BT-Drucksache 18/5415

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung - Drucksachen 18/4654, 18/5051 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes b) zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/4682 - Wirksame Alternativen zum nachrichtendienstlich arbeitenden Verfassungsschutz schaffen c) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/4690 - Für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Vom 1. Juli 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5415
18. Wahlperiode 01.07.2015

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 18/4654, 18/5051 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit
im Bereich des Verfassungsschutzes

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Dr. André Hahn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/4682 –

Wirksame Alternativen zum nachrichtendienstlich arbeitenden
Verfassungsschutz schaffen

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz,
Hans-Christian Ströbele, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/4690 –

Für eine Zäsur und einen Neustart in der deutschen Sicherheitsarchitektur

A. Problem
Zu Buchstabe a
Der 2012 aufgenommene Prozess zur Reform des Verfassungsschutzes erfordert
auch gesetzliche Änderungen, um extremistischen und terroristischen Bestrebun-

Drucksache 18/5415 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
gen künftig effektiver entgegentreten zu können. Insbesondere gilt es, die Zusam-
menarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden weiter zu verbessern, die Zentral-
stellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) innerhalb des Ver-
fassungsschutzverbundes gesetzlich auszuformen und speziell die IT-gestützte
Analysefähigkeit auszubauen. Der Gesetzgebungsbedarf für einen zukunftsaus-
gerichteten Verfassungsschutz ist auch durch die mit Beschluss der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 6. Februar 2012 und des Bun-
deskabinetts vom 8. Februar 2012 eingesetzte Bund-Länder-Kommission Rechts-
terrorismus sowie den 2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode (Bundes-
tagsdrucksache 17/14600) aufgezeigt worden.
Zu Buchstabe b
In ihrem Antrag auf Drucksache 18/4682 fordert die Fraktion DIE LINKE. die
Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das Bundesamt für
Verfassungsschutz aufzulösen und durch Bundesgesetz sowohl eine Koordinie-
rungsstelle zur Dokumentation gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit als
auch eine Bundesstiftung zur Beobachtung und Erforschung gruppenbezogener
Menschenfeindlichkeit einzurichten. Aufgaben und Befugnisse dieser neu zu
schaffenden Institutionen werden in dem Antrag dargelegt. Angesichts der struk-
turellen Defizite und Rechtsverstöße, wie sie im Rahmen des NSU-Untersu-
chungsausschusses bekannt wurden, sei die Auflösung des nachrichtendienstlich
arbeitenden Verfassungsschutzverbundes sowohl politisch als auch rechtlich ge-
boten.
Zu Buchstabe c
Mit dem Antrag auf Drucksache 18/4690 verlangt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN einen vollständigen Neustart bei den Geheimdiensten und der Sicher-
heitsarchitektur insgesamt. Der NSU-Untersuchungsausschuss und der NSA-Un-
tersuchungsausschuss hätten das volle Versagen und massive Missstände bei den
Sicherheitsbehörden aufgezeigt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in
seiner jetzigen Form und der Militärische Abschirmdienst (MAD) gehören aufge-
löst. Der Rahmen der Neuausgestaltung der Sicherheitsarchitektur – auch für die
Übergangsphase – wird in dem Antrag skizziert.

