BT-Drucksache 18/5461

Mögliche Rechtsunsicherheit bei der Umsatzsteuerschuldnerschaft für Bauleistungen

Vom 2. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5461
18. Wahlperiode 02.07.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mögliche Rechtsunsicherheit bei der Umsatzsteuerschuldnerschaft
für Bauleistungen

Anders als in den damals gültigen Verwaltungsanweisungen urteilte der Bundes-
finanzhof am 22. August 2013 (Urteil: V R 37/10), dass Bauträger für bezogene
Leistungen nicht Steuerschuldner nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
sind. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) schloss sich mit dem Schrei-
ben vom 5. Februar 2014 dieser Rechtsauslegung an. Nach neuer Rechtsaus-
legung sind Bauleistende die Schuldner der Umsatzsteuer. Infolge des Urteils
forderten Bauträger bereits abgeführte Umsatzsteuerzahlungen von den Finanz-
behörden zurück. Unklar blieb, ob die Finanzbehörden die Steuer dann rückwir-
kend von den Bauleistenden einfordern können oder diese sich auf den Vertrau-
ensschutz nach § 176 Absatz 2 der Abgabenordnung berufen können. Mit dem
Kroatien-Steueranpassungsgesetz wurde eine Abtretungsregelung in Form des
§ 27 Absatz 19 UStG geschaffen, der Vertrauensschutz an dieser Stelle aus-
schließt. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 3. Juni
2015 (5 V 5026/15) an diesem § 27 Absatz 19 UStG erhebliche verfassungs-
rechtliche Bedenken geäußert und zugunsten eines Bauleistenden geurteilt.
Dennoch bestehen weiter erhebliche Rechtsunsicherheiten an dieser Stelle, ins-
besondere auch für bauleistende Handwerksunternehmen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Sieht die Bundesregierung nach dem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Bran-

denburg vom 3. Juni 2016 (5 V 5026/15) gesetzgeberischen Handlungsbe-
darf, oder vertritt sie die Auffassung, verfassungsrechtliche Bedenken gegen
die Abtretungsregel nach § 27 Absatz 19 UStG seien unbegründet?

2. Plant die Bundesregierung ein BMF-Schreiben und bzw. oder eine Änderung
des Umsatzsteueranwendungserlasses, um offene Fragen bei der Umsatz-
steuerschuldnerschaft für Bauleistungen rechtssicher zu klären, und wenn ja,
bis wann soll das Schreiben veröffentlicht werden?

3. Warum ist nach Meinung der Bundesregierung Vertrauensschutz nach § 176
Absatz 2 der Abgabenordnung an dieser Stelle nicht zu gewähren?

Drucksache 18/5461 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Hat sich die Einfügung der Abtretungsregel nach § 27 Absatz 19 UStG nach
Meinung der Bundesregierung als Instrument bewährt, das auch in der Pra-
xis genutzt wird und zu den gesetzgeberischen Zielen geführt hat?

5. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele Bauträger Antrag auf
Rückzahlung bereits erstatteter Umsatzsteuerzahlungen bei den Finanzbe-
hörden gestellt haben und wie hoch die Summe der Rückzahlungen seitens
der Finanzbehörden bisher ist?

6. Wird die Abtretungsregel nach § 27 Absatz 19 UStG nach Kenntnis der
Bundesregierung bundesweit einheitlich angewendet, oder sind abwei-
chende Auslegungen von bestimmten Bundesländern oder von einzelnen
Finanzämtern bekannt (bitte Bundesländer oder Behörden benennen, die
eine abweichende Auslegung praktizieren)?

7. Inwiefern liegt die Annahme bzw. Ablehnung eines Antrags zur Abtretung
der Forderung gegen den Leistungsempfänger im Ermessen der Finanz-
ämter, und nach welchen Kriterien ist ein solcher Antrag anzunehmen bzw.
abzulehnen?

8. Kann die Annahme eines Antrags nach § 27 Absatz 19 UStG allein deshalb
verweigert werden, weil die Realisierung des Zahlungsanspruchs beim
Leistungsempfänger schwierig oder gar aussichtslos erscheint (z. B. auf-
grund zivilrechtlicher Verjährung des Anspruchs oder Insolvenz des Leis-
tungsempfängers)?

9. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Nutzung der Abtretungsregel
nach § 27 Absatz 19 UStG, also wie viele Anträge auf Abtretung gestellt
wurden, und wie hoch die Ablehnungsquote der gestellten Anträge ist
(wenn ja, bitte nach Bundesland aufschlüsseln?)

10. Hat die Bundesregierung Kenntnis über Ablehnungsgründe der Abtretungs-
anträge nach § 27 Absatz 19 UStG und darüber, ob es einen Hauptgrund für
die Ablehnung dieser Anträge gibt?

11. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen eine Verjährung der Ur-
sprungsforderung oder die Insolvenz eines Bauträgers zu einer Ablehnung
von Abtretungsanträgen geführt hat?
Wenn ja, wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt?

12. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Tatsache, dass bauleistende Unternehmen z. B. aufgrund von In-
solvenzen oder Verjährungen Umsatzsteuerforderungen der Finanzbehör-
den erfüllen müssen und diese nicht an ihre auftraggebenden Bauträger
weitergeben können, für die es zum Zeitpunkt der Leistungserbringung eine
andere Rechtsauslegung gab, insbesondere in Bezug auf Planungs- und
Rechtssicherheit für diese Unternehmen?

13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, an dieser Stelle Rechts-
sicherheit zu schaffen?

14. Welche Mitwirkungspflichten haben leistende Unternehmer und Bauträger
bei der Antragstellung – welche Schriftstücke sind z. B. unerlässlich für die
Antragstellung, muss der Bauträger die Umsatzsteueransprüche leistender
Unternehmer für eine erfolgreiche Bewilligung der Abtretungsanträge aner-
kennen, und kann ein Bauträger durch Ablehnung der Umsatzsteueransprü-
che leistender Unternehmer Abtretungsanträge scheitern lassen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5461
15. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen dem Bauträger die Um-
satzsteuer vor Entscheidung über einen Abtretungsantrag ausbezahlt wurde,
und wenn ja, wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt?

Berlin, den 30. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.