BT-Drucksache 18/5987

Erfahrungen beim Arbeitsmarktzugang und der Arbeitsförderung von Asylsuchenden und Flüchtlingen - Qualifikation und Beschäftigung

Vom 10. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5987
18. Wahlperiode 10.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, Jan Korte,

Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Katja Kipping,

Katrin Kunert, Cornelia Möhring, Dr. Petra Sitte, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler,

Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und

der Fraktion DIE LINKE.

Erfahrungen beim Arbeitsmarktzugang und der Arbeitsförderung von
Asylsuchenden und Flüchtlingen – Qualifikation und Beschäftigung

Krieg, Armut und Verfolgung führen weltweit zu einer steigenden Zahl von
Flüchtlingen. Viele der Flüchtlinge, die es nach Deutschland schaffen, werden
hier dauerhaft oder für eine längere Zeit bleiben. Die Politik und die Gesellschaft
sind gefordert, ihnen eine Perspektive zur Teilhabe und Integration zu bieten.
Zentral ist dabei eine Teilnahme am Arbeitsleben entsprechend ihrer Fähigkeiten,
Potentiale und eine Weiterbildung und -qualifikation zur Verbesserung ihrer Er-
werbschancen. Denn dann können die Betroffenen eigenständig für ihren Lebens-
unterhalt sorgen, sie erfahren Anerkennung und Bestätigung, gewinnen Selbst-
vertrauen und stärken mit ihren Ideen, ihrer Arbeitsleistung und ihren Steuer- und
Sozialversicherungsbeiträge das Gemeinwesen.

Die Arbeitsförderung muss einen wichtigen Beitrag für einen erfolgreichen Neu-
start und eine gelungene Integration leisten. Trotz gewisser Erleichterungen beim
Arbeitsmarktzugang in den letzten Jahren und Monaten sind die Möglichkeiten
der Arbeitsaufnahme für Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge weiterhin stark
beschränkt. Einerseits gilt ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot von drei
Monaten, und die Vorrangprüfung bis zu einem 15-monatigen Aufenthalt führt
meist zu einer faktischen „Nicht-Beschäftigung“ in dieser Zeit. Anderseits gibt es
in der praktischen Förderung zahlreiche Probleme, die sich als große Hürden er-
weisen, bevor die vorgesehenen Möglichkeiten der Arbeitsförderung überhaupt
greifen können. Dazu gehören unter anderem die lange Dauer der Asylverfahren,
ein völlig unzureichender Zugang zu Sprachkursen, unzureichende therapeuti-
sche Behandlungsmöglichkeiten für Flüchtlinge mit traumatischen Erfahrungen,
die Unterbringung in isolierenden, oft krank machenden Massenunterkünften
ohne Privatsphäre, aufwendige, kostenintensive und nicht selten langwierige Ver-
fahren zur Anerkennung der Berufsqualifikation, zu wenig Personal in den Job-
centern insbesondere mit Migrationshintergrund und interkultureller Kompetenz.
Das restriktive Aufenthaltsrecht, das Betroffene oft von familiären und sozialen
Netzwerken, die einer Integration förderlich sind, abschneidet, etwa durch Um-
verteilungen ohne Berücksichtigung bestehender Kontakte, unterläuft ebenso die
Möglichkeiten einer guten Arbeitsförderung sowie unklare Bleibeperspektiven
und ein Wechsel zwischen verschiedenen Rechtskreisen.

Drucksache 18/5987 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Mit einer Serie von vier zusammenhängenden Kleinen Anfragen will die Fraktion
DIE LINKE. eine Bestandsaufnahme unternehmen und die Haltung der Bundes-
regierung zu möglichen Reformschritten in der Arbeitsmarktintegration und Ar-
beitsförderung von Flüchtlingen erfragen (Hinweis: Sofern keine verfügbaren
Daten zu den abgefragten Personengruppen existieren, bitte die Fragen mit Daten
beantworten, die näherungsweise die Personengruppen erfassen).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Qualifikation der
Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge?

Hat sich die Qualifikationsstruktur im Verlauf der vergangenen Jahre ver-
ändert (bitte jeweils sofern möglich die Gruppe der Geduldeten extra aus-
weisen)?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Dauer und Probleme
der Berufsanerkennung von Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen
bzw. Flüchtlingen mit humanitärem Aufenthaltsstatus oder Flüchtlingsaner-
kennung (bitte entsprechendes Datenmaterial zu realen Verfahrensdauern
auch nach Herkunftsländern und Berufen nennen), und welche Schlussfolge-
rungen zieht sie daraus?