B. Lösung
Zu Buchstabe a
Die Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund wird durch eine Koordinie-
rungsaufgabe und eine erweiterte Beobachtung des BfV sowie verbesserte Rege-
lungen zum Informationsaustausch effektiver gestaltet, die IT-Nutzung auch zur
Stärkung der Analysefähigkeit erweitert. Der Informationsfluss auch von anderen
Behörden wird verbessert. Datenschutzbelange werden durch eine gesetzliche Re-
gelung der elektronischen Akte, der Aktenvernichtung und klare Regelungen zu
den Voraussetzungen für Übermittlungen an Polizeibehörden aufgegriffen.
Für den Einsatz von Vertrauensleuten durch das BfV, der in der Bund-Länder-
Kommission und im Untersuchungsausschuss umfassend betrachtet worden ist,
wird ein gesetzlicher Rahmen gesetzt.
Daneben erfolgt zum Verfassungsschutz durch Aufklärung im Hinblick auf jün-
gere Rechtsprechung eine Neuregelung der Öffentlichkeitsarbeit. Im Übrigen
werden Regelungen zur Früherkennung von Cyber-Gefahren ergänzt.
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksachen 18/4654, 18/5051 in geänder-
ter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5415
Zu Buchstabe b
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/4682 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Zu Buchstabe c
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/4690 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Ablehnung des Gesetzentwurfs und Annahme des Antrags auf Drucksache
18/4682 oder des Antrags auf Drucksache 18/4690.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Für die technische Umsetzung der Änderung des Gesetzes über den Zugang von
Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Nachrichtendiensten zum Visa-In-
formationssystem (VIS-Zugangsgesetz – VISZG) entstehen beim Bundesverwal-
tungsamt Kosten in Höhe von rund 5 000 Euro. Dieser finanzielle Mehraufwand
soll im Einzelplan 06 ausgeglichen werden.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Keiner.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Mit der Umsetzung des Gesetzes ist ein Mehrbedarf an Personal- und Sachmitteln
verbunden, hervorgerufen durch die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den
Sicherheitsbehörden sowie der Zentralstellenfunktion des BfV. Der Bedarf be-
läuft sich auf 261 Planstellen/Stellen und damit verbundenen rund 17 Millionen
Euro jährlicher Personal- und Personalnebenkosten. Durch die im Gesetzentwurf
vorgesehene Unterstützung der Landesämter durch das BfV im Bereich besonde-
rer technischer und fachlicher Fähigkeiten wird die Effizienz der Aufgabenwahr-
nehmung im Verbund gesteigert, setzt aber beim BfV entsprechende Ressourcen
voraus. Deren Umfang ist abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Maß-
nahmen und daher noch nicht bezifferbar.
Der Bedarf an Personal- und Sachmitteln sowie Planstellen und Stellen soll finan-
ziell und stellenmäßig im Einzelplan 06 eingespart werden.
Die durch die Einrichtung eines weiteren Vizepräsidentendienstpostens beim BfV
in der Besoldungsgruppe B 6 entstehenden zusätzlichen Kosten werden innerhalb
des Einzelplans 06 kompensiert.
Im Hinblick auf die Änderung des VISZG entsteht dem Bund für die technische
Umsetzung des Gesetzes der unter D. bereits dargestellte Umstellungsaufwand in
Höhe von rund 5 000 Euro. Eine konkrete Bezifferung der mit der Gesetzesände-
rung zu erwartenden Mehranträge ist mangels zuverlässiger Anhaltspunkte nicht

Drucksache 18/5415 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
möglich. Angesichts der Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen dürften auch die
Abfragezahlen aus ähnlichen oder gleichen Deliktsgruppen keine validen Rück-
schlüsse auf die zu erwartenden Mehranträge zulassen. Es wird aber davon aus-
gegangen, dass es zu keiner überproportionalen Erhöhung der Anträge kommen
wird.
Der Umstellungsaufwand der Länder für die technische Umsetzung der Änderung
des VISZG dürfte sich insgesamt auf rund 80 000 Euro belaufen. Hierbei wird
davon ausgegangen, dass zum einen bei jeder zentralen Zugangsstelle eine tech-
nische Umstellung erforderlich wird und zum anderen die technische Infrastruktur
in den Ländern zwar unterschiedlich, aber mit der des BVA vergleichbar ist. Je
Land dürfte sich der Umstellungsaufwand deshalb durchschnittlich auf rund 5 000
Euro belaufen. Eine konkrete Bezifferung der mit der Gesetzesänderung zu er-
wartenden Mehranträge ist aus den bereits für den Bereich des Bundes genannten
Gründen nicht möglich. Es wird auch für den Bereich der Länder davon ausge-
gangen, dass es zu keiner überproportionalen Erhöhung der Anträge kommen
wird.

F. Weitere Kosten
Keine.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5415
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/4654, 18/5051 mit folgenden Maß-

gaben, im Übrigen unverändert anzunehmen:
1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 3 Absatz 2 Satz 8 wird das Wort „Anwendungsbe-
reich“ durch das Wort „Anwendungsgebiet“ ersetzt.

