BT-Drucksache 18/833

Gute Arbeit und ökologische Nachhaltigkeit weltweit - Unternehmensverantwortung in der globalen Zulieferkette

Vom 17. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/833
18. Wahlperiode 17.03.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Beate Müller-Gemmeke,
Renate Künast, Tom Koenigs, Katharina Dröge, Dieter Janecek, Thomas Gambke,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka
Brugger, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gute Arbeit und ökologische Nachhaltigkeit weltweit –
Unternehmensverantwortung in der globalen Zulieferkette

Seit einigen Jahren nimmt im Zuge der Globalisierung der Einfluss international
agierender Unternehmen stetig zu. Durch ihre enorme Wirtschaftsmacht sind
Unternehmen wichtige internationale Akteure. Während sich die Weltwirtschaft
rasant globalisierte, wurde es versäumt, internationale Rechtsgrundlagen zu
schaffen, die dem Verhalten von Unternehmen Rahmenbedingungen setzen.
Daher können sie für die mangelnde Umsetzung von Arbeitsstandards in Pro-
duktionsstandorten im Ausland buchstäblich nicht zur Rechenschaft gezogen
werden. Große internationale Konzerne missachten häufig international aner-
kannte Arbeitsstandards oder umgehen diese, indem sie Missstände bei ihren
Zulieferern und Subunternehmen in der Regel trotz Kenntnisse dieser Miss-
stände ignorieren bzw. tolerieren. Diese Verlagerung der Probleme auf vorgela-
gerte Produktionsfirmen ist ein akutes Problem. Es darf nicht dazu führen, dass
die Abnehmer aus der Verantwortung für die Produktion ihrer Subunternehmern
genommen werden. So findet die Produktion zum Beispiel von Bekleidung,
Schuhen oder Elektronikartikeln mit hohen Anteilen bei Subunternehmen, also
rechtlich unabhängigen Zulieferern statt. Besonders die Arbeitsumstände in der
internationalen Wertschöpfungskette der Textilindustrie standen in den letzten
Monaten im Fokus. Aber auch bei der Rohstoffgewinnung und in der Landwirt-
schaft missachten Unternehmen und ihre Subunternehmen Arbeits- und Um-
weltstandards und verstoßen gegen die Menschenrechte.
Auf internationaler Ebene legen die UN-Guiding Principles on Business and
Human Rights mit den Prinzipien „Protect, Respect and Remedy“ fest, dass die
Menschenrechte nicht nur für Staaten sondern auch für Unternehmen Gültigkeit
haben. Die Unternehmen werden u. a. dazu verpflichtet, ihren Angestellten ge-
genüber Sorgfaltspflichten (Due Dilligence) einzuhalten. Zudem stellen die
ILO-Kernarbeitsnormen (ILO = International Labour Organization) sowie die
OECD-Leitsätze (OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung) für multinationale Unternehmen Leitlinien dar, die die Ver-
antwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft definieren.
Europäische und deutsche Unternehmen müssen diese internationalen Standards
in Bezug auf Menschenrechte, Ökologie und soziale Gerechtigkeit bei der Pro-
duktion in Drittländern einhalten und dürfen die Standards nicht dadurch umge-

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hen, indem sie Missstände bei ihren Zulieferern und Tochterunternehmen tole-
rieren. Unternehmerische Verantwortung darf nicht auf Dritte abgewälzt wer-
den, sondern liegt immer im eigenen Verantwortungsbereich. Allerdings sieht
die Bundesregierung Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsi-
bility oder CSR) bislang als ausschließlich freiwillige Leistung an, auch wenn
der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Dr. Gerd Müller, einen Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik mehr-
mals öffentlich formuliert hat und sich dabei auch „Verbindliche Regelungen“
für Unternehmen zum Ziel gesetzt hat (www.zeit.de vom 23. Januar 2014 „Hier
sitzt Müller, nicht Niebel“).
Die bisherige Politik der Bundesregierung hat dazu geführt, dass viele Fragen
der Unternehmensverantwortung im Unverbindlichen gelassen wurden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie steht die Bundesregierung zum Prinzip der Freiwilligkeit im Bereich der

