BT-Drucksache 18/8132

Illegale Finanzbeziehungen bekämpfen - Steueroasen austrocknen

Vom 15. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8132
18. Wahlperiode 15.04.2016
Antrag
der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch, Klaus Ernst,
Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard
Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Petra Sitte, Dr. Axel Troost und der Fraktion
DIE LINKE.

Illegale Finanzbeziehungen bekämpfen – Steueroasen austrocknen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die geleakten Informationen aus den Panama Papers haben erneut bestätigt, dass die
Finanzbranche seit Jahren künstliche juristische Personen wie Briefkastenfirmen
oder Stiftungen in sogenannten Steueroasen benutzt, um die wirtschaftlich Berech-
tigten des darin eingebrachten Geldvermögens zu verbergen. Diese Intransparenz ist
auch von Politikern, Kriminellen und Terroristen weltweit genutzt worden, um die
Höhe oder die Herkunft ihres Vermögens zu verschleiern. Die dafür nötigen „Fi-
nanzdienstleistungen“ wurden auch von deutschen Banken angeboten. Bereits vor
den aktuellen Veröffentlichungen der Panama Papers wurde im letzten Jahr ein Ver-
fahren gegen die Commerzbank eingeleitet, weil ihr nach Medienberichten im Feb-
ruar 2015 der Vorwurf gemacht wurde, dass sie deutschen Steuerbetrügern durch die
Einrichtung von Briefkastenfirmen geholfen habe, wobei der Schaden für den Fiskus
allein bei diesen Ermittlungen auf bis zu einer Milliarde Euro geschätzt wurde. Im
Zuge der Berichterstattung wurde damals bereits öffentlich, dass die Commerzbank
mit der Mossack Fonseca Group in Panama zusammenarbeitete (Süddeutsche Zei-
tung, 25.2.2015, 18.14 Uhr). Nach Medienberichten im Oktober 2015 wurde das
Verfahren in diesem Zusammenhang gegen Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von
17 Millionen Euro eingestellt, was das „manager magazin“ zu der Überschrift ver-
anlasste: „Commerzbank kommt in Steueraffäre glimpflich davon“ (15.10.2015).
Panama war am 1. Januar 2012 von der Liste der bei der Bekämpfung der Geldwä-
sche nicht kooperativen Länder gestrichen worden, nachdem die Regierung verspro-
chen hatte, sich künftig an das Regelwerk internationaler Transparenz bei Finanz-
transaktionen zu halten. Panamas Status als „kooperativer Staat“ wurde alljährlich
überprüft. Noch im Februar 2012 wurde Panama von der OECD sogar von der
grauen Liste gestrichen, auf der Staaten mit Defiziten beim internationalen Aus-
tausch von Finanz- und Steuerinformationen geführt werden. Die neu geleakten In-
formationen aus den Panama Papers haben jetzt endgültig bestätigt, dass entgegen
dieser Zusagen das Geschäft mit Briefkastenfirmen und anderen juristischen Kon-
struktionen zur Tarnung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse in Panama unver-
ändert während der letzten Jahre fortgesetzt wurde.