b) Nummer 5 wird wie folgt geändert:
aa) § 9a Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aaa) Die Sätze 1 und 2 werden wie folgt gefasst:
„Verdeckte Mitarbeiter dürfen weder zur Gründung
von Bestrebungen nach § 3 Absatz 1 Nummer 1, 3
oder 4 noch zur steuernden Einflussnahme auf derar-
tige Bestrebungen eingesetzt werden. Sie dürfen in
solchen Personenzusammenschlüssen oder für sol-
che Personenzusammenschlüsse, einschließlich
strafbare Vereinigungen, tätig werden, um deren Be-
strebungen aufzuklären.“

bbb) Satz 4 wird durch die folgenden Sätze 4 und 5 er-
setzt:
„Sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte da-
für bestehen, dass Verdeckte Mitarbeiter rechtswid-
rig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung
verwirklicht haben, soll der Einsatz unverzüglich be-
endet und die Strafverfolgungsbehörde unterrichtet
werden. Über Ausnahmen nach Satz 4 entscheidet
der Behördenleiter oder sein Vertreter.“

bb) § 9b wird wie folgt geändert:
aaa) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Die Bundesregierung trägt dem Parlamentarischen
Kontrollgremium mindestens einmal im Jahr einen
Lagebericht zum Einsatz von Vertrauensleuten vor.“

bbb) Absatz 2 wie folgt geändert:
aaaa) Satz 2 wird wie folgt geändert:

aaaaa) In Nummer 3 wird das Wort „oder“
durch ein Komma ersetzt.

bbbbb) In Nummer 4 wird der Punkt am
Ende durch das Wort „oder“ ersetzt.

ccccc) Folgende Nummer 5 wird angefügt:
„5. im Bundeszentralregister mit

einer Verurteilung wegen ei-
nes Verbrechens oder zu einer
Freiheitsstrafe, deren Vollstre-
ckung nicht zur Bewährung
ausgesetzt worden ist, einge-
tragen sind.“

Drucksache 18/5415 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

bbbb) Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„Der Behördenleiter kann eine Ausnahme
von Nummer 5 zulassen, wenn die Verurtei-
lung nicht als Täter eines Totschlags
(§§ 212, 213 StGB) oder einer allein mit le-
benslanger Haft bedrohten Straftat erfolgt
ist und der Einsatz zur Aufklärung von Be-
strebungen, die auf die Begehung von in § 3
Absatz 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeich-
neten Straftaten gerichtet sind, unerlässlich
ist.“

cccc) Die folgenden Sätze werden angefügt:
„Im Falle einer Ausnahme nach Satz 3 ist
der Einsatz nach höchstens sechs Monaten
zu beenden, wenn er zur Erforschung der in
Satz 3 genannten Bestrebungen nicht zu-
reichend gewichtig beigetragen hat. Auch
im Weiteren ist die Qualität der gelieferten
Informationen fortlaufend zu bewerten.“

c) In Nummer 11 Buchstabe b und c werden jeweils die Wörter „oder
tatsächliche Anhaltspunkte hierfür“ durch die Wörter „, soweit
hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte hierfür vorlie-
gen,“ ersetzt.

d) Der Nummer 13 wird folgender Buchstabe e angefügt:
‚e) In Absatz 6 Satz 1 wird die Angabe „1, 2“ durch die Angabe

„1b“ ersetzt.‘
2. Artikel 11 wird wie folgt gefasst:

‚Artikel 11

Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

Das Bundeszentralregistergesetzes in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), das
zuletzt durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 21. Januar 2015
(BGBl. I S. 10) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 21a Satz 2 wird der Angabe „§ 493“ die Angabe „§ 492 Ab-

satz 4a,“ vorangestellt und wird das Wort „gilt“ durch die Wörter
„und § 8 der Verordnung über den Betrieb des Zentralen Staatsan-
waltschaftlichen Verfahrensregisters gelten“ ersetzt.

2. § 61 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
a) In Nummer 5 wird der Punkt am Ende durch ein Komma er-

setzt.
b) Folgende Nummer 6 wird angefügt:

„6. den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der
Länder, dem Bundesnachrichtendienst und dem Militä-
rischen Abschirmdienst für die diesen Behörden über-
tragenen Sicherheitsaufgaben, wenn eine Auskunft nach
§ 41 Absatz 1 Nummer 3 im Einzelfall nicht ausreicht,

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5415

und mit der Maßgabe, dass nur Entscheidungen und An-
ordnungen nach § 60 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 mitge-
teilt werden dürfen.“ ‘ ;

b) den Antrag auf Drucksache 18/4682 abzulehnen;
c) den Antrag auf Drucksache 18/4690 abzulehnen.

