BT-Drucksache 18/5944

Erfahrungen beim Arbeitsmarktzugang und der Arbeitsförderung von Asylsuchenden und Flüchtlingen - Erfahrungen der Arbeitsförderung

Vom 7. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5944
18. Wahlperiode 07.09.2015

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, Jan Korte,

Matthias W. Birkwald, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Katja Kipping,

Katrin Kunert, Cornelia Möhring, Dr. Petra Sitte, Dr. Axel Troost, Kathrin Vogler,

Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Pia Zimmermann und

der Fraktion DIE LINKE.

Erfahrungen beim Arbeitsmarktzugang und der Arbeitsförderung von
Asylsuchenden und Flüchtlingen – Erfahrungen der Arbeitsförderung

Krieg, Armut und Verfolgung führen weltweit zu einer steigenden Zahl von
Flüchtlingen. Viele der Flüchtlinge, die es nach Deutschland schaffen, werden
hier dauerhaft oder für eine längere Zeit bleiben. Die Politik und die Gesellschaft
sind gefordert, ihnen eine Perspektive zur Teilhabe und Integration zu bieten.
Zentral ist dabei eine Teilnahme am Arbeitsleben entsprechend ihrer Fähigkeiten,
Potentiale und eine Weiterbildung und -qualifikation zur Verbesserung ihrer Er-
werbschancen. Denn dann können die Betroffenen eigenständig für ihren Le-
bensunterhalt sorgen, sie erfahren Anerkennung und Bestätigung, gewinnen
Selbstvertrauen und stärken mit ihren Ideen, ihrer Arbeitsleistung und ihren
Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge das Gemeinwesen.

Die Arbeitsförderung muss einen wichtigen Beitrag für einen erfolgreichen Neu-
start und eine gelungene Integration leisten. Trotz gewisser Erleichterungen beim
Arbeitsmarktzugang in den letzten Jahren und Monaten sind die Möglichkeiten
der Arbeitsaufnahme für Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge weiter stark
beschränkt. Einerseits gilt ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot von drei
Monaten und die Vorrangprüfung bis zu einem 15-monatigen Aufenthalt führt
meist zu einer faktischen „Nicht-Beschäftigung“ in dieser Zeit. Andererseits gibt
es in der praktischen Förderung zahlreiche Probleme, die sich als große Hürden
erweisen, bevor die vorgesehenen Möglichkeiten der Arbeitsförderung überhaupt
greifen können. Dazu gehören unter anderem: die lange Dauer der Asylverfahren,
ein völlig unzureichender Zugang zu Sprachkursen, unzureichende therapeuti-
sche Behandlungsmöglichkeiten für Flüchtlinge mit traumatischen Erfahrungen,
die Unterbringung in isolierenden, oft krank machenden Massenunterkünften
ohne Privatsphäre, aufwendige, kostenintensive und nicht selten langwierige
Verfahren zur Anerkennung der Berufsqualifikation, zu wenig Personal in den
Jobcentern insbesondere mit Migrationshintergrund und interkultureller Kompe-
tenz. Das restriktive Aufenthaltsrecht, das Betroffene oft von familiären und so-
zialen Netzwerken, die einer Integration förderlich ist, abschneidet, etwa durch
Umverteilungen ohne Berücksichtigung bestehender Kontakte, unterläuft ebenso
die Möglichkeiten einer guten Arbeitsförderung wie unklare Bleibeperspektiven
und ein Wechsel zwischen verschiedenen Rechtskreisen.

Drucksache 18/5944 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Mit einer Serie von vier zusammenhängenden Kleinen Anfragen will die Frak-
tion DIE LINKE. eine Bestandsaufnahme unternehmen und die Haltung der Bun-
desregierung zu möglichen Reformschritten in der Arbeitsmarktintegration und
Arbeitsförderung von Flüchtlingen erfragen.

Hinweis: Sofern keine verfügbaren Daten zu den abgefragten Personengruppen
existieren, bitte die Fragen mit Daten beantworten, die näherungsweise die Per-
sonengruppen erfassen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, in wie vielen
Aufnahmeeinrichtungen (bitte, wenn möglich, Zahl und Anteil nennen) es
eine technische Infrastruktur mit freiem Internetzugang gibt, die den Be-
troffenen es ermöglicht, sich über die Möglichkeiten des Arbeitsmarktzu-
gangs, der Arbeitsförderung und andere für sie relevante Fragen zu informie-
ren?

