungen bei VW erscheint
die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 6 des Bundestagsab-
geordneten Klaus Ernst äußerst unbefriedigend.
Dem Konzernlagebericht von VW ist zu entnehmen, dass die Vorstandsmitglie-
der trotz des Abgas-Skandals und der daraus resultierenden schlechten Geschäfts-
entwicklung keine Abstriche bei ihren Vergütungen hingenommen haben. Ein zu-
nächst diskutierter Verzicht, entpuppte sich als ein alleiniges „Zurückbehalten“
von Vergütungsbestandteilen, deren Umwandlung in Aktien sogar eine Verdop-
pelung der zurückbehaltenen Vergütungshöhe in der Zukunft ermöglicht. Im Ver-
gütungsbericht heißt es dazu: „Der Auszahlungsbetrag darf das Zweifache des
ursprünglich zurückbehaltenen Betrags nicht überschreiten.“ Der „zurückbehal-
tene“ Betrag – 30 Prozent der variablen Vergütung für das Geschäftsjahr 2015 –

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wird „auf Basis des durchschnittlichen Aktienkurses der 30 Handelstage vor dem
22. April 2016 (Anfangs-Referenzkurs) in virtuelle Vorzugsaktien der Volkswa-
gen AG mit einer dreijährigen Haltedauer umgewandelt“ und „gleichzeitig ein
Ziel-Referenzkurs definiert“, „der 125 Prozent des Anfangs-Referenzkurses ent-
spricht.“
Ein VW-Vorstandsmitglied verdient nach Berechnungen auf der Grundlage des
Konzernlageberichts und des VW-Haustarifvertrags im Durchschnitt das Mehr-
hundertfache eines Mitarbeiters in der untersten Entgeltstufe. Zum Vergleich: Die
höchste Entgeltstufe beträgt demgegenüber lediglich das dreieinhalbfache der un-
tersten Entgeltstufe (vgl. www.igmetall-nieder-sachsen-anhalt.de/fileadmin/user/
Dokumente/Tarifrunde_2015/20150306_FB_VW_FS_VW_Immo_Abschluss.pdf).
Erst jüngst wurde darüber hinaus bekannt, dass das VW-Vorstandsmitglied An-
dreas Renschler „Millionen fürs Nichtstun“ kassiert habe (vgl. www.spiegel.de/
wirtschaft/unternehmen/volkswagen-vw-vorstand-andreas-renschler-kassiert-
millionen-fuers-nichtstun-a-1092444.html).
Zwar ist jetzt zu lesen, dass der VW-Finanzvorstand festgestellt hat: „Das derzei-
tige System braucht Veränderung (vgl. www.autogazette.de/vw/boni/unternehmen/
vw-ordnet-manager-gehaelter-neu-560263.html). Dies ist aber offensichtlich nur
eine Reaktion auf den Druck eines Investors, vor allem aber will sich der Konzern
dafür nicht näher bestimmte Zeit nehmen und hat weder Details noch eine Zeit-
spanne genannt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie ist es möglich, dass der Bundesregierung keine „detaillierten Angaben

über Vorstandsvergütungen der Volkswagen AG“ vorliegen, obwohl der
Vergütungsbericht von VW sogar im Internet veröffentlicht ist?

2. Sieht sich die Bundesregierung angesichts des Schadens, den die Diesel-Ab-
gas-Affäre bei VW national und international hervorgerufen hat, in der Ver-
antwortung, die Angemessenheit der Vorstandsvergütung zu prüfen?

3. Wendet die Bundesregierung die Gesetzgebung zur Angemessenheit von
Vorstandsvergütungen an, und wenn ja, kann sie auf dem Hintergrund der
aktuellen Debatte um VW die Höhe der Vorstandsvergütung beim Konzern
begründen?

4. Sieht die Bundesregierung bei VW das Ziel des Gesetzes zur Angemessen-
heit der Vorstandsvergütung aus dem Jahr 2009, „die Anreize in der Vergü-
tungsstruktur für Vorstandsmitglieder in Richtung einer nachhaltigen und auf
Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken“, erfüllt,
oder sieht die Bundesregierung auch vor diesem Hintergrund Nachbesse-
rungsbedarf bei der Gesetzgebung zur Angemessenheit der Vorstandsvergü-
tung?

5. Zieht die Bundesregierung eine Verschärfung des bisherigen Gesetzes zur
Angemessenheit der Vorstandsvergütung in Betracht, und wenn ja, welche?

6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Vorstandsvergütung bei VW?

7. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass ein Vorstandsmitglied das
Mehrhundertfache eines Mitarbeiters in der untersten Entgeltstufe verdient?

8. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über den Betrag, der von der VW-
Vorstandsvergütung zurückbehalten werden soll und der in der öffentlichen
Debatte mit 30 Prozent der Boni veranschlagt wird?

9. Welches Verhältnis zwischen Vorstandsvergütungen und Einkommen der
Mitarbeiter hält die Bundesregierung für angemessen?

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10. Bewegt sich die Vergütung eines Vorstandsmitglieds, das Extraprämien für
wenig Gegenleistung erhält (so laut Spiegel das Vorstandsmitglied Andreas
Renschler, vgl. www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/volkswagen-vw-
vorstand-andreas-renschler-kassiert-millionen-fuers-nichtstun-a-1092444.html)
und zudem nicht mit 67 Jahren, sondern bereits mit 62 Jahren eine hohe Pen-
sion von 70 Prozent seines Fixgehaltes erhalten soll – hierzu im Vergleich
48 Prozent vom Bruttogehalt bei der gesetzlichen Rente –, aus Sicht der Bun-
desregierung im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen zur Angemessenheit ei-
ner Vorstandsvergütung, und wenn ja, wie definiert die Bundesregierung die
Angemessenheit von Vorstandsvergütung?

11. Wie verhalten sich nach Kenntnis der Bundesregierung Vorstandsvergütun-
gen und Einkommen der Mitarbeiter in anderen im DAX (Deutscher Aktien-
index) vertretenen Unternehmen zueinander?

Berlin, den 20. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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