Berlin, den 1. Juli 2015

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Clemens Binninger
Berichterstatter

Burkhard Lischka
Berichterstatter

Petra Pau
Berichterstatterin

Dr. Konstantin von Notz
Berichterstatter

Drucksache 18/5415 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Clemens Binninger, Burkhard Lischka, Petra Pau und
Dr. Konstantin von Notz

I. Überweisung

Zu Buchstabe a
Der Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/4654, 18/5051 wurde in der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 24. April 2015 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz,
den Haushaltsausschuss, den Verteidigungsausschutz sowie den Ausschuss für digitale Agenda zur Mitberatung
überwiesen. Dem Haushaltsausschuss wurde der Gesetzentwurf auch gemäß § 96 GO-BT überwiesen. Der Parla-
mentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung beteiligte sich gutachtlich.
Zu Buchstabe b
Der Antrag auf Drucksache 18/4682 wurde in der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. April 2015
an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur Mitberatung
überwiesen.
Zu Buchstabe c
Der Antrag auf Drucksache 18/4690 wurde in der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. April 2015
an den Innenausschuss überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 60. Sitzung am 1. Juli 2015 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der Koalitions-
fraktionen empfohlen.
Der Haushaltsausschuss hat in seiner 52. Sitzung am 1. Juli 2015 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des
Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen empfohlen. Seinen Bericht gemäß
§ 96 GO-BT wird der Haushaltsausschuss gesondert abgeben.
Der Verteidigungsausschuss hat in seiner 43. Sitzung am 1. Juli 2015 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len, den Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen anzunehmen.
Der Ausschuss für digitale Agenda hat in seiner 42. Sitzung am 1. Juli 2015 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen empfohlen.
Zu Buchstabe b
Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 60. Sitzung am 1. Juli 2015 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag der Fraktion DIE LINKE. abzulehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 46. Sitzung am 6. Mai 2015 einvernehmlich beschlossen, eine öffentliche An-
hörung zu den Vorlagen durchzuführen. Die öffentliche Anhörung, an der sich sieben Sachverständige beteiligt
haben, hat der Innenausschuss in seiner 48. Sitzung am 8. Juni 2015 durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses
der Anhörung wird auf das Protokoll der 48. Sitzung (Protokoll 18/48) verwiesen. Referenzrahmen der Beratun-

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/5415
gen bildete der Bericht der Bundesregierung über den Umsetzungsstand der Empfehlungen des 2. Untersuchungs-
ausschusses des Deutschen Bundestages in der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss) auf Drucksache
18/710, der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war. Sowohl bei der Anhörung als auch bei den nachfolgenden
Beratungen lag die Prüfbitte des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung auf Ausschussdrucksache
18(4)309 vor. Die Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern lag hierzu auf Ausschussdrucksache
18(4)363 vor.
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksachen 18/4654, 18/5051 sowie den Antrag der Fraktion
DIE LINKE. auf Drucksache 18/4682 und den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache
18/4690 in seiner 52. Sitzung am 1. Juli 2015 abschließend beraten.
Zu Buchstabe a
Der Innenausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf auf Drucksache 18/4654 in der
aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Fassung anzunehmen. Die Änderungen entsprechen dem Änderungs-
antrag auf Ausschussdrucksache 18(4)350, der zuvor von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD in den Innen-
ausschuss eingebracht und mit gleichem Abstimmungsergebnis angenommen wurde.
Zu Buchstabe b
Der Innenausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags auf Drucksache 18/4682.
Zu Buchstabe c
Der Innenausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag auf Drucksache 18/4690 abzulehnen.

IV. Begründung

1. Zur Begründung allgemein wird auf die Drucksache 18/4654 hingewiesen. Die vom Innenausschuss vorge-
nommenen Änderungen auf Grundlage des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschussdrucksache
18(4)350 begründen sich wie folgt:

Zu Nummer 1
Zu Buchstabe a
Im bisherigen § 6 Satz 8 wird das Wort „Anwendungsgebiet“ verwendet. Die Abweichung von der Formulierung
des geltenden Rechts ist ein Redaktionsversehen. Durch die Beibehaltung des Begriffs werden Interpretationsfra-
gen, ob mit der begrifflichen auch eine inhaltliche Änderung einhergeht, vermieden.

