BT-Drucksache 18/7155

Durchsetzung des Mindestlohns im Verkehrsgewerbe

Vom 18. Dezember 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7155
18. Wahlperiode 18.12.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Eva Bulling-Schröter,

Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert, Thomas Lutze,

Birgit Menz, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,

Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Durchsetzung des Mindestlohns im Verkehrsgewerbe

Das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe bildet neben
dem Baugewerbe und der Gastronomie einen Schwerpunktbereich bei den Kon-
trollen wie bei der Ahndung von Verstößen gegen das Mindestlohngesetz
(MiLoG) durch die Behörden der Zollverwaltung (vgl. Bundestagsdrucksa-
che 18/5807; neues deutschland, 9. Oktober 2015: „Mindestlohnkontrolle auf der
Autobahn“). Nicht allein die Kontrolldichte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit
(FKS) verweist auf die problematische Situation für die Beschäftigten in dieser
Branche, die im Zusammenhang mit der Liberalisierung des EU-Binnenmarktes
und der EU-Osterweiterung seit Jahren bereits mit Lohndumping und schlechten
Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Eine von der Gewerkschaft ver.di veröf-
fentlichte Auswertung einer DGB-Index-Gute-Arbeit-Befragung von Mitgliedern
des entsprechenden Fachbereichs aus dem Jahr 2013 ergab, dass nur 3 Prozent der
Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen als „gut“ einstufen, 76 Prozent hingegen als
„schlecht“. Die von dem DGB-Index abgebildete Arbeitsqualität erfasste dabei so-
wohl die physischen wie psychischen Belastungen als auch die materielle Absiche-
rung der Beschäftigten (vgl. psl.verdi.de/++file++53330e96aa698e0659000dcc/
download/die-arbeitsbedingungen-im-post-und-logistiksektor.pdf).

Die insbesondere vor dem Hintergrund der osteuropäischen Dumpinglohnkon-
kurrenz gebotene umfängliche Durchsetzung des ab dem 1. Januar 2015 gelten-
den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde steht bis heute
aus. Grund hierfür ist auch das von der Europäischen Kommission am 21. Januar
2015 eingeleitete Pilotverfahren wegen der Durchsetzung des Mindestlohngeset-
zes im grenzüberschreitenden Straßenverkehr. Die Bundesregierung wurde hier-
bei aufgefordert, Erläuterungen zur Vereinbarkeit mit der Waren- und Dienstleis-
tungsverkehrsfreiheit sowie zur Vereinbarkeit mit den Verordnungen über den
Zugang zum Straßengüter- und Straßenpersonenverkehrsmarkt und der sog. Ent-
senderichtlinie (Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von
Dienstleistungen) zu geben. Nach einem Gespräch mit ihrem damaligen polni-
schen Amtskollegen Władysław Kosniak-Kamysz verkündete die Bundesminis-
terin für Arbeit und Soziales Andrea Nahles am 30. Januar 2015 eine Interimslö-
sung für den Transitverkehr, die bis heute Bestand hat. Neben der offenen Frage
nach der Kontrolle ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen
weitere Rechtsfragen der allgemeinen Umsetzung des Mindestlohns in dieser
Branche im Weg; diese betreffen u. a. die Vergütung der Bereitschaftszeiten oder
die anrechenbaren Lohnbestandteile bzw. Lohnäquivalente.

Drucksache 18/7155 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

 

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist der Stand bezüglich des EU-Pilotverfahrens, und bis zu welchem
Zeitpunkt rechnet die Bundesregierung mit einer abschließenden Klärung al-
ler diesbezüglichen europarechtlichen Fragen?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung von Prof. Dr. Wolf-
gang Däubler, der die unionsrechtlichen Einwände gegen die Anwendung
des MiLoG mit Verweis auf die Artikel 62 und Artikel 52 des Vertrags über
die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für unzulässig hält und
demzufolge einschränkende Regelungen der Dienstleistungsfreiheit im Zu-
sammenhang mit der Wahrung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-
interessen EU-rechtskonform sind (vgl. www.lto.de/recht/hintergruende/h/
mindestlohn-fernverkehr-transitfahrten-deutschland-europa-kommission/)?