2. Inwiefern ist die Bundesagentur für Arbeit in den Erstaufnahmeeinrichtun-
gen mit Beratung und Information präsent (sofern möglich, bitte auch Zahlen
dazu angeben, in wie vielen Einrichtungen, mit welcher Art der Beratungen)?

Welche weiteren Maßnahmen plant die Bundesagentur für Arbeit für
schnelle Beratungen und Informationen geflüchteter Menschen?

3. Welche Instrumente und Unterstützungsleistungen der Arbeitsförderung ste-
hen Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen bzw. Flüchtlingen mit hu-
manitärem Aufenthaltsstatus oder Flüchtlingsanerkennung grundsätzlich zur
Verfügung (bitte nach einzelnen Gruppen differenzieren)?

4. Welche Instrumente und Unterstützungsleistungen der Arbeits- und Ausbil-
dungsförderung stehen Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen nicht
zur Verfügung, da für sie ausländerrechtliche Sonderregelungen existieren,
und wie wird dieser Ausschluss begründet?

5. Wie viele der Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge hatten bzw. haben
Anspruch auf Unterstützung durch die Arbeitsförderung (bitte Zahl und An-
teil aufgliedern für 2014 und 2015 für den verfügbaren Zeitraum differenzie-
ren, auch Schätzungen)?

6. Wie viele Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge hatten bzw. haben keinen
Anspruch auf Unterstützung durch die Arbeitsförderung (bitte Zahl und An-
teil aufgliedern für 2014 und 2015 für den verfügbaren Zeitraum und Gründe
nennen, auch Schätzungen)?

7. Wie viele Asylsuchende nutzten in den zurückliegenden Jahren die Instru-
mente der Arbeitsförderung (bitte jährlich Anzahl und Anteil und wenn mög-
lich die häufigsten Instrumente benennen, für 2015 die verfügbaren Daten
angeben, und wenn möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

8. Wie viele geduldete Flüchtlinge nutzten in den zurückliegenden Jahren In-
strumente der Arbeitsförderung (bitte jährlich Anzahl und Anteil und wenn
möglich die häufigsten Instrumente benennen, für 2015 die verfügbaren Da-
ten angeben, und wenn möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

9. Kann die Bundesregierung die wichtigsten Instrumente der Arbeitsförderung
benennen, die speziell zur Förderung von Asylsuchenden und Flüchtlingen
zur Anwendung kommen bzw. kommen sollen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5944

10. Wie viele zusätzliche Mittel will die Bundesregierung für Maßnahmen der
aktiven Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stellen, um den gewachsenen An-
forderungen gerecht zu werden?

Welche Pläne gibt es seitens der Bundesagentur für Arbeit für ihren Be-
reich?

11. Wie hoch sind die Zahl und der Anteil der Geduldeten, die in den zurücklie-
genden Jahren eine Beschäftigungserlaubnis bekommen haben (bitte jährli-
che Daten seit 2012, für 2015 die verfügbaren Daten angeben, und wenn
möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

12. Welche Erkenntnisse liegen darüber vor, in wie vielen Fällen es in den zu-
rückliegenden Jahren aus einer Arbeitsförderung heraus zu einer Abschie-
bung kam (wenn möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

13. Wie viele der Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge haben in den zu-
rückliegenden Jahren eine Beratung in den Arbeitsagenturen in Anspruch ge-
nommen (bitte Jahresdaten nennen, für 2015 aktuellen Wert und wenn mög-
lich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

14. Wie viele Flüchtlinge haben in den zurückliegenden Jahren eine Beratung in
den Jobcentern in Anspruch genommen (bitte Jahresdaten nennen, für 2015
aktuellen Wert und wenn möglich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

15. In wie vielen Arbeitsagenturen und Jobcentern gibt es eigens eingerichtete
Beratungsstellen bzw. -stäbe, die sich speziell um Asylsuchende und Flücht-
linge kümmern?

Wie sind diese personell ausgestattet (bitte nach Vollzeitkräften benennen)?

16. Wie hoch ist aus Sicht der Bundesregierung der personelle Mehrbedarf in der
Arbeitsförderung, um Asylsuchende und Flüchtlinge eine gute Beratung,
Förderung und Vermittlung zu ermöglichen (bitte auch nach Rechtskreisen
differenzieren)?