Zu Buchstabe b
Zu Doppelbuchstabe aa
Dreifachbuchstabe aaa erweitert die Verbotsregelung des Gesetzentwurfs, da der Ausschluss der Gründung oder
steuernden Einflussnahme für jedwede extremistischen Personenzusammenschlüsse gelten muss, nicht lediglich
in Fällen eines strafbewehrten Vereinigungsverbots. Daher wird Satz 1 allgemeiner gefasst (die Änderung des
Satzes 2 ist Folgeänderung).
Dreifachbuchstabe bbb dient der Klarstellung einerseits zum Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung und
andererseits zur restriktiven Verfahrensweisen bei Anzeigehindernissen.
Aus der Fassung der Ausnahmeregelung im Gesetzentwurf als letzter Halbsatz des Satzes 4 erschließt sich syste-
matisch eindeutig, dass dies eine Zuständigkeitsregelung für die mit der Soll-Vorschrift des Satzes 4 belassene
Ausnahmemöglichkeit ist und nicht etwa eine Ausnahmebefugnis auch zu den Verboten in Satz 1 oder Satz 3
Nummer 1. Einlassungen während der Anhörung haben den Eindruck vermittelt, dass diese systematische Ausle-
gung Raum für Missverständnisse belässt. Daher wird die Regelung nun als gesonderter Satz mit ausdrücklichem
Bezug auf Satz 4 getroffen.
Im Übrigen ist bereits in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, dass angesichts der rechtsstaatlichen Sensitivi-
tät des Vorgangs bei der Frage der Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden eine restriktive Anwendung der
Übermittlungsverbote in § 23 BVerfSchG angezeigt ist. Dies wird nun durch eine ausdrückliche Regelung im

Drucksache 18/5415 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Gesetz selbst unterstrichen. Auf die nun in § 9a Absatz 2 Satz 4 ergänzte Regelung ist § 23 BVerfSchG nicht
anwendbar, da er nur für Übermittlungen nach dem dritten Abschnitt des BVerfSchG gilt.

Zu Doppelbuchstabe bb
Zu Dreifachbuchstabe aaa
Mit der gesetzlichen Berichtspflicht wird die parlamentarische Kontrolle des politisch sensiblen nachrichten-
dienstlichen Mittels verstetigt. Die Regelung trägt dabei gleichermaßen dem parlamentarischen Kontrollbedarf
wie der außerordentlichen Sensitivität der Materie Rechnung.
Der Bericht soll eine politische Bewertung ermöglichen, dass einerseits V-Leute zurückhaltend eingesetzt werden,
also nicht gewissermaßen ein stasihaftes Überwachungsnetz entsteht, und sie andererseits zur Gewinnung wert-
voller Erkenntnisse bei der Aufklärung gefährlicher Bestrebungen beitragen.
Die Angaben werden als Lagebild erfolgen, wobei auf die einzelnen Phänomenbereiche gesondert, aber jeweils
zusammenfassend eingegangen wird. Diese Darstellungsgranularität ist zur bezweckten politischen Bewertung
hinreichend. Eine weitergehende Differenzierung würde somit für den gebotenen Geheimschutz nicht erforderli-
che Risiken begründen. Diese Risiken gefährdeten im weiteren nicht nur die operativen Belange der Gefahrerfor-
schung, sondern ebenso die eingesetzten V-Leute persönlich, die als „Verräter“ insbesondere in einem gewalt-
orientierten Einsatzumfeld massiven Repressionen – bis hin zum Fememord – ausgesetzt sein könnten. Deshalb
hätte die Einschätzung in den betreffenden Kreisen, dass eine parlamentarische Befassung zu ihrer Enttarnung
führen könnte, bereits drastische Vorwirkungen auf eine Zusammenarbeitsbereitschaft.
Die Lagedarstellung wird deshalb auch nicht nach einzelnen Behörden aufgegliedert. Die politische Bewertung
wird dadurch nicht beeinträchtigt, wohingegen umgekehrt eine behördenaufgespaltene Darstellung speziell bei
kleineren Größenordnungen (also insbesondere zum BND gem. § 1 Absatz 2 Satz 2 BNDG, aber u. U. auch zum
MAD) einzelfallbezogene Rückschlüsse eröffnen könnten, die aus den dargestellten Erwägungen dringend ver-
mieden werden sollten.
Der Lagebericht beinhaltet insbesondere die Bereiche des Rechts-, Links- und Ausländerextremismus sowie des
Islamismus. Eine gesetzliche Fixierung erfolgt gleichwohl nicht, damit die Regelung anpassungsfähig bleibt. Eine
nähere gesetzliche Regelung ist hier auch nicht nötig, da erforderlichenfalls das PKGr selbst seinen Informations-
bedarf im gesetzlichen Rahmen konkretisieren kann.
Mit jeder Ausweitung des Kenntnisträgerkreises sind notwendig komplementäre Geheimschutzrisiken verbunden.
Um diese Risiken angesichts des besonderen Geheimschutzbedarfs bei der vorliegenden Materie strikt auf das
Erforderliche zu beschränken, erfolgt der Bericht der Bundesregierung durch Vortrag unmittelbar in der Sitzung
des PKGr, also unter Ausschluss sonstiger Kenntnisträger.
Der Bericht erfolgt anlassunabhängig mindestens jährlich. Unabhängig von solchen periodischen Berichten bleibt
die Bundesregierung nach § 4 Absatz 1 Satz 1 PKGrG verpflichtet, bei Änderungen der dargestellten Lage von
besonderer Bedeutung auch außerhalb des Jahresturnus von sich aus nach zu berichten.

