BT-Drucksache 18/5911

Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung

Vom 2. September 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5911
18. Wahlperiode 02.09.2015

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann,

Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Axel Troost,

Dr. Sahra Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung

Am 10. September 2015 beginnt die dritte Tarifrunde zwischen der Gebäuderei-
niger-Gewerkschaft IG BAU und des Bundesinnungsverbands des Gebäuderei-
niger-Handwerks. Die IG BAU möchte, neben Lohnerhöhungen in der untersten
Lohngruppe und einer Angleichung der Ost-West-Löhne, vor allem den bundes-
weit ersten Tarifvertrag gegen Leistungsverdichtung durchsetzen. Laut Aussagen
der IG BAU gibt es einen „starken Widerwillen der Arbeitgeber, der Quadratme-
terleistung Grenzen zu setzen“ („IG BAU fordert Schluss mit Turboputzen“:
www.igbau.de/IG_BAU_fordert_Schluss_mit_Turbo-Putzen.html). Dabei ist
bekannt, dass sich Arbeitsverdichtung und arbeitsbedingter Stress in signifikan-
tem Maß auf die Gesundheit von Beschäftigten auswirkt. Eine höhere Arbeitsin-
tensität erhöht gleichzeitig das Risiko von Beschäftigten arbeitsbedingt Depres-
sionen oder Depressivität zu erleiden (R. Rau, N. Gebele, K. Morling, U. Rösler:
Untersuchung arbeitsbedingter Ursachen für das Auftreten von depressiven Stö-
rungen. 1. Auflage; Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsme-
dizin 2010; Online unter: www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/
F1865.pdf?__blob=publicationFile&v=5). Laut der Bundesregierung sind atypi-
sche Beschäftigung, entgrenzte und lange Arbeitszeiten, Steuerung der Arbeit
durch Zielvorgaben sowie die Beschleunigung von Dienstleistungsprozessen
Trends, die als Gründe für die Zunahme von psychischen Belastungen in der Ar-
beitswelt angesehen werden können (Vgl. Bundestagsdrucksache 18/2180: Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Psychische Belastungen in
der Arbeitswelt“ vom 6. August 2014).

Laut dem Bezirksvorsitzenden der IG BAU Düsseldorf, Dennis Macko, sind
viele Arbeitsverträge in der Gebäudereinigung nur auf kurze Zeit befristet.
Dennis Macko vermutet, dass damit der Kündigungsschutz umgangen werden
soll. Aus Angst um den Job seien viele Beschäftigte bereit, schlechtere Arbeits-
bedingungen zu akzeptieren. Auch das sogenannte ‚“Turbo-Putzen“ mit Über-
stunden zum Nulltarif sei übliche Praxis in vielen Unternehmen („Turbo-Putzen
zum Nulltarif“: www.derwesten.de/nrz/staedte/duesseldorf/turbo-putzen-zum-
nulltarif-aimp-id9550033.html).

 

Drucksache 18/5911 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Beschäftigte in Deutschland sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung derzeit in der Gebäudereinigung tätig (bitte nach Vollzeit, Teilzeit, Ge-
schlecht, Alter und Bundesland differenzieren)?

Wie haben sich diese Zahlen im Zeitraum der Jahre 2004 bis 2014 entwi-
ckelt?

2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Anzahl und der
Anteil der befristet und unbefristet Beschäftigten in der Gebäudereinigung
(bitte die jüngst verfügbaren Daten angeben sowie jeweils die vergangenen
zehn Jahre darstellen; bitte nach Geschlecht, Alter und Bundesland differen-
zieren)?

3. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Anzahl und
der Anteil der befristeten Arbeitsverträge bei den Neueinstellungen in der
Gebäudereinigung in den Jahren von 2004 bis 2014 (bitte nach Geschlecht,
Alter und Bundesland differenzieren), und wie hoch war im gleichen Zeit-
raum die Übernahmequote?

4. Wie viele Leiharbeitskräfte waren nach Kenntnis der Bundesregierung in der
Gebäudereinigung in den Jahren von 2007 bis 2014 tätig (bitte jährlich aus-
weisen, und nach Geschlecht, Alter und Bundesland differenzieren)?

5. Wie viele Leiharbeitsverhältnisse in der Gebäudereinigung werden nach
Kenntnis der Bundesregierung nach weniger als drei Monaten und nach mehr
als drei Monaten beendet (bitte für den letzten verfügbaren Zeitraum in ab-
soluten Zahlen und in Prozent angeben), und wie lang ist die durchschnittli-
che Beschäftigungsdauer in der Arbeitnehmerüberlassung in der Gebäude-
reinigungsbranche?