3. Wie viele Verfahren wurden im Bereich des Transitverkehrs mit dem Ver-
dacht des Verstoßes gegen das Mindestlohngesetzes im Jahr 2015 eingeleitet
und infolge der Interimslösung dann eingestellt?

4. Wie viele Bußgelder in welcher durchschnittlichen Höhe wurden aufgrund
des Verstoßes gegen das MiLoG gegen Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgeber
des Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbes bis-
lang verhängt?

5. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen um sicherzustellen,
dass bei den Kontrollen von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern die Kabotagebeförderung oder die grenzüberschreitende Güterbe-
förderung, die weiterhin den gesetzlichen Mindestlohnbestimmungen unter-
liegt, nicht als Transitverkehr deklariert wird?

6. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung für den Bereich der Kabota-
gebeförderung hinsichtlich meldepflichtiger Einsatzplanungen sowie Ände-
rungsmeldungen von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland vor, und wie hoch
ist die Anzahl derer, die nicht der Meldepflicht nachkommen (bitte detailliert
aufschlüsseln nach der Anzahl der Einsatzplanungen, Änderungsmeldungen,
festgestellten Verstöße, nicht, nicht korrekt, nicht vollständig oder nicht
rechtzeitig angezeigten Einsatzplanungen)?

7. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um zu verhindern, dass
deutsche Spediteure im Rahmen der EU-Niederlassungsfreiheit Tochterge-
sellschaften in osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten gründen und mit vor Ort
eingestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Bestimmungen des
Mindestlohngesetzes unterlaufen?

8. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, bei denen über Tochter-
gesellschaften in EU-Mitgliedstaaten das Mindestlohngesetz unterlaufen
wurde (bitte aufschlüsseln für den Zeitraum nach dem EU-Beitritt der osteu-
ropäischen Länder)?

9. Welche Maßnahmen ergreifen die Bundesfinanzdirektionen zur Überprü-
fung und Umsetzung der Meldepflicht bei der Kabotagebeförderung und dem
grenzüberschreitenden Güterverkehr sowie bei Verstößen in Bezug auf die
Arbeitszeiterfassung (bitte detailliert aufschlüsseln nach Anzahl und Art der
erfassten Verstöße von Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgebern mit Sitz im Aus-
land sowie entsprechenden Kraftfahrerinnen bzw. Kraftfahrern)?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Vorschlägen
des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) be-
züglich der besseren Kontrolle der Mindestlohnbestimmungen bei gebiets-
fremden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (vgl.www.dvz.de/rubriken/
management-recht/single-view/nachricht/mindestlohn-laesst-immer-noch-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7155

 

fragen-offen.html), insbesondere zum empfohlenen Aufbau eines Online-
meldesystems zur Übermittlung, Erfassung und Speicherung sowie zur Stei-
gerung der Effizienz der FKS-Kontrollen?

11. Welche Maßnahmen zu der Evaluation der Durchsetzung des Mindestlohns
in dem Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe
plant die Bundesregierung, und nach welchen Kriterien soll diese Evaluation
ggf. durchgeführt werden?

12. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über Verstöße gegen die in
der Logistikbranche geltenden Aufzeichnungs- und Dokumentationspflich-
ten für inländische Arbeitgeber vor (bitte detailliert aufschlüsseln nach An-
zahl und Ort der Kontrollen, festgestellten Ordnungswidrigkeiten sowie der
durchschnittlichen Bußgeldhöhe und Anzahl, Anzahl der kontrollierten Fah-
rer, die gemäß der MiLoDokV mind. 2 958 Euro brutto verdienen und damit
von der Aufzeichnungspflicht ausgenommen sind, der durchschnittlichen
Höhe der täglichen Lenk- und alles umfassenden Arbeitszeit, inkl. Pausen
und Ruhezeiten), und welche Maßnahmen strebt die Bundesregierung zur
Durchsetzung der vollumfänglichen Zeiterfassung für das Fahrpersonal an,
da neben den Lenkzeiten, welche durch das EU-Kontrollgerät erfasst werden,
auch alle weiteren Arbeitstätigkeiten als Arbeitszeit gelten und damit voll zu
erfassen sind?

Berlin, den 17. Dezember 2015

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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