Zu Dreifachbuchstabe bbb
Die Änderung regelt die Ausnahmesachverhalte im Falle von Vertrauenspersonen mit gewichtigen Vorstrafen
näher und trägt damit auch der diesbetreffenden Stellungnahme des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 123/15
(Beschluss), Buchstabe d) Rechnung.

Zu Vierfachbuchstabe aaaa
Die Änderung hat nur redaktionellen Gehalt. Da die Ausnahmen zur Grundsatzregelung des bisherigen § 9b Ab-
satz 2 Satz 3 nunmehr speziell geregelt werden (im neuen Satz 3), wird die Ausschlussregelung in den Katalog
des Satzes 2 als neue Nummer 5 aufgenommen.

Zu Vierfachbuchstabe bbbb
Vor dem Hintergrund der Bewertungen des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode (Drucksa-
che 17/14600) ist die Ausnahmeentscheidung bei der Verpflichtung von Personen mit erheblichen Vorstrafen
besonders sensibel.
Einerseits wäre eine strikte Ausschlussregelung den Schutzzwecken der Aufklärungsaufgabe nicht angemessen,
wie bereits in der Entwurfsbegründung der Bundesregierung ausgeführt ist. Selbst zur 1. Alternative der grund-
sätzlichen Ausschlussregelung (Verbrechen) sind Ausnahmen nötig, da ansonsten bereits die Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung (nach § 12 Absatz 1 i. V. m. § 129a Absatz 1 StGB ein Verbrechen) entgegen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/5415
der Wertung des § 9a Absatz 2 Satz 2 (i. V. m. § 9b Absatz 1) generell einen zwingenden Ausschlussgrund
darstellen würde. Durch die Ausnahmemöglichkeit bei außerordentlichen Sonderfällen wird der Grundsatz nicht
in Frage gestellt. Für die Strafverfolgung ist selbstverständlich, dass ein Täter unabhängig von seiner Tat auch als
Zeuge gehört werden darf und sein Nachtatverhalten auch besonders am Maßstab des § 46b StGB (Aufklärungs-
hilfe) zu seinen Gunsten zu würdigen ist. Wenn die Person darüber hinaus sogar zu weiterer Informationsbeschaf-
fung bereit ist, sollte eine Zusammenarbeit nicht ausnahmslos gesetzlich verschlossen sein, insbesondere ist nicht
davon auszugehen, dass eine solche Quelle generell unzuverlässig sein muss.
Andererseits ist die Zusammenarbeit des Rechtsstaates mit Verbrechern zur Verbrechensaufklärung grundsätzlich
fragwürdig. Dem trägt die Grundsatzregelung im bisherigen Satz 3 des Gesetzentwurfs bereits Rechnung. Um die
bislang lediglich in der Gesetzesbegründung ausgeführten Sacherwägungen einer Ausnahmeentscheidung trans-
parenter zu machen, werden die maßgeblichen Erwägungen nunmehr in den neu formulierten Satz 3 aufgenom-
men. Der dabei verwendete Begriff „unerlässlich“ setzt einerseits voraus, dass ein gleichwertiger Informations-
zugang mit anderen Mitteln (einschließlich anderer Vertrauensleute) nicht gegeben ist und der Einsatz in Abwä-
gung der Bedeutung zu erwartender Erkenntnisse für die Bekämpfung besonders gefährlichen Bestrebungen auch
unter Berücksichtigung der Vortaten angemessen ist. Die Unerlässlichkeit bezieht dabei auch auf die Art der
Zusammenarbeit ein, d. h. wenn der Informationsbedarf nur im Einzelfall besteht oder ebenso durch gelegentliche
Hinweise – ohne Führung zur gezielten Informationsbeschaffung – zu decken ist, ist eine Verpflichtung als Ver-
trauensperson unzulässig. Die Bezeichnung besonders gefährlicher Bestrebungen durch Bezugnahme auf den
Straftatenkatalog des § 3 G10-Gesetz entspricht der Bezugnahme in § 46b StGB auf § 100a StPO.
