BT-Drucksache 18/806

Keine Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland

Vom 13. März 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/806
18. Wahlperiode 13.03.2014

Antrag
der Abgeordnete Herbert Behrens, Sabine Leidig, Thomas Lutze, Annette
Groth, Caren Lay, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva
Bulling-Schröter, Roland Claus, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Michael
Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Kirsten Tackmann, Hubertus Zdebel und
der Fraktion DIE LINKE.

Keine Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag lehnt die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland
ab. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um eine fahrleistungsabhängige
Pkw-Maut, um zeitbezogene Vignetten oder eine Kombinationen aus diesen bei-
den Varianten handelt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

alle Planungen für die Einführung einer Pkw-Maut unverzüglich einzustellen.

Berlin, den 13. März 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Eine Pkw-Maut oder eine Vignette für Personenkraftwagen (Pkw) zur Nutzung des deutschen Autobahn-
netzes, des Netzes aller Bundesfernstraßen oder gar des gesamten Straßennetzes ist weder erforderlich noch
sinnvoll.

Hintergrund der Forderungen nach einer entsprechenden Einführung ist die angebliche Unterfinanzierung
des Straßenbaus. Dies überzeugt aber nicht, da der Staat aus dem Straßenverkehr durch die Mineralölsteuer,
die Mehrwertsteuer auf diese sowie die Kfz-Steuer fast 50 Mrd. Euro jährliche Steuereinnahmen (Brutto)
Drucksache 18/806 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

erzielt. Diese unterliegen zwar sinnvollerweise keiner Zweckbindung, die Zahlen machen aber deutlich,
dass die Einnahmen aus diesem Bereich grundsätzlich mehr als ausreichend sind, um die Kosten zu decken
und dass eine zusätzliche Nutzerfinanzierung durch private Pkw nicht erforderlich ist.

Ausländische Pkw zahlen in Deutschland etwa das Doppelte an Mineralölsteuer, als ihnen an Wegekosten
zugerechnet werden kann. Somit wäre auch deren ausschließliche Beteiligung an den Wegekosten, wie es
der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorsieht, nicht gerechtfertigt. Zudem ist es EU-
rechtlich nicht zulässig, Straßenbenutzungsgebühren nur für ausländische Kfz einzuführen.

Für den Güterverkehr ist eine solche Nutzerfinanzierung hingegen anders zu bewerten. Lastkraftwagen
(Lkw) stehen als Teil des gewerblichen Verkehrs in Konkurrenz zum Schienengüterverkehr und der Bin-
nenschifffahrt, für deren Nutzung ebenfalls (bei Bundeswasserstraßen allerdings nur teilweise) Wegekosten
zu zahlen sind. Zudem nutzen Lkw die Straßeninfrastruktur deutlich stärker ab.

Zur Entlastung der öffentlichen Haushalte ist deswegen die bereits bestehende Lkw-Maut im Sinne des
Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD auf alle Bundesstraßen, und darüber hinaus auf kleinere
Lkw und Reisebusse im Buslinienfernverkehr, um externe Kosten zu erweitern sowie in einem weiteren
Schritt auf das gesamte Straßennetz auszudehnen. Mit einer solchen Ausweitung der Lkw-Maut könnten
nach Angaben der sog. Daehre-Kommission insgesamt bis zu 4,7 Mrd. Euro jährlich mehr eingenommen
und der Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Auch deshalb ist eine Pkw-Maut zur Finan-
zierung zusätzlicher Verkehrsinvestitionen nicht erforderlich.

Je nach Ausgestaltung, insbesondere bei einer fahrleistungsabhängigen Abgabe, bestehen zudem große
datenschutzrechtliche Bedenken gegen eine Pkw-Maut. Wie die Koalitionsverhandlungen gezeigt haben, in
denen Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich die Nutzung der Daten der Lkw-Maut für die Strafverfol-
gung forderte, ist es hinsichtlich des Datenschutzes geboten, die Erhebung personenbezogener Daten auf
ein Minimum zu reduzieren, um solche Begehrlichkeiten gar nicht erst entstehen zu lassen (Gebot der Da-
tensparsamkeit). Hierauf ist bei der Neuvergabe des Lkw-Maut-Erfassungssystems ein sehr großes Augen-
merk zu legen.

Eine Vignette hätte keinerlei ökologische Lenkungswirkung und würde mit einem erheblichen Maß an inef-
fizienter Verkehrsverdrängung auf das nachgeordnete Straßennetz einhergehen.

Sowohl eine fahrleistungsabhängige Maut als auch eine Vignette würden Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer mit geringem Einkommen überproportional belasten. Insbesondere für diejenigen Pendlerinnen und
Pendler, die aufgrund mangelnden ÖPNV-Angebots faktisch keine Freiheit bei der Wahl des Verkehrsmit-
tels haben, d. h. auf den eigenen Pkw angewiesen sind, käme jede Form einer privaten Nutzerfinanzierung
des Straßenbaus einer Kürzung der Pendlerpauschale gleich. Für Erwerbslose insbesondere im ländlichen
und suburbanen Raum, in denen der ÖPNV weit weniger ausgebaut ist als in urbanen Zentren, würden Nut-
zungsgebühren für Fernstraßen bisweilen sogar einen Ausschluss von Mobilität bedeuten.

Da unabhängig von der konkreten Ausgestaltungsform (fahrleistungsabhängige Maut oder Vignette) eine
private Nutzerfinanzierung des Straßenbaus nicht gleichzeitig ökologischen und sozialen Zielsetzungen
gerecht werden kann, sind alle legislativen Schritte zu deren Einführung umgehend einzustellen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.