BT-Drucksache 18/587

Zukünftiger Umgang mit Rüstungsexporten

Vom 17. Februar 2014


Deutscher Bundestag Drucksache 18/587
18. Wahlperiode 17.02.2014
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Katja Keul, Omid Nouripour, Katharina
Dröge, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukünftiger Umgang mit Rüstungsexporten

Deutschland ist weltweit einer der größten Rüstungsexporteure. Dies geht unter
anderem aus dem Rüstungsexportbericht 2013 der Gemeinsamen Konferenz
Kirche und Entwicklung (GKKE) hervor. Besonders problematisch sind im Be-
richtsjahr 2012 die von der Bundesregierung erteilten Genehmigungen bei Aus-
fuhren von Rüstungsgütern in Höhe von 2,6 Mrd. Euro an sogenannte Dritt-
staaten, d. h. Staaten, die nicht der Europäischen Union (EU) bzw. der NATO an-
gehören oder diesen gleichgestellt sind. Das entspricht 55 Prozent aller erteilten
Einzelgenehmigungen in diesem Zeitraum und stellt einen erheblichen Anstieg
im Vergleich zu den Vorjahren dar. So waren es im Jahr 2011 noch 42 Prozent
aller ausgesprochenen Genehmigungen. Die Hauptempfängerstaaten deutscher
Rüstungslieferungen waren dabei unter anderem Saudi-Arabien (1,2 Mrd.
Euro), Algerien (286,7 Mio. Euro), Südkorea (148,2 Mio. Euro), Singapur
(146,4 Mio. Euro), die Vereinigten Arabischen Emirate (124,8 Mio. Euro), Irak
(112,6 Mio. Euro) und Indien (97,1 Mio. Euro).
Die Menschenrechtsbilanz einiger dieser Staaten ist fatal, wie unter anderem
dem 10. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung (Berichtszeitraum 2010
bis 2012) zu entnehmen ist. Die Genehmigung dieser Exporte steht in direktem
Widerspruch zu den „Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern“ der Bundesregierung aus dem Jahr 2000. So ver-
pflichten diese die Bundesregierung, „den Menschenrechten im Bestimmungs-
und Endverbleibsland […] bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beizumessen“. Im-
mer wieder lösen Entscheidungen der Bundesregierung, Rüstungsgüter in Län-
der mit problematischer Menschenrechtsbilanz zu genehmigen, kontroverse
öffentliche Debatten aus.
Die Kontrollmöglichkeiten des Parlamentes in diesem sensiblen Bereich sind
mehr als ungenügend. Derzeit entscheidet ausschließlich der geheim tagende
Bundessicherheitsrat über die Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern. Das Parlament wird erst durch den Rüstungs-
exportbericht mit einer massiven Verzögerung von über einem Jahr über diese
Exporte informiert oder erfährt immer wieder erst über die Presseberichterstat-
tung von höchst umstrittenen Exportgeschäften. Durch diesen unzureichenden
Zugang zu Informationen können die Parlamentarierinnen und Parlamentarier
bezüglich der Rüstungsexporte keine effektive Kontrolle der Exekutive aus-
üben.

Drucksache 18/587 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
In ihrem Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD dazu verpflichtet,
die mangelhafte Informationspolitik gegenüber dem Deutschen Bundestag und
der deutschen Öffentlichkeit verbessern zu wollen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern sollen künftig sämtliche Entscheidungen des Bundessicherheits-

rates „unverzüglich“ dem Parlament zur Kenntnis gebracht werden, wie dies
im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD festgehalten wurde?

2. Auf welche Weise möchte die Bundesregierung die Öffentlichkeit künftig
über Rüstungsexporte informieren?
a) In welchen zeitlichen Abständen soll dies erfolgen?
b) Über welche Rüstungsexporte soll informiert werden (bitte die entspre-

chenden Kriterien auflisten und begründen)?
3. Wie will die Bundesregierung sicherzustellen, dass der jährliche Rüstungs-

exportbericht dem Parlament zukünftig rechtzeitig vor der Sommerpause
vorgelegt wird?
a) Wird dies bereits im Jahr 2014 der Fall sein?
b) Wenn nein, warum nicht?

4. Für welchen Zeitpunkt plant die Bundesregierung die Veröffentlichung des
angekündigten Zwischenberichtes über Rüstungsexportgenehmigungen?

5. Wird es in zukünftigen Rüstungsexportberichten Erläuterungen zu den
jeweiligen Empfängerländern geben, aus denen hervorgeht, inwiefern die
Kriterien der Politischen Grundsätze der Bundesregierung, insbesondere die
Prüfung der Menschenrechtslage, erfüllt sind?
Wenn nein, welchen Veränderungsbedarf sieht die Bundesregierung in der
Darstellung der Informationen des Rüstungsexportberichtes mit Blick auf
eine bessere Verständlichkeit und Vergleichbarkeit?