Eine absolute Grenze soll in jedem Fall gelten, wenn die Verurteilung als Täter eines Totschlags, Mordes oder
einer anderen zwingend mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohten Straftat erfolgt ist. Schwerstkriminelle, die
wegen einer Tat verurteilt sind, zu der die Rechtsordnung in der Strafdrohung das Höchstmaß des Unwerturteils
vorsieht (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen nach § 6 Absatz 1, § 7 Ab-
satz 1 Nummer 1 und 2 sowie § 8 Absatz 1 Nummer 1 VStG), sollen keinesfalls als Vertrauenspersonen in Be-
tracht kommen. Da ebenso der Totschlag als Verbrechen gegen das Leben ein absolutes ethisches Tabu bricht,
wird er gleichfalls einbezogen. Das Anwerbeverbot betrifft hier nicht erst die Zeit nach dem Freiheitsentzug (Aus-
setzung der Vollstreckung des Strafrests nach § 57a StGB bzw. im Falle des versuchten Delikts oder eines heran-
wachsenden Täters angesichts der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Absatz 2 JGG bzw. § 106 Absatz 1 JGG
auch nach § 57 StGB; Jugendstrafe gem. §§ 18, 105 Absatz 3 JGG). Da solche Täter unter Umständen gerade
wegen ihrer Tat hohe Anerkennung in der Szene und darauf aufbauend auch während der Haft gut vernetzte
Beziehungen in die Szene besitzen, könnte aus der Perspektive der Informationsbeschaffung ein besonderes Inte-
resse an deren Verpflichtung bestehen, die während der Haft womöglich auch erleichtert möglich wäre, jedoch
rechtlich ausgeschlossen sein soll.
Im Übrigen werden zusätzliche Verfahrensvorkehrungen getroffen. So wird die Ausnahmeentscheidung nunmehr
allein dem Behördenleiter vorbehalten. Eine Delegation ist ausgeschlossen (eine Abwesenheitsvertretung bleibt
davon unberührt).
Mit dieser im BVerfSchG singulären Regelung zur alleinigen Entscheidungszuständigkeit des Präsidenten misst
der Gesetzgeber der Entscheidung zugleich eine Bedeutung zu, nach der das BfV von sich aus das BMI als Fach-
aufsicht über den Vorgang unterrichten muss.

Zu Vierfachbuchstabe cccc
Der Einsatz ist zu beenden, wenn sich die Erwartung, die Vertrauensperson werde wichtige Information zur Auf-
klärung der Bestrebungen liefern, nicht bestätigt. Zugleich verdeutlicht diese Regelung bereits vorwirkend für die
Verpflichtung, dass eine grundsätzlich nach § 9b Absatz 2 Nummer 5 ausgeschlossene Anwerbung nur dann in
Betracht kommt, wenn zu erwarten ist, dass die Informationen der Quelle von derartiger Qualität sind, dass das
Ausklärungsinteresse das grundsätzliche Anwerbeverbot überwiegt. Neben der abstrakt-phänomenbezogenen
Sicht („Bestrebungen, die auf die Begehung von in § 3 Absatz 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeichneten Straftaten
gerichtet sind“) muss auch eine konkret quellenbezogene Einschätzung treten. Nach spätestens 6 Monaten muss
sich die Erwartung auch in der Praxis bestätigt haben. Ansonsten ist der Einsatz zu beenden. Auch im Weiteren
bleiben Wert und Wahrheitsgehalt der durch die Vertrauensperson gelieferten Informationen fortlaufend zu be-
werten. Dies entspricht den allgemeinen Qualitätsstandards der VP-Führung, wird aber im vorliegenden Zusam-
menhang auch gesetzlich unterstrichen, um hervorzuheben, dass gerade wegen der besonderen Sensibilität gra-
vierender Vorstrafen eine laufende Überprüfung der Angemessenheit der Einsatzfortsetzung angezeigt ist.