Unternehmensverantwortung?
a) Vor dem Hintergrund, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag

zwischen CDU, CSU und SPD vorgenommen hat, die UN-Guiding Prin-
ciples on Business and Human Rights auf nationaler Ebene umzusetzen,
bis wann plant die Bundesregierung einen Aktionsplan für die Umsetzung
der UN-Leitprinzipien vorzulegen, und in welchem Ressort wird dafür die
Federführung liegen?

b) Wie gedenkt die Bundesregierung, die „Due Dilligence“-Anforderungen
(Sorgfaltspflicht) der Leitprinzipien gesetzlich zu verankern?

c) Wie gedenkt die Bundesregierung darüber hinaus, die drei Säulen der UN-
Leitprinzipien („Protect, Respect, Remedy“) umzusetzen?

2. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Transparenz in der
globalen Zulieferkette zu verbessern?
a) In welchem Zeitrahmen gedenkt die Bundesregierung, die EU-Richtlinie

2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und
damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen
umzusetzen?

b) Wird die Bundesregierung ihre bisherige Position zum Vorschlag der
Europäischen Kommission zur Offenlegung von nichtfinanziellen Infor-
mationen durch Unternehmen (COM(2013) 207) überarbeiten?
Wenn ja, an welchen Punkten wird die neue Position sich von der bisher
vertretenden Position (siehe z. B. Antwort der Bundesregierung vom
21. Februar 2012 auf die Schriftliche Frage 78 auf Bundestagsdrucksache
17/8637 des Abgeordneten Uwe Kekeritz) unterscheiden?

3. Wie gedenkt die Bundesregierung, Einfluss auf die Einhaltung von Arbeits-
standards in Drittländern zu nehmen?
a) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der Entwick-

lungszusammenarbeit, um bessere Arbeitsstandards voranzutreiben?
b) Plant die Bundesregierung, beispielsweise durch Maßnahmen im Rahmen

der Handelspolitik, die Nachfragemacht der Bundesrepublik Deutschland
zu nutzen, um Einfluss auf Regierungen zu nehmen, die bislang grund-
legende Arbeitsstandards, wie sie auch aus den Kernarbeitsnormen abzu-
leiten sind, nicht durchsetzen?
Und wenn ja, durch welche Maßnahmen?

c) Plant die Bundesregierung andere Initiativen, um ökologische und soziale
Produktionsmissstände bei Zulieferern deutscher Unternehmen zu ver-
meiden?

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4. Welche Prozesse treibt die Bundesregierung auf nationaler sowie euro-
päischer Ebene voran, um die Klagemöglichkeiten für Opfer von trans-
nationalen Unternehmen zu verbessern?
a) Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung des Zivil- und des Zivilpro-

zessrechtes, sodass Opfer transnationaler Unternehmen Entschädigungs-
ansprüche effektiv geltend machen können?

b) Plant die Bundesregierung eine Anpassung der entsprechenden Rechts-
vorschriften, insbesondere im Zivil-, Handels- und Gesellschaftsrecht, um
Unternehmen dazu zu verpflichten, entlang der gesamten Geschäftsbezie-
hungen die gebotene Sorgfalt auf dem Gebiet der Menschenrechte einzu-
halten?

c) Plant sie, bei außer Acht lassen der Sorgfalt haftungsrechtliche Konse-
quenzen einzuführen, sowie die Haftung von Mutterkonzernen auf ihre
Tochter- und Subunternehmen so auszuweiten, dass ein zivil- als auch
strafrechtliches Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich
praktikabel für Geschädigte in Drittländern wird?

d) Plant die Bundesregierung eine Anpassung der Rom-II-Verordnung (Ver-
ordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse an-
zuwendende Recht) voranzutreiben, um den Opfern die Möglichkeit zu
geben, ihre Ansprüche nach geltendem EU-Recht einzuklagen?

e) Plant die Bundesregierung, sich für eine Verlängerung der Verjährungs-
fristen für Menschenrechtsklagen einzusetzen?

f) Wie steht die Bundesregierung zur Einführung eines Unternehmensstraf-
rechts, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, mit Hilfe dieses
Rechts die Unternehmensverantwortung positiv zu beeinflussen?

