BT-Drucksache 18/7376

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 18/7206, 18/7366 - Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen 2100 (2013), 2164 (2014) und 2227 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013, 25. Juni 2014 und 29. Juni 2015

Vom 27. Januar 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7376
18. Wahlperiode 27.01.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Agnieszka Brugger, Omid Nouripour,
Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Annalena Baerbock, Marieluise
Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner,
Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin, Doris Wagner und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 18/7206, 18/7366 –

Fortsetzung und Erweiterung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission
der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen
2100 (2013), 2164 (2014) und 2227 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen vom 25. April 2013, 25. Juni 2014 und 29. Juni 2015

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

Nach dem Krisenjahr 2012 konnte durch das französische Eingreifen im Januar 2013
ein Zerfall des malischen Staates verhindert werden. Damals waren islamistische
Kämpfer und Tuareg-Verbände aus dem Norden auf die Hauptstadt Bamako vorge-
rückt. Nahezu eine halbe Millionen Menschen waren auf der Flucht, es drohte eine
humanitäre Katastrophe. Obwohl sich Mali seither etwas stabilisiert hat, ist die Lage
besonders im Norden immer noch sehr fragil. Immer wieder kommt es zu Anschlä-
gen und Kämpfen zwischen der Regierung und den Rebellen. Auch zwischen den
verschiedenen Rebellengruppen finden regelmäßig bewaffnete Auseinandersetzun-
gen statt. Darüber hinaus attackieren kriminelle Akteure die Zivilbevölkerung und
staatliche Institutionen. Außerdem werden die internationalen Truppen der UN-Mis-
sion immer wieder zum Ziel gewaltsamer Angriffe. Laut dem jüngsten Bericht des
UN-Generalsekretärs zur Situation in Mali (S/2015/1030) bleibt MINUSMA weiter-
hin primäres Angriffsziel extremistischer und terroristischer Gruppierungen insbe-
sondere in der Region Gao: im Durchschnitt wurden im Zeitraum Ende September
bis Mitte Dezember 2015 zwei Drittel aller MINUSMA-Konvoys in der Region
durch improvisierte Sprengfallen angegriffen. Seit Beginn der Mission 2013 kamen
insgesamt 73 UN-Soldatinnen und -Soldaten ums Leben, damit ist MINUSMA die
zurzeit gefährlichste UN-Mission weltweit.

