BT-Drucksache 18/696

Befristung von Arbeitsverträgen

Vom 28. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/696
18. Wahlperiode 28.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Diana Golze, Annette Groth, Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger,
Susanna Karawanskij, Harald Petzold (Havelland), Michael Schlecht,
Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler, Dr. Sahra Wagenknecht, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Befristung von Arbeitsverträgen

Befristete Arbeitsverträge haben sich in den vergangenen Jahren enorm aus-
geweitet. Ein großer Teil der Neueinstellungen erfolgt nur noch mit einem be-
fristeten Arbeitsvertrag. Insbesondere junge Beschäftigte sind davon betroffen.
Eine aktuelle Untersuchung des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung (IAB) kommt zu dem Ergebnis, dass die erste Phase des Erwerbslebens
instabiler und unsicherer geworden ist. Diese Entwicklung korrespondiere mit
dem Anstieg der Befristungsquote bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
(vgl. IAB-Kurzbericht 3/2014). Befristete Arbeitsverträge erschweren die Le-
bensplanung und sind mit einer unsicheren Berufsperspektive verbunden.
Ob ein Arbeitsvertrag befristet ist oder nicht, ist daher zentral für die Qualität
von Arbeit. Dies zeigt exemplarisch eine Untersuchung der IG Metall. Danach
befragt, was für sie eine gute Arbeit ausmacht, sagen in dieser Umfrage knapp
90 Prozent der Befragten, dass ein unbefristeter Arbeitsvertrag für sie sehr wich-
tig sei.
Aus arbeitsrechtlicher Perspektive besteht die Gefahr, dass mit befristeten Ar-
beitsverträgen der Kündigungsschutz ausgehöhlt wird. Sowohl die Erfüllung
des sachlichen Grundes als auch der Zeitablauf beenden das befristete Arbeits-
verhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Damit werden die Vorschriften
des Kündigungsschutzes, beispielsweise zur Sozialauswahl, und auch jede
Chance der Mitbestimmung von Betriebs- oder Personalräten bei der Beendi-
gung des Arbeitsverhältnisses von vornherein ausgeschlossen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele befristet Beschäftigte gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung

derzeit in Deutschland, und wie hat sich dieser Wert in den vergangenen
20 Jahren entwickelt (bitte für jedes Jahr in absoluten Zahlen und als Anteil
an allen Beschäftigten darstellen; bitte nach Geschlecht und Alter differen-
zieren)?

2. Wie viele der Neueinstellung erfolgen nach Kenntnis der Bundesregierung
derzeit in Deutschland mit einem befristeten Arbeitsvertrag, und wie hat sich
dieser Wert in den vergangenen 20 Jahren entwickelt (bitte für jedes Jahr in
absoluten Zahlen und als Anteil an allen Neueinstellungen darstellen; wenn
möglich, bitte nach Geschlecht und Alter differenzieren)?

Drucksache 18/696 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Bei wie vielen der befristeten Arbeitsverträge erfolgt nach Kenntnis der
Bundesregierung eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis,
und wie hat sich dieser Wert in den vergangenen zehn Jahren entwickelt
(bitte für jedes Jahr einzeln darstellen und falls möglich, bitte nach Ge-
schlecht und nach Alter differenzieren)?

4. Wie viele der befristeten Arbeitsverträge werden nach Kenntnis der Bundes-
regierung nach dem Auslaufen durch einen weiteren befristeten Arbeitsver-
trag verlängert, und wie hat sich dieser Wert in den vergangenen zehn Jahren
entwickelt (bitte für jedes Jahr einzeln darstellen und falls möglich, bitte
nach Geschlecht und Alter differenzieren)?

5. Wie viele der befristeten Arbeitsverhältnisse werden nach Auslaufen der
Befristung beendet, und wie hat sich dieser Wert in den vergangenen zehn
Jahren entwickelt (bitte für jedes Jahr einzeln darstellen und falls möglich,
bitte nach Geschlecht und Alter differenzieren)?

6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele der
befristeten Arbeitsverträge auf einer sachgrundlosen Befristung beruhen?

Wie hat sich der Anteil der sachgrundlosen an allen Befristungen in den ver-
gangenen Jahren entwickelt?

7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, wie viele der
befristet vorgenommenen Neueinstellungen auf einer sachgrundlosen Be-
fristung beruhen, und wie hat sich der Anteil der sachgrundlosen Befris-
tungen an allen befristeten Neueinstellungen in den vergangenen Jahren ent-
wickelt?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit zur Befristung von Ar-
beitsverträgen ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes hinsichtlich der
Auswirkungen auf die Qualität von Arbeit?