Wie hoch sind die damit verbundenen Kosten?

17. Wie steht die Bundesregierung zur Forderung des Verwaltungsrates der Bun-
desagentur für Arbeit, „im Bereich der Grundsicherung mehr Mittel für die
Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Asylbewerbern zur Verfü-
gung zu stellen und für eine ausreichende Personalausstattung in den Jobcen-
tern zu sorgen.“ (vgl. Pressemeldung vom 17. Juli 2015), und welche Schritte
zur Umsetzung dieser Forderung wurden gegebenenfalls bereits eingeleitet,
umgesetzt oder sind noch geplant (bitte im Einzelnen auflisten)?

18. Wie trägt die Bundesagentur für Arbeit dem Umstand Rechnung, dass eine
gute Arbeitsförderung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zusätzliche
Kompetenzanforderungen für die Beratungs- und Vermittlungsfachkräfte,
v.a. hinsichtlich der Fremdsprachenkenntnisse, des interkulturellen Um-
gangs, spezifischer Rechtskenntnisse (Ausländerrecht, Aufenthaltsrecht etc.)
sowie der Arbeit in Netzwerken erfordert (bitte umfassend beantworten)?

19. Wie hoch sind die Zahl und der Anteil der Vermittlerinnen und Vermittler in
den Arbeitsagenturen und Jobcentern mit Fremdsprachkenntnissen, und wel-
che Fremdsprachen sind dies genau (bitte wenn möglich, auch nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – und SGB III aufgliedern)?

20. In welchem Ausmaß können die Beschäftigten in den Agenturen und Job-
centern auf Dolmetscher zurückgreifen?

Welche Probleme aus der Beratungspraxis sind der Bundesregierung be-
kannt, und wie will sie darauf reagieren?

21. Wie schätzt die Bundesregierung den Stand der interkulturellen Kompetenz
in der derzeitigen Arbeitsförderung ein?

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
Drucksache 18/5944 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

22. Welche Angaben kann die Bundesregierung darüber machen, wie hoch die
Zahl und der Anteil der Beschäftigten, insbesondere Vermittlerinnen und
Vermittler in den Arbeitsagenturen und Jobcentern mit interkultureller Kom-
petenz ist, und wie wird diese gemessen (bitte wenn möglich nach SGB II
und SGB III aufgliedern)?

23. Führt die Bundesagentur in den Arbeitsagenturen und Jobcentern Schulun-
gen und Fortbildungen zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz durch?

Wenn ja, in welchem Umfang (wie viele Jobcenter und Arbeitsagenturen
haben Schulungen durchgeführt, Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilneh-
mer, Stundenumfang, etc.), und wie sehen diese aus?

Wenn nein, warum nicht?

24. Welche Angaben und Einschätzungen liegen dazu vor, wie hoch die Zahl
und der Anteil der Vermittlerinnen und Vermittler in den Arbeitsagenturen
und Jobcentern mit Migrationshintergrund ist (bitte nach SGB II und SGB III
aufgliedern, und wenn möglich auch die eigenen Herkunftsländer bzw. die
der Eltern nennen)?

25. Wie erklärt sich die Bundesregierung den vom IAB-Begleitforschung zum
Projekt Early-Intervention festgestellten Tatbestand, dass in der Vermittlung
die Kommunikation oft nicht nur wegen der fehlenden Sprachkenntnisse
schwierig gestaltet, „sondern auch wegen der Überforderungssituation im
Umgang mit deutschen Behörden“ und Asylbewerberinnen und Asylbewer-
ber verunsichert sind und sich zurückhaltend und eher passiv verhalten (IAB-
Forschungsbericht 3/2015)?

Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung das Problem, dass Asylbewerberinnen
und Asylbewerber bzw. Flüchtlinge im Verlauf des Anerkennungsverfahrens
nicht nur ihren rechtlichen Status, sondern auch die Leistungsträger wech-
seln, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

Inwiefern sind die auftretenden Probleme ein Hinweis darauf, dass die Ver-
mittlung nach unterschiedlichen Rechtskreisen des Asylbewerberleistungs-
gesetzes, dem SGB II und III durch ein einheitliches Vermittlungssystem
ersetzt werden sollte, dass allen Betroffenen die gleichen Ansprüche und
Rechte gewährleistet?

Berlin, den 7. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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