6. Wie viele Beschäftigte in der Gebäudereinigung befinden sich nach Kenntnis
der Bundesregierung in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, wie
viele haben eine sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit und wie viele
eine Vollzeitarbeit (bitte nach Geschlecht, Alter und Bundesland differenzie-
ren), und wie haben sich diese Zahlen im Zeitraum von 2004 bis 2014 ent-
wickelt?

7. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittliche Ar-
beitszeit von Beschäftigten in der Gebäudereinigung (bitte die jüngst verfüg-
baren Daten angeben sowie jeweils die vergangenen zehn Jahre darstellen;
bitte nach Vollzeit, Teilzeit, Geschlecht, Alter und Bundesland differenzie-
ren)?

8. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Arbeitszeitvolumen in
der Gebäudereinigung seit dem Jahr 2004 entwickelt (bitte sowohl die abso-
luten Zahlen als auch die jährlichen Veränderungsraten darstellen und nach
Teilzeit und Vollzeit unterscheiden)?

9. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Zahlen und die
Anteile von Beschäftigten in der Gebäudereinigung vor, die überlange Ar-
beitszeiten, Samstags- und Wochenendarbeit, Arbeitszeiten am Abend und
in der Nacht oder in Schichtmodellen haben (bitte die jüngst verfügbaren
Daten angeben sowie die vergangenen zehn Jahre darstellen; bitte nach Alter,
Geschlecht und Bundesland differenzieren)?

10. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Arbeit auf Abruf in
der Gebäudereinigung vor, und wie hat sich Arbeit auf Abruf in den vergan-
genen zehn Jahren entwickelt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5911

11. Wie viele bezahlte und unbezahlte Überstunden wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung in der Gebäudereinigung seit dem Jahr 2004 geleistet, wie
stellt sich diese Zahl im Vergleich zur Gesamtwirtschaft dar (bitte jährlich
ausweisen und nach Geschlecht, Alter und Bundesland differenzieren), und
wie vielen Vollzeitäquivalenten entspricht die Zahl der bezahlten Überstun-
den bei der Gebäudereinigungsbranche?

12. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung der durchschnittliche
Bruttostundenlohn und das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt von Be-
schäftigten in der Gebäudereinigungsbranche, wie hoch ist dieses Entgelt im
Vergleich dazu in der Gesamtwirtschaft, und wie haben sich diese Zahlen im
Zeitraum von 2004 bis 2014 entwickelt?

13. Welche Tarifgefüge finden nach Kenntnis der Bundesregierung in der Regel
in der Gebäudereinigungsbranche Anwendung, wie viele Beschäftigte in der
Gebäudereinigung erhalten nach Kenntnis der Bundesregierung Tariflohn
nach den einzelnen Tarifgefügen, und wie hoch ist nach Kenntnis der Bun-
desregierung die Ecklohngruppe für diese Beschäftigten in den jeweiligen
Tarifgefügen nach fünf und nach zehn Jahren Berufserfahrung?

14. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl und der Anteil
der Niedriglohnbeziehenden in der Gebäudereinigungsbranche, und wie
hoch ist der Anteil im Vergleich dazu in der Gesamtwirtschaft (bitte die
jüngst verfügbaren Daten angeben sowie jeweils die vergangenen zehn Jahre
darstellen; bitte nach Geschlecht, Alter sowie Bundesland differenzieren)?

15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl und den Anteil
von Beschäftigten in der Gebäudereinigungsbranche, die ergänzend zu ihrem
Lohn aufstockende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch
(SGB II) beziehen (bitte die jüngst verfügbaren Daten angeben und jährlich
rückwirkend bis zum Jahr 2007 darstellen; bitte nach Geschlecht, Alter sowie
Bundesland differenzieren)?

16. Wie hoch waren seit dem Jahr 2007 jeweils die Finanzmittel, die für aufsto-
ckende Leistungen nach dem SGB II für die Beschäftigten in der Gebäude-
reinigung verausgabt wurden (bitte für jedes Jahr einzeln angeben)?

17. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über durchgeführte Be-
rufswechsel von Beschäftigten in der Gebäudereinigung vor (wenn möglich
im Vergleich zu anderen Berufsgruppen darstellen)?

a) Wie lange waren die Beschäftigten vor ihrem Berufswechsel in ihrem Beruf
tätig?

b) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Motivation der
Beschäftigten zu einem Berufswechsel vor?

