BT-Drucksache 18/610

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 18/437, 18/603 - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der malischen Regierung sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP und 2013/87/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012), 2085 (2012) und 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 19. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/610
18. Wahlperiode 19.02.2014

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Agnieszka Brugger, Omid Nouripour,
Uwe Kekeritz, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska
Brantner, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 18/437, 18/603 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens
der malischen Regierung sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP und
2013/87/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013
und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012),
2085 (2012) und 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Sicherheitslage in Mali hat sich nach dem Krisenjahr 2012 und dem Eingrei-
fen französischer Streitkräfte im Januar 2013 zwar insgesamt verbessert, ist in
einigen Regionen aber immer noch angespannt. Insbesondere im Norden beste-
hen weiter erhebliche Gefahren für die Zivilbevölkerung. Die Friedensbemühun-
gen werden dadurch erheblich erschwert. Die rund 500 000 Flüchtlinge und Bin-
nenvertriebenen können nur langsam in ihre Heimat zurückkehren, vielerorts
fehlt die öffentliche Verwaltung und Infrastruktur.
Mit der Verabschiedung der „Feuille de Route“ hatte die Übergangsregierung
und das Parlament in Bamako erste Schritte unternommen, um sich auf den Weg
zur vollständig verfassungsmäßigen Ordnung zu machen. Deren Umsetzung ver-
zögert sich jedoch in wichtigen Bereichen. Zwar waren die Präsidentschaftswah-
len ein Erfolg und ein wichtiger Schritt in Richtung Wiederherstellung der ver-
fassungsmäßigen Ordnung, aber bereits die sich anschließenden Parlamentswah-
len waren von einer geringen Beteiligung und teilweise von Gewalt auch gegen-
über dem Personal der Vereinten Nationen überschattet. Der Versöhnungs- und
Dialogprozess tritt abgesehen von einzelnen vertrauensbildenden Maßnahmen auf
der Stelle. Die Vorvereinbarung zwischen der Übergangsregierung und der Tua-

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reg-Bewegung MNLA (Mouvement pour la Libération de l´Azawad) über einen
reibungslosen Ablauf der Wahlen und über die Aufnahme von Friedensgesprä-
chen haben Teile der Rebellen am 29. November 2013 wieder aufgekündigt.
Im Juli 2013 nahm die mit der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrats der
Vereinten Nationen beschlossene VN-Mission MINUSMA (Mission
multidimensionelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali) ihre
Arbeit auf. Sie ersetzte die afrikanisch geführte Mission AFISMA (African-led
International Support Mission). Der Deutsche Bundestag begrüßt diese Überfüh-
rung von AFISMA in eine VN-Mission und die große Bereitschaft vieler afrika-
nischer Staaten, nach AFISMA sich auch an MINUSMA zu beteiligen.
Gleichzeitig hat die EU bereits Anfang 2013 die Trainings- und Ausbildungsmis-
sion EUTM Mali auf den Weg gebracht und 450 EU-Soldatinnen und -Soldaten
entsandt, um die malischen Sicherheitskräfte langfristig in die Lage zu versetzen,
die Sicherheitsverantwortung zu tragen. Die Bundesregierung will sich zukünftig
mit bis zu 250 Soldatinnen und Soldaten an dieser Mission beteiligen.
Der Bundestag begrüßt die Bemühungen, im Rahmen der Vereinten Nationen
eine Friedenslösung für Mali voranzubringen. Die EUTM-Mission leistet im
Bezug auf den Sicherheitssektor einen Beitrag zur weiteren Stabilisierung des
Landes und unterstützt damit auch den politischen Prozess. Durch die Präsenz der
internationalen Gemeinschaft und der europäischen Ausbildungsmission kann
zudem ein sicheres Umfeld für den Dialog- und Versöhnungsprozess, für die
Entwaffnung und Wiedereingliederung von Kämpfern in die Gesellschaft, für die
Sicherheitssektorreform und die Dezentralisierung des Staates befördert werden.
Die internationale Gemeinschaft legte ihr Augenmerk bislang auf schnelle Wah-
len, um nach dem Putsch von der malischen Bevölkerung legitimierte Ansprech-
partner auf malischer Seite zu haben. Aber Wahlen können nicht alle Problem
lösen. Ein tiefgreifender politisch-gesellschaftlicher Wandel, der nur über einen
Dialog- und Versöhnungsprozess geht, ist notwendig. Dieser kann nur von den
Malierinnen und Maliern selbst ausgehen, sollte aber dort, wo gewünscht und
erforderlich, von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden. Deutsch-
land genießt ein hohes Ansehen in Mali und sollte sich stärker engagieren, um
Gesprächskanäle für eine Vermittlung und Versöhnung zu öffnen.
Die Krise in Mali hat zur weiteren Destabilisierung der gesamten Sahelzone bei-
getragen. Eine große Zahl an Menschen ist in die Nachbarländer geflohen und
konnte bisher nicht zurückkehren. Islamistische Kämpfer haben sich in Nachbar-
länder zurückgezogen. Deshalb ist es unabdingbar, dass für eine tragfähige politi-
sche Lösung eine Strategie der regionalen Krisenprävention mit Nachdruck um-
gesetzt wird. In einem solchen Prozess müssen die Nachbarstaaten, insbesondere
Mauretanien und Algerien, einbezogen werden.
Die internationale Gemeinschaft hat sich bei der Geberkonferenz in Brüssel im
Mai 2013 entschlossen gezeigt, für die Stabilisierung Malis auch die notwendigen
finanziellen Mittel bereitzustellen. Deutschland ist seit 2012 Mitglied der Troika
der internationalen Gebergemeinschaft für Mali und hat damit eine besondere
Verantwortung, koordinierte und tragfähige Lösungen zu entwickeln, um Anreize
für Entwicklung zu setzen. Insgesamt 3 Mrd. Euro sind zugesagt. Die EU wird
580 Mio. bereitstellen, Großbritannien 115 Mio. und Deutschland 100 Mio. Euro.
Die Gelder sollen dazu eingesetzt werden, um unter Einbeziehung der Zivilge-
sellschaft sowie unter Berücksichtigung der besonderen Rolle von Frauen im
Wiederaufbauprozess eine demokratische Erneuerung und dezentrale Stärkung
des ganzen Landes zu erreichen. Dazu sind die Korruptionsbekämpfung und die
Förderung guter Regierungsführung zentral. Eine besondere Rolle spielt auch die
Ernährungssicherung, die mittel- und langfristig nur durch die Umsetzung des
Prinzips der Ernährungssouveränität gewährleistet wird und ländliche Entwick-
lung, da die Ernährungsunsicherheit besonders hoch ist und ein Großteil der Be-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/610

