BT-Drucksache 18/6190

Alle Flüchtlinge willkommen heißen - Gegen eine Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung

Vom 29. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6190

18. Wahlperiode 29.09.2015

Antrag

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sabine Zimmermann (Zwickau),

Matthias W. Birkwald, Sevim Dağdelen, Dr. André Hahn, Katja Kipping,
Katrin Kunert, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner,

Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Azize Tank, Frank Tempel, Kathrin Vogler,

Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann

und der Fraktion DIE LINKE.

Alle Flüchtlinge willkommen heißen – Gegen eine Politik der

Ausgrenzung und Diskriminierung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Auf dem so genannten Flüchtlingsgipfel vom 24. September 2015 wurde die
Chance für eine faire und gerechte Asylaufnahmepolitik vertan. In der Bevöl-
kerung gibt es eine breite Unterstützung für Schutzsuchende und viele zivilge-
sellschaftliche Initiativen, die den geflüchteten Menschen tagtäglich ein offenes
Willkommen bereiten. Die Bundeskanzlerin erklärte zu Recht, Deutschland
solle ein freundliches Gesicht im Umgang mit Flüchtlingen zeigen. Doch die
Botschaft des von ihr maßgeblich mitverantworteten Beschlusses vom 24. Sep-
tember 2015 ist eine andere: Die Bundesregierung setzt wieder vermehrt auf
eine Politik der Abschreckung und Entrechtung und auf eine Einteilung der
Asylsuchenden in vermeintlich „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge. Nicht zu-
letzt warnen die beiden Kirchen in Deutschland vor einer solchen stigmatisie-
renden Unterscheidung in Personen mit und ohne Bleiberechtsperspektive (Ge-
meinsame Stellungnahme vom 23. September 2015). Das Asylrecht ist ein in-
dividuelles Grund- und Menschenrecht, das eine diskriminierende Ungleichbe-
handlung verbietet. Ob Flüchtlinge eine Bleiberechtsperspektive haben, hängt
entscheidend von den gesetzlichen Regelungen und davon ab, ob ihnen Integ-
rationschancen eröffnet werden oder nicht. Eine Politik der Ausgrenzung und
Entrechtung ganzer Flüchtlingsgruppen verstärkt bestehende Vorurteile, indem
suggeriert wird, dass gegen einen angeblich verbreiteten Asylmissbrauch harte
Maßnahmen erforderlich seien. Das ist nicht zuletzt angesichts der dramatisch
gestiegenen, rassistisch motivierten Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlings-
heime unverantwortlich.

2. Die auf dem Flüchtlingsgipfel beschlossenen Regelungen sollen nun im par-
lamentarischen Schnellverfahren beschlossen werden, ohne Zeit für eine gründ-
liche Beratung. Verbänden wurde mit Frist eines Tages Gelegenheit zur Stel-
lungnahme gegeben, was etwa bei der Neuen Richtervereinigung auf „großes
Befremden“ stieß (Stellungnahme vom 23. September). Dabei sind wichtige

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Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren ganz ohne Gesetzesände-
rung möglich, etwa durch eine Aufstockung des Personals, die Optimierung der
Verfahrensabläufe und eine unkomplizierte pauschale Altfallregelung für län-
ger anhängige Verfahren. Dringlich sind allenfalls solche Änderungen, die eine
schnelle, winterfeste Unterbringung vieler Asylsuchender ermöglichen sollen.
Doch zugleich bleiben bereits bestehende Möglichkeiten zur Unterbringung
von Flüchtlingen bei hier lebenden Verwandten und Bekannten oder in leer ste-
hendem Wohnraum derzeit systematisch ungenutzt. Stattdessen sollen Asylsu-
chende künftig doppelt so lange wie bisher in großen Erstaufnahmeeinrichtun-
gen verbleiben müssen, Flüchtlinge vom Westbalkan sogar bis zu ihrer Ausreise
bzw. Abschiebung, verbunden mit einem Beschäftigungsverbot, vermehrten
Sachleistungen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht).
Das steht einer schnellen Integration von Schutzsuchenden, insbesondere aber
auch dem Kindeswohl und den Bedürfnissen besonders schutzbedürftiger
Flüchtlinge massiv entgegen.

3. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels ent-
hält inakzeptable und auch verfassungswidrige Verschärfungen. So sollen Aus-
reisepflichtige nach Ablauf der Ausreisefrist aus dem Asylbewerberleistungs-
gesetz ausgeschlossen werden und nur noch das „unabdingbar Notwendige“ er-
halten, um sie zur Ausreise zu bewegen. Eine solche sozial- und rechtsstaats-
widrige Instrumentalisierung des Leistungsrechts ist mit der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar: Das menschenwürdige Existenz-
minimum ist ein absolut geschütztes Menschenrecht und umfasst mehr als die
bloße physische Existenz. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu
relativieren, heißt es unmissverständlich im Urteil des Bundesverfassungsge-
richts vom 18. Juli 2012 (Az. BvL 10/10 und 1 BvL 2/11). Auch die Einstufung
dreier weiterer Westbalkanländer als sichere Herkunftsstaaten wird den Anfor-
derungen des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht. Dieses hatte mit Urteil
vom 14. Mai 1996 (Az. 2 BvR 1507/93 und 2 BvR 1508/93) erklärt, dass dem
Gesetzgeber bei einer solchen Einstufung ein Teil des Verfahrens zur Gewähr-
leistung des Asylgrundrechts übertragen wird und er deshalb besonders sorgfäl-
tig die Verhältnisse in den jeweiligen Ländern prüfen muss. Der aktuelle Ge-
setzentwurf trägt diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben in keiner Weise
Rechnung; in der Gesetzesbegründung fehlt jede nachvollziehbare, argumenta-
tive Auseinandersetzung mit unabhängigen Berichten internationaler Organisa-
tionen wie dem UNHCR oder dem Europarat, obwohl dies auch im EU-Recht
ausdrücklich vorgeschrieben wird (vgl. Art. 37 Abs. 3 der Asylverfahrensricht-
linie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013). Gerade die kumulative Verfolgung von
Roma in den Westbalkanländern durch systematische Diskriminierungen bei
politischen und sozialen Menschenrechten bedarf einer genauen Prüfung im
Einzelfall – statt pauschaler, realitätsferner Sicherheitsunterstellungen. Ein ek-
latanter Widerspruch ist es, den Kosovo auf dem Papier als sicher zu erklären
und gleichzeitig Tausende KFOR-Soldaten dorthin zu schicken, um die Lage
zu stabilisieren und für Sicherheit zu sorgen.

4. Weitere geplante Verschärfungen stehen für eine Brutalisierung des Abschie-
bungsverfahrens, etwa wenn nach Ablauf der ersten Ausreisefrist eine erneute
Ankündigung von Abschiebungen ausdrücklich verboten sein soll. Aus ganz
unterschiedlichen Gründen können rechtlich zulässige Abschiebungen oft über
Jahre hinweg nicht vollzogen werden. Es widerspricht dem Grundsatz der Men-
schenwürde und der Verhältnismäßigkeit, solche jahrelang geduldeten Men-
schen ohne Vorankündigung durch Überraschungsabschiebungen aus dem Le-
ben zu reißen. Zudem soll künftig der Zugang zu Härtefallkommissionen ver-
sperrt sein, wenn eine Abschiebung bereits terminiert wurde – für humanitäre
Entscheidungen darf es jedoch nie zu spät sein. Nicht zuletzt werden die gerade
erst beschlossenen Bleiberechtsregelungen durch weitreichende Verbote der
Beschäftigung und Ausbildung unterlaufen, insbesondere für Flüchtlinge aus

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vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten. Viele Schutzsuchende drohen infolge
der verschärften Regelungen zum bloßen Objekt einer auf Abwehr gerichteten
Politik zu werden.

5. Die auf dem so genannten Flüchtlingsgipfel vereinbarten Verbesserungen
sind unzureichend und können die erheblichen Verschärfungen keinesfalls le-
gitimieren. Eine strukturelle und dauerhafte finanzielle Beteiligung des Bundes
an den Kosten der Asylaufnahme war längst überfällig und den Ländern und
Kommunen bereits im Juni dieses Jahres zugesichert worden. In der Höhe sind
die beschlossenen Zuwendungen des Bundes immer noch nicht kostendeckend.
Zudem muss sichergestellt werden, dass das Geld die betroffenen Kommunen
auch erreicht. Richtig ist aber der Ansatz einer Kostenpauschale, die Ländern
und Kommunen eine verlässliche finanzielle Unterstützung abhängig von der
Zahl der Flüchtlinge bereitstellt. Auch die Zuschüsse des Bundes für den Neu-
bau von Wohnungen und die Ausweitung der Finanzierung des Bestands an So-
zialwohnungen um jeweils 500 Mio. Euro jährlich bis 2019 sind zu begrüßen;
dem vorausgegangen ist jedoch ein Kahlschlag im sozialen Wohnungsbau in
den Jahren zuvor. Der Finanzierungsbeitrag des Bundes für die Betreuung un-
begleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Höhe von 350 Mio. jährlich ist ein ers-
ter Schritt, dem weitere folgen müssen. Die Einführung einer Gesundheitskarte
für Asylsuchende bleibt auf halber Strecke stehen, sie erfolgt nicht flächende-
ckend, sondern bleibt den Bundesländern überlassen. Medizinische Behandlun-
gen sind weiter auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt, das
aber entspricht im Wesentlichen der bereits geltenden Rechtslage. Ein Zugang
zu Integrationskursen oder Hilfen zur Arbeitseingliederung wird nur Asylsu-
chenden mit guter Bleibeperspektive gewährt. Legale Einwanderungsmöglich-
keiten zur Beschäftigung unter tarifvertraglichen Bedingungen für Staatsange-
hörige der Westbalkanstaaten sind davon abhängig, dass zuvor zwei Jahre lang
keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen wurden;
Hauptziel der Regelung ist es, die Menschen von der Stellung von Asylanträgen
abzuhalten bzw. sie im Fall einer erfolglosen Asylsuche zu sanktionieren.

