BT-Drucksache 18/8074

Drohende Streckenstilllegungen verhindern - Regionalisierungsmittel erhöhen

Vom 13. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8074
18. Wahlperiode 13.04.2016
Antrag
der Abgeordneten Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Caren Lay, Herbert Behrens,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Annette
Groth, Kerstin Kassner, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Birgit Menz, Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

Drohende Streckenstilllegungen verhindern – Regionalisierungsmittel
erhöhen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) seit der Bahnreform ist
überwiegend eine Erfolgsgeschichte. Diese Erfolgsgeschichte wurde bedroht durch
den nicht gelösten Streit zwischen Bund und Ländern über die Fortgeltung des Re-
gionalisierungsgesetzes (RegG), aus dem die Länder den SPNV finanzieren, über
das Jahr 2014 hinaus. Aus diesem Grund drohten bereits Streckenstillegungen. Nach
langer Blockadehaltung der Bundesregierung, die bis zuletzt ihre konkreten Vorstel-
lungen nicht offenlegte, wurden die Ministerpräsidenten insbesondere der Ostländer
am Rande einer Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und
Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September
2015 von der Bundesregierung überrumpelt. Die Bundesregierung unterbreitete ei-
ner kleinen Gruppe von nur vier anwesenden Ministerpräsidenten am Abend des
24. September 2015 den Vorschlag einer Erhöhung der Regionalisierungsmittel auf
8 Mrd. Euro im Jahr bei einer jährlichen Dynamisierung von 1,8 Prozent. Die An-
nahme des Vorschlages wurde protokolliert (Beschluss der Besprechung der Bun-
deskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur
Asyl- und Flüchtlingspolitik am 24. September 2015, lfd. Nr. 6).
Die Bundesländer hatten anhand eines gemeinsam in Auftrag gegebenen Gutach-
tens, dessen Aussagen von der Bundesregierung nicht in Frage gestellt wurden,
nachgewiesen, dass die bisherige Finanzmittelausstattung von zuletzt knapp 7,3
Mrd. Euro im Jahr 2014 mit einer bis dahin jährlichen Steigerung von nur 1,5 Prozent
bei weitem nicht mehr ausreichend sei, um weitere, erforderliche Mehrverkehre zu
bestellen und Strecken zu ertüchtigen. Deshalb sei eine Anhebung auf 8,5 Mrd. Euro
pro Jahr und ab 2016 eine jährliche Steigerung um 2 Prozent pro Jahr erforderlich.
Auch diese Steigerung reiche aber nur dann aus, wenn die Trassen- und Stations-
preise der Deutschen Bahn AG durchschnittlich um nicht mehr als 2 Prozent pro Jahr
steigen. Im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz (VMK) vom 1. und 2. Oktober
2014 in Kiel einigten sich die Bundesländer auf eine Mittelverteilung nach dem so