völkerung von der Landwirtschaft abhängig ist. Auch für die humanitäre Unter-
stützung der Flüchtlinge in Mali und den Nachbarstaaten ist ein entschlosseneres
internationales und koordiniertes Vorgehen notwendig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. dem politischen Prozess in Bamako und den Regionen mehr Aufmerksamkeit
zu widmen, damit auch die kommenden Kommunalwahlen fair und transpa-
rent durchgeführt werden können und eine breite Beteiligung und Konsulta-
tion der diversen politischen und gesellschaftlichen Akteure möglich wird;

2. die Akteure in Mali darin zu unterstützen, dass sowohl Binnenflüchtlinge als
auch Flüchtlinge in den Lagern in Burkina Faso an der Wahl teilnehmen
können;

3. sich aktiv und stärker als bisher für den Aufbau von innermalischen Dialog-
foren auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene einzusetzen, die ei-
nen nachhaltigen Versöhnungsprozess zwischen den verschiedenen Interes-
sensgruppen, Ethnien und Landesteilen befördern;

4. die Arbeitsfähigkeit des neuen malischen Parlaments zu unterstützen und bei
der wichtigen Frage der Dezentralisierung des Staates Beratung anzubieten;

5. ein stärkeres Augenmerk auf regionale diplomatische Bemühungen zu rich-
ten, um insbesondere Algerien und Mauretanien für die Unterstützung einer
nachhaltigen Friedenslösung zu gewinnen und mehr zur Umsetzung der EU-
Sahelstrategie beizutragen, um der Entstehung neuer Krisen frühzeitig vor-
zubeugen;

6. sich auf Ebene der VN, der EU, gegenüber der AU und ECOWAS dafür
einzusetzen, dass Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das hu-
manitäre Völkerrecht in Mali systematisch dokumentiert werden, gleich von
welcher Seite sie begangen wurden, schnell, unabhängig und vollständig auf-
geklärt werden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden
und dabei auch den Internationalen Strafgerichtshof bei seiner Arbeit zu un-
terstützen;

7. die humanitäre Hilfe für Mali in 2014 auf dem von der VN formulierten Be-
darf an Hilfsgeldern und dem daran von Deutschland zu zahlenden fairen
Anteil (6,73 Prozent) zu erhöhen;

8. bei der Entwicklungszusammenarbeit mit Mali besondere Schwerpunkte auf
Dezentralisierung, die Förderung von Frauen und die Ernährungssicherung
zu legen;

9. sich auf Ebene der VN dafür einzusetzen, dass durch VN-Beobachter die
Einhaltung der Menschenrechte von allen Akteuren überwacht wird und die-
se dem Sicherheitsrat regelmäßig darüber berichten;

10. für ein kohärentes Vorgehen der Geber zu sorgen, indem eine gemeinsame
Gesamtstrategie der Geber, die kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen
vorsieht, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und unter Beachtung der
besonderen Rolle von Frauen erarbeitet wird;

11. sich dafür einzusetzen, dass das Prinzip der gegenseitigen Rechenschafts-
pflicht zwischen der malischen Regierung und den internationalen Gebern
auf beiden Seiten konsequent etabliert wird;

12. der malischen Regierung Unterstützung bei der Demobilisierung und der
damit verbundenen Entwaffnung sowie der Wiedereingliederung von Kämp-
fern in die Gesellschaft vor allem auch im Hinblick auf die rekrutierten Kin-
dersoldatinnen und -soldaten anzubieten;
Drucksache 18/610 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

13. sich gegenüber der malischen Regierung für die Ausarbeitung einer umfas-
senden Reform des Sicherheitssektors einzusetzen und diese auch langfristig
zu unterstützen;

14. dem Deutschen Bundestag rechtzeitig vor dem Ablauf der Mandatierung bis
Ende Februar 2015 Bericht zu erstatten über den Fortlauf der Mission, den
Stand der Umsetzung der gesetzten Ziele insbesondere in den Bereichen Si-
cherheit, Regierungsführung und Versöhnungs- und Friedensprozess und in
diesem Zusammenhang die Wirksamkeit der angewandten zivilen und militä-
rischen Mittel zu evaluieren.

Berlin, den 19. Februar 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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