18. Wie hoch ist das durchschnittliche Rentenzugangsalter von Beschäftigten in
der Gebäudereinigung (bitte nach Geschlecht und Bundesland differenzie-
ren), und wie hat sich das durchschnittliche Rentenzugangsalter im Zeitraum
von 2004 bis 2014 entwickelt?

19. Wie lange verbleiben Beschäftigte nach Kenntnis der Bundesregierung in der
Gebäudereinigungsbranche, differenziert nach Alterskohorten im Erwerbs-
leben (bitte ab dem 45. Lebensjahr in Fünfjahresschritten und ab dem 60. Le-
bensjahr in einzelnen Jahren darstellen)?

20. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Beschäftig-
ten in der Gebäudereinigungsbranche, die bis zum regulären Renteneintritt
im Beruf verbleiben (bitte nach Geschlecht und Bundesland differenzieren)?

Drucksache 18/5911 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

21. Wie viele Beschäftigte in der Gebäudereinigung treten nach Kenntnis der
Bundesregierung jährlich seit dem Jahr 2004 in eine Erwerbsminderungs-
rente bzw. in eine Erwerbsunfähigkeitsrente ein (bitte nach Geschlecht, Alter
und Bundesland differenzieren)?

22. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Anzahl der Ar-
beitsunfähigkeitstage aufgrund von Erkrankungen für die Gebäudereini-
gungsbranche vor, und wie hoch ist diese Zahl im Vergleich dazu in der Ge-
samtwirtschaft (bitte die jüngst verfügbaren Daten angeben sowie die ver-
gangenen zehn Jahre darstellen; bitte nach Alter, Geschlecht sowie Bundes-
land differenzieren)?

23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die den Arbeitsunfähig-
keitstagen zugrunde liegenden Diagnosegruppen?

24. Wie viele Arbeitsunfähigkeitstage in Millionen aufgrund von psychischen
und Verhaltensstörungen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung im
Jahr 2011 bei Beschäftigten in der Gebäudereinigung, und wie stellt sich die-
ser Wert im Vergleich zu den Jahren 2000 bis 2010 dar (bitte für die einzel-
nen Jahre sowohl in absoluten Zahlen als auch als Anteil an allen Diagnose-
gruppen darstellen; bitte nach Geschlecht, Alter und nach Bundesland diffe-
renzieren)?

25. Wie viele durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitstage je 100 Versicherte in der
Diagnosegruppe psychische und Verhaltensstörungen gab es nach Kenntnis
der Bundesregierung im Jahr 2011 bei Beschäftigten in der Gebäudereini-
gung, und wie stellt sich dieser Wert im Vergleich zur Gesamtwirtschaft zu
den Jahren 2000 bis 2010 dar (bitte für die einzelnen Jahre sowohl in abso-
luten Zahlen als auch als Anteil an allen Diagnosegruppen darstellen, bitte
nach Geschlecht, Alter und nach Bundesland differenzieren)?

26. Welche Beschäftigtengruppe in der Gebäudereinigung weist nach Kenntnis
der Bundesregierung in den Jahren 2000 bis 2011 besonders erhöhte Durch-
schnittszahlen bezüglich der „Tage je 100 Versicherte“ in der Diagnose-
gruppe psychische und Verhaltensstörungen auf (bitte nach Geschlecht dif-
ferenzieren)?

27. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2011 die ge-
samtgesellschaftlichen Kosten, die durch psychische Erkrankungen in der
Gebäudereinigung verursacht wurden, und wie stellt sich dieser Wert im Ver-
gleich zu den Jahren 2000 bis 2010 dar (bitte für die einzelnen Jahre nach
direkten und indirekten Kosten differenzieren)?

28. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über spezifische Belastungs-
formen, denen Beschäftigte in der Gebäudereinigung durch ihre Arbeit aus-
gesetzt sind?

29. Welche Berufe und welche Tätigkeiten in der Gebäudereinigung sind nach
Kenntnis der Bundesregierung derzeit besonders von psychischen Belastun-
gen und arbeitsbedingtem Stress betroffen?

30. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung im Zeitraum von 2000 bis
2014 die Zahl der Arbeitsunfälle von Beschäftigten in der Gebäudereinigung
entwickelt (bitte nach Geschlecht und Bundesland differenzieren)?

31. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über eine zunehmende Ar-
beitsbelastung und Arbeitsverdichtung in der Gebäudereinigung vor?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5911

32. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus ihren Kenntnis-
sen über die Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigungsbranche?

Berlin, den 2. September 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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