Sieht sie hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit zur sachgrundlosen Be-
fristung von Arbeitsverträgen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Hand-
lungsfähigkeit von Betriebs- und Personalräten sowohl bezüglich einer
möglichen Spaltung von Belegschaften als auch bezüglich befristeter Be-
schäftigung von Mitgliedern des Betriebs- und Personalrates?

Sieht sie hier gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

10. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über eine disziplinierende Wir-
kung von befristeten Arbeitsverträgen auf die Beschäftigten und auf betrieb-
liche Interessenvertretungen vor?

Wenn ja, welche?

Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es angesichts der negativen
Wirkungen auf die Betroffenen und auf die Handlungsfähigkeit von Interes-
senvertretungen nicht gerechtfertigt ist, dass Arbeitsverträge ohne Vorlie-
gen eines sachlichen Grundes befristet werden dürfen (bitte begründen)?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Befristung eines Ar-
beitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes eine unzulässige
Umgehung des Kündigungsschutzes ist (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/696
13. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Auswirkungen von
befristeten Arbeitsverhältnissen auf die individuelle Lebenssituation der
Beschäftigten vor?
Wenn ja, welche?
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Erkennt-
nissen?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass befristete Arbeitsverträge
die Lebensplanung der Betroffenen erschweren und zu mehr Unsicherheit
im Erwerbsleben führen?
Wenn ja, welchen Handlungsbedarf leitet sie hieraus ab (bitte begründen)?

15. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der in der Vorbe-
merkung der Fragesteller zitierten Untersuchung des Institutes für Arbeits-
markt- und Berufsforschung, der zufolge die zunehmende Instabilität und
Unsicherheit in der ersten Phase des Erwerbslebens mit der zunehmenden
Befristungsquote von Jugendlichen und jungen Erwachsenen korrespon-
diert?
Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der gestiegenen Be-
fristungsquote bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf den Erwerbs-
verlauf und die Möglichkeiten zur Lebensplanung?

16. Welche zentralen gesetzlichen Änderungen gab es im Befristungsrecht in
den vergangenen 20 Jahren, und wie bewertet die Bundesregierung jeweils
die Auswirkungen der vorgenommen Änderungen?
Welchen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung aus diesen Schluss-
folgerungen ab?

17. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Anteil von Nied-
riglöhnen bei befristet Beschäftigten im Vergleich zur Gesamtwirtschaft
vor?

18. Welche Auswirkungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung Alter,
Geschlecht, Migrationshintergrund und Qualifikation auf Befristungs-
quoten?
Wie stellen sich die Befristungsquoten differenziert nach diesen Merkmalen
dar?

19. Welche sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zehn Berufsgruppen,
die am häufigsten von befristeten Arbeitsverträgen betroffen sind, und wie
hoch ist bei diesen Gruppen jeweils die Übernahmerate (falls möglich, bitte
nach Geschlecht differenzieren)?

20. Welche sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zehn Wirtschafts-
zweige, in denen der höchste Anteil von befristeten Arbeitsverträgen vor-
liegt, und wie hoch ist in diesen Wirtschaftszweigen jeweils die Übernah-
merate (falls möglich, bitte nach Geschlecht differenzieren)?

21. Welche sind nach Kenntnis der Bundesregierung die zehn Berufsgruppen
und welche die zehn Wirtschaftszweige mit den höchsten Anteilen an be-
fristeten Arbeitsverträgen bei den Neueinstellungen (falls möglich, bitte
nach Geschlecht differenzieren)?
Wie hoch sind jeweils die Übernahmeraten?

22. Welchen Anteil hat nach Auffassung der Bundesregierung die Möglichkeit
zur sachgrundlosen Befristung an der in den vergangenen Jahren zu beob-
achtenden Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen?

Drucksache 18/696 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils der Anteil von Be-
schäftigten mit befristeten Arbeitsverträgen an allen Beschäftigten in den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union (falls möglich, bitte nach Ge-
schlecht und Alter differenzieren)?

24. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils der Anteil be-
fristeter Arbeitsverträge bei Neueinstellungen in den Mitgliedstaaten der
Europäischen Union (falls möglich, bitte nach Geschlecht und Alter diffe-
renzieren)?

25. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Übernahme-
raten von befristeten in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse in den Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union (falls möglich, bitte nach Geschlecht
und Alter differenzieren)?

26. In welchen Staaten der Europäischen Union gibt es nach Kenntnis der Bun-
desregierung vergleichbare oder ähnliche Regelungen zur in Deutschland
bestehenden Möglichkeit, Arbeitsverträge ohne das Vorliegen eines sach-
lichen Grundes zu befristen?

Berlin, den 27. Februar 2014

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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