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Gerade deswegen ist es wichtig, die bisher erreichten Fortschritte abzusichern, um
zu einer landesweiten Versöhnung und Wiederaufbau zu kommen. Der erste Mei-
lenstein dafür war der im Juni 2015 in der Hauptstadt Bamako unterzeichnete Frie-
densvertrag. Ohne das Engagement der MINUSMA wäre es nicht gelungen, alle
Konfliktparteien zu diesen Vereinbarungen zu bewegen. Gleichzeitig hat die Mis-
sion unter Beweis gestellt, dass sie unparteilich Fortschritte ebenso wie Rückschläge
und die dafür Verantwortlichen benennt. Besonders die Unterstützung der Friedens-
abkommen durch die Rebellenorganisation Coordination des mouvements de l'Aza-
wad (CMA) gilt als entscheidend für die weitere Umsetzung des Friedensprozesses.
Im Oktober 2015 gelang es zudem, dass auch die lokalen Gruppierungen sich auf
einen Friedensvertrag verständigten. Diese aktuellen Entwicklungen geben Anlass
für vorsichtigen Optimismus, allerdings sollten sie nicht darüber hinwegtäuschen,
dass es in der Vergangenheit immer wieder zu Rückschlägen bei den Gesprächen
zwischen den Konfliktparteien kam. So wurde die Waffenruhe Anfang 2015 lange
nicht eingehalten. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass der Anschlag auf das Hotel
in Bamako im November 2015 durch radikalisierte islamistische Gruppen bisher
keine Auswirkungen auf die Friedensgespräche hatte und von der CMA verurteilt
wurde.
Langfristig wird es notwendig sein, dass die gewalttätigen Ausschreitungen der Ver-
gangenheit und Kriegsverbrechen aufgearbeitet und die Verantwortlichen zur Re-
chenschaft gezogen werden. Human Rights Watch, Amnesty International und viele
nationale Menschenrechtsorganisationen haben eine Vielzahl von Verbrechen wäh-
rend der Kämpfe 2012 und 2013 dokumentiert: Massenexekutionen, Plünderungen,
Vergewaltigungen oder den Einsatz von Kindersoldaten durch alle am Konflikt be-
teiligten Akteure. Auch wurde vereinzelt Kritik am Vorgehen der französischen Ser-
val-Einheit geübt, so dokumentierte beispielsweise Amnesty International die Fest-
nahme von Minderjährigen, ihre Unterbringung in ungeeigneten Gefängnissen und
das Versterben einzelner Kämpfer in Haft. Aktuelle Berichte der Vereinten Nationen
zeigen auf, dass auch in den Jahren 2014 und 2015 derartige Missstände fortdauer-
ten. So wirft der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte der
malischen Regierung, ebenso wie Rebellengruppen, die die Friedensabkommen un-
terzeichneten, den fortdauernden Einsatz von Kindersoldaten, illegale Verhaftungen,
Plünderungen und Angriffe auf die Zivilbevölkerung vor. Diese Verstöße gegen gel-
tende menschenrechtliche Grundsätze wurden bisher nur unzureichend aufgearbeitet
und die malische Armee weist derartige Vorwürfe bisher zurück. Damit eine umfas-
sende Aufarbeitung möglich wird, ist die Kooperation aller Akteure, vor allem aber
ein friedliches und stabiles Umfeld nötig, das mit dem internationalen Engagement
erreicht werden soll.
Die malische Regierung kann bislang in zentralen Bereichen wie Korruptionsbe-
kämpfung, Versöhnung, Dezentralisierung und ökonomische Entwicklung nur ge-
ringe Fortschritte aufweisen. Auch braucht es ein engagierteres Vorgehen beim
Kampf gegen den organisierten Drogenhandel. Zentrale Elemente der angestrebten
Sicherheitssektorreform, bspw. wer nach welchen Kriterien in die Streitkräfte inte-
griert, und wer demobilisiert werden soll, oder Entscheidungen, durch wen und wo
derartige Projekte umgesetzt werden sollen (sog. Cantonment-Prozess), stehen viel-
fach noch aus. Zentrale Institutionen des Rechtsstaats, wie Richter und Staatsanwälte
wurden auf Grund der Sicherheitslage wieder aus einigen Distrikten abgezogen. Lo-
kale Wahlen wurden im Oktober verschoben, eine Überarbeitung des Wahlgesetzes
liegt noch nicht vor. Diese Verzögerungen sorgen für zunehmende Frustration, ins-
besondere im fragilen Norden des Landes. Viele nationale Akteure, aber auch der
ehemalige Sondergesandte der Vereinten Nationen in Mali, Mongi Hamidi, forder-
ten die malische Regierung daher zu mehr Transparenz und einer engagierteren Um-
setzung auf.
In den kommenden Monaten wird der Friedensprozess in eine entscheidende Phase
eintreten. Die im vergangenen Jahr erreichten Vereinbarungen müssen jetzt zügig

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umgesetzt und lokal verankert werden. Die internationale Gemeinschaft sollte diesen
Weg weiter begleiten und unterstützen. Die Stärkung der UN-Mission MINUSMA
ist dafür von großer Bedeutung, da sie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung
und Stärkung des Friedensprozesses leistet. Die kritische Sicherheitssituation behin-
dert die Arbeit von MINUSMA insgesamt: der UN-Generalsekretär weist darauf hin,
dass durch die notwendigen Maßnahmen wie Feldlagerschutz und die Begleitung
und Absicherung von Konvoys rund zwei Drittel der infanteristischen Kapazitäten
von MINUSMA gebunden sind. Dadurch werde die Umsetzung der mandatierten
Aufgaben in ernstzunehmender Weise behindert.
Es ist richtig und sinnvoll, dass Deutschland sein Engagement bei der Blauhelm-
Mission im Norden Malis ausweitet. Die Bundesregierung plant, MINUSMA mit
Aufklärungsfähigkeiten der Bundeswehr zu unterstützen und damit einen erweiter-
ten Beitrag zur Überwachung des Waffenstillstandes und der Umsetzung des weite-
ren Friedensprozesses zu leisten. Die Unparteilichkeit von MINUSMA ist für das
Gelingen des Friedensprozesses unerlässlich. Schon deshalb darf es keinerlei Ver-
mischung mit Aufgaben der offensiven Aufstandsbekämpfung geben. Klar ist aber
auch, dass der Einsatz mit erheblichen Risiken und Gefahren verbunden ist. Die Sol-
datinnen und Soldaten müssen daher bestmöglichen Schutz und Ausstattung erhal-
ten, um die Risiken so gering wie möglich zu halten. Der jüngste Bericht des UN-
Generalsekretärs zur Situation in Mali verdeutlicht jedoch, dass es MINUSMA nach
wie vor insbesondere an Fähigkeiten zur Absicherung der Konvoys und Schutzkom-
ponenten (force protection) mangelt.
Die humanitäre Lage in Mali ist nach wie vor sehr schwierig. Es befinden sich der-
zeit noch über 139.000 Flüchtlinge in den Nachbarländern. Knapp 61.000 Menschen
sind innerhalb von Mali vertrieben (UNHCR November 2015). Allerdings kehren
auch immer mehr Flüchtlinge in ihre Heimat zurück. Diese Menschen bei ihrer
Rückkehr zu unterstützen, muss im Mittelpunkt der humanitären Initiativen der in-
ternationalen Gemeinschaft stehen. Das UNHCR muss deshalb bei der Umsetzung
seiner Rückkehrstrategie für malische Flüchtlinge größtmögliche Unterstützung er-
fahren. Die Finanzierung der humanitären Hilfe ist bisher jedoch nicht sichergestellt.
So wurden im Jahr 2015 lediglich 35 Prozent der eigentlich benötigten Mittel durch
die internationale Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Hier muss die internationale
Gemeinschaft stärker ihrer Verantwortung gerecht werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Umsetzung des malischen Friedensprozesses weiter zu unterstützen und
von der malischen Regierung eine breite Beteiligung und Konsultation diverser
politischer und zivilgesellschaftlicher Akteure einzufordern;