Drucksache 18/8132 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Nach den Enthüllungen durch Offshore Leaks, Lux Leaks und Swiss Leaks verdeut-
lichen die Panama Papers einmal mehr die dringende Notwendigkeit wirksamer na-
tionaler wie internationaler Maßnahmen gegen Steuervermeidung, Steuerbetrug und
Steuerdumping, damit wieder gewährleistet wird, dass sich niemand der Zahlung
eines fairen Steueranteils entziehen kann. Um dieses Ziel zu erreichen, muss
Deutschland auf nationaler Ebene dringend bestehende Defizite beseitigen. Die Bun-
desrepublik Deutschland landete Anfang November letzten Jahres beim vom Netz-
werk Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network) ermittelten Schattenfinanzindex,
der den potentiellen Anteil an der Schattenwirtschaft anhand kombinierter qualitati-
ver und quantitativer Daten bemisst, auf dem achten Platz und damit erneut unter
den Top 10. Die Bundesrepublik Deutschland sei „ein sicherer Hafen für die gestoh-
lenen Reichtümer von Diktatoren, Steuerfluchtgelder und Mafiavermögen aus aller
Welt. (blog steuergerechtigkeit, 3.11.2015).
Um diesem nicht hinnehmbaren Missstand entgegenzuwirken, ist insbesondere si-
cherzustellen, dass die Strafverfolgungsbehörden und Finanzämter personell, tech-
nisch und vom gesetzlichen Rahmen her in die Lage versetzt werden, Schaden von
den öffentlichen Haushalten abzuwenden bzw. zu minimieren, der durch bestehende
Intransparenz, sowie neue Steuervermeidungs- und Steuerhinterziehungsmodelle
entsteht, die insbesondere von den Reichsten der Gesellschaft ausgenutzt werden.
Das durch diese Maßnahmen den öffentlichen Haushalten der Bundesrepublik
Deutschland zusätzlich zufließende Geld, soll für dringend notwendige staatliche
Ausgaben und Investitionen zur Verfügung stehen, zum Beispiel für Schulen, Kran-
kenhäuser oder Sozialprogramme.
Vorschläge für wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der auf nationaler Ebene be-
stehenden Defizite bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Schattenfi-
nanzwirtschaft liegen der Bundesregierung seit langem vor. So forderte die Fraktion
DIE LINKE. bereits in ihrem Antrag „Den Kampf gegen Steuerhinterziehung nicht
dem Zufall überlassen“ vom 23. März 2010 (Bundestagsdrucksache 17/1149) wirk-
mächtige Sanktionen gegen die an der Betreibung von Steueroasen Beteiligten um-
zusetzen. Vorgeschlagen wurden unter anderem, die Kündigung von Doppelbesteu-
erungsabkommen, die Einführung von Quellensteuern und empfindliche Strafen für
Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten. Die Fraktion präzisierte und
ergänzte die Vorschläge in dem Antrag „Steueroasen trockenlegen – offshore und
hierzulande“ vom 17. April 2013 (Bundestagsdrucksache 17/13129). So enthält der
Antrag die Forderung nach dem Aufbau einer Bundesfinanzpolizei. Zudem wurde
auf das Vorbild des US-amerikanischen Foreign Account Tax Compliance Act
(FATCA) hingewiesen. Dessen wesentlicher Unterschied zu anderen Initiativen für
eine Informationsweitergabe besteht darin, dass die USA Finanzinstitute direkt in
Pflicht nehmen anstatt ausschließlich auf die Kooperationsbereitschaft von Staaten
zu setzen. Keiner der vorgelegten Vorschläge wurde von der Bundesregierung auf-
gegriffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Aufbau einer Bundesfinanzpolizei auch für die Bekämpfung von Steuerhin-
terziehung und Steuerbetrug umzusetzen. Hierzu soll diese Bundesinstitution in
einem ersten Schritt die Steuerfahndung der Länder als Zentralstelle unterstützen,
ergänzen und koordinieren. Die Zentralstelle soll dabei auch einheitliche Anfor-
derungen an die Steuerfahndung für die Bundesländer entwickeln und deren Um-
setzung kontrollieren. Langfristig ist die Aufgabenverteilung zwischen Bundes-
finanzpolizei und Steuerfahndung der Länder gesetzlich so auszugestalten, dass
eine vereinheitlichte und effektive Bekämpfung von Steuerhinterziehung und
-betrug sowie Geldwäsche sichergestellt wird;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8132
2. Doppelbesteuerungsabkommen mit „Steueroasen“ wie Panama oder den Virgin

Islands bis zur nachgewiesenen Umsetzung von wirksamen Maßnahmen gegen
Steuertricks, insbesondere der Sicherstellung eines vollumfänglichen automati-
schen Austausches aller steuerlich relevanten Informationen, zu kündigen;

3. umgehend dem Deutschen Bundestag notwendige Gesetzentwürfe vorzulegen,
nach denen Quellensteuern auf alle aus Deutschland abfließenden Zahlungen von
Unternehmen und Kapitalerträge sowie insbesondere auf Finanzabflüsse in alle
„Steueroasen“ wie Panama und die Virgin Islands erhoben werden können;

4. sicherzustellen, dass im Ausland erzielte Kapitalerträge von in Deutschland Steu-
erpflichtigen mindestens genauso hoch wie im Inland erzielte Kapitalerträge be-
steuert werden. Hierfür ist bei der Vermeidung der Doppelbesteuerung vollstän-
dig von der bisher überwiegend angewandten Freistellungsmethode auf die An-
rechnungsmethode umzustellen;

5. auf EU-Ebene aktiv zu werden, damit sich alle EU-Mitgliedstaaten der in 2., 3.
und 4. genannten Praxis anschließen und darüber hinaus vollständige öffentliche
Register aller letztlich begünstigten Eigentümer von Firmen, Stiftungen und ver-
gleichbaren Rechtskonstrukten eingeführt werden;

6. das Vorbild des US-amerikanischen Foreign Account Tax Compliance Act
(FATCA) aufzugreifen, um Banken, sonstige Finanzinstitute und Finanzdienst-
leister zur Weitergabe von bisher nicht oder kaum zugänglichen steuerrelevanten
Informationen an die Steuerbehörden heranzuziehen. Sofern Finanzinstitute oder
deren Kundinnen und Kunden steuerrelevante Informationen nicht oder nicht
vollständig bereitstellen, werden diese mit einer Strafquellensteuer in Höhe von
50 Prozent auf sämtliche Zahlungsströme, die Deutschland verlassen, belegt;

7. umgehend dem Deutschen Bundestag notwendige Gesetzentwürfe vorzulegen,
die sicherstellen, dass Banken, in denen Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleis-
tet wird, stärker bestraft werden – bis hin zum Entzug der Banklizenz;

8. die Initiative für eine wirksame Vermögensbesteuerung inklusive einer Millio-
närssteuer in Deutschland und eine EU-weit koordinierte Vermögensabgabe für
Millionäre zu ergreifen.

Berlin, den 14. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.