Drucksache 18/8074 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
genannten Kieler Schlüssel (vgl. www.verkehrsministerkonferenz.de/VMK/DE/ter-
mine/sitzungen/14-10-01-02-vmk.), die den westlichen Bundesländern sukzessive
einen höheren Anteil zugestand. Kein Bundesland sollte weniger als ein jährliches
Plus von 1,25 Prozent gegenüber dem bisherigen verbuchen, so genannte „Sperr-
klinke“.
Das Ergebnis dieses Beschlusses wurde im Zuge des Verfahrens des bereits zuvor
vom Bundesrat angerufenen Vermittlungsausschusses in ein Änderungsgesetz zum
Regionalisierungsgesetz überführt, das zum 15. Dezember 2015 in Kraft getreten ist
(vgl. Bundestagsdrucksachen 18/3785, 18/3993, 18/4514, 18/4189). Nicht geregelt
werden konnte dabei aber die Frage, wie die Mittel auf die Länder aufgeteilt werden.
Dies soll über eine Verordnung des Bundes mit Zustimmung der Länder geregelt
werden. Bis heute liegt aber kein Entwurf für eine solche Verordnung vor. Hinter-
grund ist, dass sich die Länder zusammen mit ihrer Forderung nach einer Aufsto-
ckung der Regionalisierungsmittel zugleich auf eine Neuverteilung der Mittel unter-
einander geeinigt hatten. Der so genannte Kieler Schlüssel wurde auch bei der Ver-
einbarung am 24. September 2015 zugrunde gelegt. Da die zur Verfügung stehende
Summe aber um 500 Mio. Euro niedriger liegt und auch die Dynamisierung um 0,2
Prozent geringer ausfällt als von der VMK im Oktober 2014 angenommen, führt die
Anwendung des Kieler Schlüssels ohne weitere Randbedingungen dazu, dass die
östlichen Bundesländer weniger Mittel erhalten würden, als sie bislang nach dem
alten Verteilungsschlüssel erhalten. Deswegen drohen nun Abbestellungen und Stre-
ckenstilllegungen in den östlichen Bundesländern, die in einigen Ländern bereits
konkret angekündigt wurden.
Es zeigt sich, dass die vereinbarte Erhöhung der Regionalisierungsmittel auf nur
8 Mrd. Euro definitiv nicht ausreichend ist. Weil diese Mittel gut investiertes und
verwendetes Geld – auch im Sinne der Schaffung von guten Arbeitsplätzen – sind,
soll der Bund die Mittel um weitere 500 Mio. Euro aufstocken. Die Fraktion DIE
LINKE. hat dies bereits in den Beratungen zum Bundeshaushalt 2016 beantragt
(Ausschussdrucksache des Haushaltsausschusses 18(8)2822). Dieser Antrag wurde
aber von der Koalitionsmehrheit im Haushaltsausschuss abgelehnt.
Ebenfalls nicht umgesetzt ist eine weitere Nebenvereinbarung vom 24. Septem-
ber 2015: „Bund und Länder werden die Dynamik des Anstiegs der Trassenpreise
begrenzen.“ Vor allem deren deutliche jährliche Steigerungen haben dazu geführt,
dass die Regionalisierungsmittel nicht mehr ausreichend waren. Während die Regi-
onalisierungsmittel jährlich nur um 1,5 Prozent gestiegen sind, wurden die Trassen-
und Stationspreise der Deutschen Bahn AG für den SPNV zwischen 2007 und 2013
um durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr erhöht – und machen so mittlerweile ca.
60 Prozent der Bestellerentgelte aus.
Hierzu einigte man sich im Vermittlungsverfahren auf eine Protokollnotiz der Bun-
desregierung, eine Begrenzung des Anstiegs der Stations- und Trassenpreise über
das Eisenbahnregulierungsgesetz zu gewährleisten (Protokollerklärungen der Bun-
desregierung zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Bundes-
tagsdrucksache 18/6370, zu Nummer 2 (Artikel 2 Nummer 1, § 5 Absatz 5 RegG)).
Die Bundesregierung hat daraufhin im Januar 2016 einen Gesetzentwurf zur Stär-
kung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich im Kabinett verabschiedet. Die Länder
bezweifeln aber, dass der Bund mit den darin vorgesehenen Regelungen den Anstieg
der Stations- und Trassenpreise tatsächlich im versprochenen Maße begrenzen kann.
Deswegen haben die Länder zum Gesetzentwurf im Rahmen der Beratungen im
Bundesrat diverse Änderungsvorschläge eingebracht, die sich überwiegend darauf
beziehen (Bundesratsdrucksache 22/16(B)).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8074
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend einen Gesetzentwurf zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes zu be-
schließen, mit dem die Regionalisierungsmittel rückwirkend zum 1.1.2016 um
500 Mio. Euro auf 8,5 Mrd. Euro erhöht werden und die jährliche Steigerungsrate
auf 2 Prozent pro Jahr festgelegt wird, um insbesondere eine Benachteiligung Ost-
deutschlands und drohende Streckenstilllegungen zu verhindern.

Berlin, den 12. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.