2. für den optimalen Schutz der Soldatinnen und Soldaten und die Absicherung
der sanitätsdienstlichen Rettungskette im Einsatz gemäß der Gefährdungslage
zu sorgen;

3. darzulegen welchen Beitrag der deutsche militärische Einsatz zur Erreichung
welcher Ziele des UN-Mandats hat, wann gegebenenfalls Anpassungen des
deutschen Beitrages vorzunehmen sind und wann dieser Beitrag als erfolgreich
angesehen und beendet werden kann;

4. die malische Regierung beim Aufbau von demokratischen und rechtsstaatlichen
Strukturen stärker als bisher zu unterstützen. An der zivilen MINUSMA-Kom-
ponente sind derzeit 20 Polizisten aus Deutschland beteiligt. Auch dieser Bei-
trag sollte erhöht werden;

5. auf eine baldige Durchführung der ursprünglich für Oktober 2015 vorgesehe-
nen Regionalwahlen zu drängen;

6. bei der Zusammenarbeit konkrete Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung
und gegen die organisierte Kriminalität, insbesondere den Drogenhandel, zu
verstärken;

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Drucksache 18/7376 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
7. die malische Regierung und die anderen Akteure auch weiterhin beim politi-

schen Versöhnungsprozess durch konkrete Beratungs- und Konsultationsange-
bote zu unterstützen und dabei auch lokale und zivilgesellschaftliche Initiativen
einzubinden, hierfür muss auch sichergestellt sein, dass ausreichend ziviles Per-
sonal in allen Missionen EUTM, MINUSMA und EUCAP Sahel Mali zur Ver-
fügung steht;

8. die konsequente Aufklärung von Kriegsverbrechen, sowie die Verurteilung von
Straftätern seitens der malischen Regierung voranzubringen und die Ausbil-
dung malischer Streitkräfte an menschenrechtlichen Grundsätzen zu orientie-
ren;

9. der malischen Regierung Unterstützung bei der Demobilisierung und der damit
verbundenen Entwaffnung sowie der Wiedereingliederung von Kämpfern in
die Gesellschaft vor allem auch im Hinblick auf die rekrutierten Kindersolda-
tinnen und -soldaten anzubieten;

10. bei der Entwicklungszusammenarbeit mit Mali besondere Schwerpunkte auf
staatliche Dezentralisierung und dem Aufbau von zivilen Strukturen im Norden
des Landes zu legen, sowie Anti-Korruptionsmechanismen in Entwicklungs-
projekte zu fördern. Dabei müssen insbesondere die Belange von Frauen und
die Sicherstellung langfristiger Ernährungssicherung im Mittelpunkt stehen;

11. eine umfassende Evaluierung des Einsatzes der Bundeswehr vor der nächsten
Verlängerung des Mandats für die MINUSMA-Mission und die EUTM-Mis-
sion vorzulegen.

Berlin, den 26. Januar 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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