6. Die Bundesregierung muss die aktuellen Herausforderungen bei der Auf-
nahme von Flüchtlingen zum Anlass nehmen, insgesamt eine Politik der sozia-
len Gerechtigkeit einzuschlagen. Es darf keine weitere Spaltung in der Gesell-
schaft geben. Viele sozial ausgrenzte Menschen haben das Gefühl, ihre Nöte
und Probleme fänden in der aktuellen Politik keine Berücksichtigung mehr. Die
menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Asylsuchen-
den ist eine völkerrechtliche und humanitäre Verpflichtung, die das wirtschaft-
lich starke Deutschland vorbildlich erfüllen kann und muss. Diese Aufgabe
muss jedoch solidarisch ausgestaltet werden. Das heißt, die Bundesregierung
muss von ihrer Fixierung auf die Erwirtschaftung von Haushaltsüberschüssen
abrücken und Mehreinnahmen zur Finanzierung dieser Jahrhundertaufgabe
durch eine gerechte und effektive Besteuerung des vorhandenen Reichtums er-
zielen. Die Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung und Wohnungsnot al-
ler Menschen in Deutschland müssen effektiv bekämpft werden. Viele Städte
und Gemeinden stoßen diesbezüglich derzeit angesichts einer stark gestiegenen
Zahl Asylsuchender an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Das liegt aber vor al-
lem daran, dass der Bund sich bislang nicht strukturell an den Kosten beteiligt
hat und die Erstattungsregelungen in den Bundesländern für die Kommunen nur
selten kostendeckend sind. Es darf nicht dazu kommen, dass kommunale Auf-
gaben wegen der Flüchtlingsaufnahme nicht mehr erfüllt werden können, das
ist Wasser auf die Mühlen von Nazis und den so genannten „besorgten Bür-
gern“.

7. Die dauerhafte Aufnahme von Hunderttausenden Flüchtlingen wird die deut-
sche Gesellschaft verändern, so wie dies auch bei der Integration von vielen
Millionen Vertriebenen, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, so genannten
Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern und Flüchtlingen aus unterschiedlichen

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Regionen der Welt schon der Fall war. All diese Einwanderungsprozesse haben
die Bundesrepublik, trotz einiger Widerstände und Probleme, letztlich gestärkt
und bereichert. Es gilt, die jetzigen Herausforderungen positiv anzunehmen und
in eine gemeinsame solidarische Zukunft zu investieren. Ein umfassendes staat-
liches Investitionsprogramm war und ist – jetzt umso mehr – erforderlich in den
Bereichen Kindertagesstätten, Schulen, Universitäten, Ausbildung und Be-
schäftigung, medizinische Versorgung und Wohnen. So wird der gesellschaft-
liche Zusammenhalt gestärkt.

8. Die vielen Flüchtlinge in Europa und in Deutschland sind die Überbringer
einer schlechten Botschaft: Es ist nicht gut bestellt um den Frieden und die Ge-
rechtigkeit in der Welt. Doch statt den Überbringer der schlechten Nachrichten
zu bestrafen oder zu versuchen, ihn erst gar nicht zu empfangen, müssen endlich
die Gründe aus der Welt geschaffen werden, die Menschen dazu zwingen, ihre
Länder zu verlassen. Die industrialisierten, westlichen Länder sind hierfür in
vielfältiger Weise maßgeblich mit verantwortlich. Die würdige Aufnahme und
der wirksame Schutz von Flüchtlingen ist nicht zuletzt vor diesem Hintergrund
eine uneingeschränkte politische, völkerrechtliche und humanitäre Verpflich-
tung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Gesetzentwurf zur Verschärfung des Aufenthalts- und Asylrechts nicht
weiterzuverfolgen und sich stattdessen für eine offene und gerechte Asylauf-
nahmepolitik und eine schnelle Integration der nach Deutschland kommenden
Flüchtlinge einzusetzen und Rassismus wirksam zu bekämpfen, wie im Detail
auf der Bundestagsdrucksache 18/3839 dargelegt;