6. Welche qualitative Veränderung plant die jetzige Bundesregierung in Bezug
auf Rüstungsexportentscheidungen, wenn sie in ihrem Koalitionsvertrag an-
kündigt, die Politischen Grundsätze seien für sie „verbindlich“ (vgl. Formu-
lierung im Koalitionsvertrag der von CDU, CSU und FDP getragenen Bun-
desregierung, nach der die Grundsätze „gelten“)?
Ist der Formulierung im Koalitionsvertrag zu entnehmen, dass die Politischen
Grundsätze bisher nicht verbindlich waren?

7. Inwiefern hält die Bundesregierung den positiven Bescheid für eine Vor-
anfrage der Werftengruppe Lürssen für den Export von rund 100 Grenz-
schutz- und Patrouillenbooten an das Königreich Saudi-Arabien sowie die
damit einhergehende Absicht, dieses Rüstungsexportgeschäft mit Hermes-
bürgschaften abzusichern, mit den gültigen Rüstungsexportrichtlinien ver-
einbar?
Wird sich die jetzige Bundesregierung für eine weiterbestehende Rüstungs-
kooperation mit Saudi-Arabien einsetzen?
a) Wenn ja, wie begründet sie das mit Bezug auf die Politischen Grundsätze?
b) Wenn nein, welche Möglichkeiten des Widerrufes von Entscheidungen

der Vorgängerregierung sind möglich und geplant?
8. Welche Gründe gab es für den Anstieg bei den deutschen Exportgenehmi-

gungen von Rüstungsgütern an Drittstaaten im Berichtsjahr 2012?
Liegt diesen eine generelle politische Entscheidung zu Grunde, in Zukunft
nun mehr Rüstungsexporte in Drittstaaten zu genehmigen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/587
9. Sieht die Bundesregierung Änderungsbedarf bei der bisherigen Endver-
bleibskontrolle?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, damit

deutsche Waffen nicht in Krisengebiete gelangen, in denen massive
Menschenrechtsverletzungen begangen werden?

c) Sind in den Jahren 2012 und 2013 Fälle von Verstößen gegen den End-
verbleib bekannt geworden (bitte nach Land und Art des Verstoßes auf-
listen)?

10. Hält die Bundesregierung die Entwicklungen der tatsächlichen Ausfuhren
von Kriegswaffen an sogenannte Entwicklungsländer mit einer Steigerung
von 13 Prozent auf 21 Prozent aller deutschen Kriegswaffenexporte (Rüs-
tungsexportbericht 2013 der GKKE) für vereinbar mit ihren Politischen
Grundsätzen (bitte begründen)?

11. Ist die Region rund um das Ostchinesische Meer nach Auffassung der Bun-
desregierung durch den Inselstreit als Spannungsgebiet im Sinne der Poli-
tischen Grundsätze zu betrachten?
a) Welche außen- und sicherheitspolitischen Ziele sprechen vor diesem Hin-

tergrund für die Lieferung von zwei deutschen U-Booten an Singapur?
b) Sieht die Bundesregierung die Gefahr einer Aufrüstungsspirale in Bezug

auf die südostasiatischen Staaten, und welche Schlussfolgerungen und
Konsequenzen zieht sie aus dieser Entwicklung?

12. Für welche Länder Asiens hat die Bundesregierung im Jahr 2013 Rüstungs-
exporte in welcher Höhe genehmigt (bitte nach Land und Rüstungsgut auf-
schlüsseln)?

13. Für welche Länder des Nahen Ostens hat die Bundesregierung im Jahr 2013
Rüstungsexporte in welcher Höhe genehmigt (bitte nach Land und Rüs-
tungsgut aufschlüsseln)?

14. Für welche afrikanischen Länder hat die Bundesregierung im Jahr 2013
Rüstungsexporte in welcher Höhe genehmigt (bitte nach Land und Rüs-
tungsgut aufschlüsseln)?

15. Für welche südamerikanischen Länder hat die Bundesregierung im Jahr
2013 Rüstungsexporte in welcher Höhe genehmigt (bitte nach Land und
Rüstungsgut aufschlüsseln)?

16. Gab es im Jahr 2013 Rüstungsexportentscheidungen, die Griechenland be-
treffen, und wenn ja, welche?

17. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den bekannt gewor-
denen möglichen Korruptionsfällen, die Rüstungsgeschäfte mit Griechen-
land betreffen (vgl. Berliner Zeitung, 8. Januar 2014; DER TAGESPIEGEL,
6. Januar 2014)?

18. Wie viele Rüstungsexporte in welcher Höhe wurden im Jahr 2013 mit
Hermesbürgschaften abgesichert (bitte nach Land, Rüstungsgut und Summe
aufschlüsseln)?

19. Mit welchen Ländern Afrikas plant die Bundesregierung im Sinne ihrer
Ertüchtigungsinitiative den Abschluss von Rüstungsgeschäften (vgl. Regie-
rungserklärung von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum Europäischen
Rat am 19./20. Dezember 2013)?

Berlin, den 17. Februar 2014

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.