3. Wie oft wurde die Übernahme der Kosten im Berufsanerkennungsverfahren
teilweise oder ganz abgelehnt?

4. Trifft es zu, dass im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
und SGB III die Kosten des Anerkennungsverfahrens innerhalb der Zeit der
ersten drei Monate des Arbeitsverbotes (Wartezeit) nicht übernommen wer-
den können, und wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls diesen
Tatbestand, bzw. sieht sie Veränderungsbedarf?

5. Welche Kosten für die Berufsanerkennung können für Betroffene entstehen?

Welche Möglichkeiten der Kostenübernahme gibt es bisher, und sieht die
Bundesregierung hier einen Reformbedarf hinsichtlich weiterer Möglichkei-
ten der Kostenübernahme?

6. Welche Aussagen kann die Bundesregierung darüber treffen, wie hoch in der
Vergangenheit die Zahl und der Anteil der Asylsuchenden und geduldeten
Flüchtlinge (bzw. weiterer Flüchtlingsgruppen mit verschiedener Anerken-
nung und Aufenthaltsgenehmigung) war, die in den Arbeitsmarkt integriert
wurden (wenn möglich bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

7. Wie viele Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge (bzw. weitere Flücht-
lingsgruppen mit verschiedener Anerkennung und Aufenthaltsgenehmigung)
wurden seit dem Jahr 2013 durch die Bundesagentur für Arbeit in Beschäfti-
gung vermittelt (wenn möglich bitte nach Geschlecht und Jahr aufschlüs-
seln)?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Beschäfti-
gungsverhältnisse Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge (bzw. weitere
Flüchtlingsgruppen mit verschiedener Anerkennung und Aufenthaltsgeneh-
migung) aufnehmen und inwiefern sich diese besonders durch prekäre, un-
terwertige und niedrig entlohnte Beschäftigung auszeichnen (bitte sofern
vorhanden entsprechende Daten zu Art der Beschäftigung, wie z.B. Leihar-
beit, Minijob, Befristung, Niedriglohnanteil und unterwertiger Beschäfti-
gung, ausweisen und wenn möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5987

9. Ist der Bundesregierung das Problem bewusst, dass viele Flüchtlinge mit ei-
nem Übergang ins SGB II in unterwertige Beschäftigung gezwungen wer-
den, insbesondere wenn ihre im Ausland erworbene berufliche Qualifikation
(noch) nicht anerkannt ist (vgl. Forschungsbericht des Instituts für Arbeits-
markt- und Berufsforschung, IAB, 3/2015, S. 22), und welche Schlussfolge-
rungen zieht sie daraus?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchen Branchen
Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge (bzw. weitere Flüchtlingsgruppen
mit verschiedener Anerkennung und Aufenthaltsgenehmigung) besonders
häufig Beschäftigungsverhältnisse aufnehmen (bitte Zahlen nennen)?

11. Wie hoch sind die Anzahl und der Anteil der Asylbewerber, die sich im An-
erkennungsverfahren befinden und bereits in den Arbeitsmarkt integriert sind
(bitte aktuelle verfügbare Daten und Daten für zurückliegende Jahre nennen,
und wenn möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

12. Wie hoch sind die Anzahl und der Anteil der geduldeten Flüchtlinge, die be-
reits in den Arbeitsmarkt integriert sind (bitte aktuelle verfügbare Daten und
Daten für zurückliegende Jahre nennen, und wenn möglich nach Geschlecht
aufschlüsseln)?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über geschlechtsspezifische
Hürden bei der Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden und geduldeten
Flüchtlingen, und wie plant sie, diesen Erkenntnissen Rechnung zu tragen?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über positive Erfahrungen und
Probleme bei der Besetzung von Arbeitsplätzen seitens der Arbeitgeber, und
welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

15. Welche Überlegungen gibt es seitens der Bundesregierung, mit geeigneten
Maßnahmen, die Beschäftigung von Asylsuchenden und geduldeten Flücht-
lingen für Arbeitgeber attraktiver zu machen?

Berlin, den 10. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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