2. die aktuellen Herausforderungen in der Asylpolitik zum Anlass zu nehmen,
eine sozial gerechte Politik einzuleiten und für eine effektive Besteuerung des
Reichtums in Deutschland zu sorgen, so dass die notwendigen Mittel für die
Aufnahme von Flüchtlingen rasch bereitgestellt werden können; hierzu gehört
auch die Schaffung eines starken Investitionsprogrammes, insbesondere in den
Bereichen Integration, Wohnen, Bildung und Arbeit, gerade hier kann gerecht
bezahlte Arbeit entstehen;

3. die Rede von der Bekämpfung von Fluchtursachen nicht nur als Phrase oder
zur Legitimierung von Abschottungsmaßnahmen zu verwenden, sondern ganz
konkret einen Politikwechsel einzuleiten, der gerechte Weltwirtschafts- und
Handelsbeziehungen, eine präventive und nicht auf Waffen und Kriege setzende
Friedenspolitik und einen effektiven Klimaschutz zum Ziel hat;

4. auf der EU-Ebene für die europäische Idee der Freizügigkeit einzutreten, statt
Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen einzuführen, und ihren Einfluss
geltend zu machen, damit alle Mitgliedstaaten der EU die Würde und Men-
schenrechte von Flüchtlingen uneingeschränkt achten.

Berlin, den 29. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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Begründung

Die Fraktion DIE LINKE. hat ihre konkreten Vorstellungen und Forderungen zu einem „grundlegenden Wan-
del in der Asylpolitik“ bereits in einem Antrag vom Januar 2015 im Detail dargelegt (vgl. Bundestagsdrucksa-
che 18/3839). Leitbild der Aufnahme soll eine schnelle Integration von Anfang an sein, denn die Mehrheit der
Asylsuchenden bleibt dauerhaft in Deutschland. Dies beinhaltet zum Beispiel einen Zugang aller Asylsuchen-
den zu Integrations- und Sprachkursen und eine Strategie der Arbeitsmarktintegration statt rechtlicher und fak-
tischer Arbeitsverbote. Der Bund soll alle Kosten der Aufnahme, Unterbringung und (auch medizinischen)
Versorgung von Asylsuchenden übernehmen, denn Flüchtlingsschutz ist eine internationale Verpflichtung, de-
ren Kosten nicht den oftmals überforderten Kommunen aufgebürdet werden dürfen. Mit einem neuen Flücht-
lingsaufnahmegesetz sollen bundesweit geltende, einheitliche Mindeststandards für die Aufnahme und Unter-
bringung normiert und eine verlässliche und langfristige Planung und Organisation ermöglicht werden. Die
Länder und Kommunen bleiben in der Verantwortung, indem sie vor Ort die Integration der Asylsuchenden
und Schutzberechtigten fördern und gewährleisten, etwa in den Bereichen Schule, Kultur, zivilgesellschaftli-
ches Engagement sowie unterstützend auch bei der Arbeits- und Wohnungsvermittlung. Auch zu den Erforder-
nissen einer nicht diskriminierenden Gesundheitsversorgung für Asylsuchende und Geduldete und einem kind-
gerechten Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat die Fraktion DIE LINKE. umfangreiche
Vorschläge unterbreitet (vgl. die Anträge „Medizinische Versorgung für Asylsuchende und Geduldete diskri-
minierungsfrei sichern“, Bundestagsdrucksache 18/5370, und „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit ei-
ner starken Jugendhilfe aufnehmen“, Bundestagsdrucksache 18/4185).

Die nunmehr geplanten Gesetzesänderungen stehen einer solchen offenen Asylpolitik konträr entgegen. Die
Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V. (Stellungnahme vom 22. September 2015)
spricht von einer „Entrechtung per Gesetz“ und einem „Desintegrationsprogramm für Flüchtlinge“, die soziale
Exklusion von Flüchtlingen mit geringer Bleibeperspektive führe zu einem gesellschaftlichen Klima der Ver-
achtung. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (Stellungnahme vom 22. September 2015) kritisiert eine Politik der
„Schikane“, die „genau in die falsche Richtung“ gehe, dauerhafte Arbeitsverbote und Sachleistungen seien
„eines Rechtsstaats nicht würdig“, die geplanten Leistungskürzungen ein „offener Verfassungsbruch“. Die ein-
seitige Fixierung auf Abschreckungsmaßnahmen gegenüber Flüchtlingen vom Westbalkan geht zudem an der
Realität vorbei: Diese machten zuletzt nur noch etwa zehn Prozent der neu registrierten Asylsuchenden aus.
Fast drei Viertel der Schutzsuchenden kamen hingegen aus Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten und hatten An-
erkennungschancen von 80 bis 100 Prozent, 50 Prozent waren syrische Flüchtlinge (Antwort der Bundesregie-
rung vom 17. September 2015 auf eine schriftliche Frage von Ulla Jelpke).

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