5. Welche Beschwerdemechanismen stellt die Bundesregierung Opfern von
Unternehmen zur Verfügung?
a) Inwiefern plant die Bundesregierung eine Reform der Nationalen Kon-

taktstelle (NKS) der OECD?
b) Wie schätzt die Bundesregierung die von Experten wiederholt angeführte

Kritik an der deutschen NKS ein (vgl. Stellungnahme von Germanwatch
2008, www.germanwatch.org/corp/oecd08un.pdf)?

c) Wie will die Bundesregierung Interessenskonflikte, die sich durch die An-
siedlung der NKS im Referat für Außenwirtschaftsförderung ergeben (wie
selbst vom ehemaligen UN-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Men-
schenrechte, John Ruggie, kritisiert, Report vom 7. April 2008 „Protect,
Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights“), zu-
künftig vermeiden?

d) Wie würde eine reformierte NKS im Detail organisiert sein?
e) Würde die Bundesregierung die Sachkompetenz der Zivilgesellschaft bei

der Neuorganisation der NKS abrufen, und wenn ja, wie?
f) Wann plant die Bundesregierung den OECD Peer Review durchführen zu

lassen, für den sie sich bereits im Sommer 2012 freiwillig gemeldet hat
(www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/oecd-nks-jahresbericht-juli-
2011-2012,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf)?

Drucksache 18/833 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
6. Inwieweit stellen die ILO-Kernarbeitsnormen und die OECD-Leitsätze rich-
tungsweisende Leitlinien für die Außenwirtschaftspolitik der Bundesregie-
rung dar?
a) Plant die Bundesregierung, die öffentliche Beschaffung verstärkt an den

genannten Rahmenwerken auszurichten?
b) Gedenkt die Bundesregierung, Instrumente der Außenwirtschaftsförde-

rung von der Einhaltung der OECD-Leitsätze abhängig zu machen?
c) Welche Kontrollmechanismen hat die Bundesregierung, um die Einhal-

tung von Arbeitsstandards und die Achtung der Menschenrechte ihrer Ver-
tragspartner im Fall von Auslandsinvestitionen zu überprüfen?

d) Welche Sanktionsmechanismen hat die Bundesregierung bisher genutzt,
und welche hätte sie nutzen können, wenn Arbeitsstandards durch Unter-
nehmen missachtet und die Menschenrechte verletzt wurden?

7. Wie gedenkt die Bundesregierung, die Arbeit der ILO in Zukunft zu unter-
stützen und in die eigene Politik mit einzubeziehen?
a) Plant die Bundesregierung eine Mittelerhöhung zur Unterstützung der

ILO?
Wenn ja, in welchem Umfang (bitte um Auflistung der Budgetplanung für
die nächsten vier Jahre)?

b) Gedenkt die Bundesregierung, die ILO stärker in die Arbeit der NKS oder
in ähnlichen Gremien einzubeziehen?

8. Wie soll das von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller in der „Ber-
liner Zeitung“ (siehe Interview vom 31. Januar 2014) angekündigte Nachhal-
tigkeitssiegel ausgestaltet sein?
a) Soll es sich um eine Initiative aus der Privatwirtschaft handeln (vgl. Fair

Trade, Rainforest Alliance etc.), oder wird ein staatliches Nachhaltigkeits-
siegel angestrebt?

b) Sollen bestehende Siegel weiterentwickelt werden oder ein neues Siegel
konzipiert werden?
Und dienen US-amerikanische Regelungen (wie das GOTS-Siegel) als
Vorbild?

c) Falls eine Weiterentwicklung angestrebt wird, will die Bundesregierung
bestimmte Label mit einem zusätzlichen, staatlichen Nachhaltigkeitssie-
gel versehen oder eine Art Dachsiegel für bestimmte Labels einführen?

d) Plant die Bundesregierung, sich für eine europäische Siegel-Initiative ein-
zusetzen?

e) Wie bewertet die Bundesregierung eine Ampel-Kennzeichnung im Nach-
haltigkeitsbereich?

f) Wie bewertet die Bundesregierung eine Zertifizierung von Unternehmen
(entsprechend dem US-amerikanischen Beispiel der GOTS-Zertifizie-
rung) anstelle der Zertifizierung bestimmter Produkte?

g) Plant die Bundesregierung Initiativen, um Greenwashing- und Fairwa-
shing-Label zu bekämpfen?

Berlin, den 17. März 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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