Drucksache 18/5415 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Buchstabe c
Die Änderung verdeutlicht, dass eine Abwägung der Erkenntnisdichte und des öffentlichen Interesses an einer
Verdachtsberichterstattung erfolgen muss.

Zu Buchstabe d
Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Zusammenfassung der bisher in den Absätzen 1 und 2 enthaltenen
Spontanübermittlungsregelungen für Strafverfolgungsbehörden im neuen Absatz 1b.

Zu Nummer 2
Die Bedarfslage für eine Auskunft bei Anfragen mit ähnlichen oder unvollständigen Angaben im automatisierten
Verfahren besteht beim BZR in gleicher Weise wie beim ZStV. Mit der neuen Nummer 1 in Artikel 11 wird daher
§ 21a Satz 2 BZRG, der bereits auf die zum ZStV getroffenen Regelungen verweist, ergänzt um die dortigen
Regelungen zum Ähnlichenservice. Die neue Nummer 2 des Artikels 11 entspricht dem bisherigen Artikel 11.

2. Die Koalitionsfraktionen erklären, dass mit diesem Gesetz die Reform des Verfassungsschutzes auf Grund-
lage der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses fortgesetzt werde. Die Dienste oder den V-Leute-
Einsatz generell abzuschaffen, sei allerdings falsch. Der Einsatz von V-Leuten stelle wegen gefährlich gewaltbe-
reiter, extremistischer Phänomenbereiche, die abgeschottet sein können, ein unersetzbares Mittel zur Informati-
onsgewinnung dar. Auswahl und Führung von V-Leuten erhalten jetzt einen klaren gesetzlichen Rahmen und
klare Grenzen einschließlich höherer qualitativer Anforderungen. Ein V-Leute-Einsatz, bei dem rote Linien wie
im Fall „Piatto“ überschritten wurden, sei jetzt nicht mehr möglich. Verurteilte Mörder und Totschläger können
unter keinen Umständen angeworben werden. Dies stelle der Änderungsantrag jetzt ausdrücklich klar. Die Aus-
nahmeregelung werde gesetzlich wieder eingeschränkt. Ein Rückschluss aus dem NSU-Untersuchungsausschuss
sei auch gewesen, dass die Behörden besser miteinander kommunizieren müssen. Informationen zum NSU-Trio
hätten vorgelegen. Diese habe aber niemand zusammengeführt. Deshalb müsse der Informationsverbund enger
gefasst werden. Der Informationsaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden werde gesetzlich verpflich-
tend und die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz gestärkt. Hierzu diene das Nachrich-
tendienstliche Informationssystem (NADIS). Die mit dem Änderungsantrag normierte Berichtspflicht zur parla-
mentarischen Kontrolle des V-Leute-Einsatzes sei ein guter Baustein, um einen vernünftigen Gesetzentwurf ab-
zurunden.
Die Fraktion DIE LINKE. hebt hervor, dass es sich bei dieser Debatte zu dem Gesetz um mehrere Grundsatz-
fragen handele, die von der Koalition anders entschieden werden. Dies betreffe den V-Leute-Einsatz. Auch wenn
dieser weiter möglich sein sollte, gehe es nur um höhere Einsatzschwellen, da Ausnahmen von den gutklingenden
Grundsätzen möglich bleiben. Auch die parlamentarische Kontrolle, die in dem Änderungsantrag eingefügt
wurde, klinge zunächst interessant. Tatsächlich ermögliche aber der turnusmäßige Jahresbericht keine konkrete
Kontrolle. Verdeckte Mitarbeiter seien bei dieser parlamentarischen Kontrolle auch nicht einbezogen. Die Aus-
weitung des Komplexes der strategischen Fernmeldeaufklärung in diesem Gesetzentwurf erschließe sich ebenfalls
nicht. Die politischen Differenzen, die zur Ablehnung des Gesetzentwurfs führen, seien bekannt und anderweitig
bereits umfassend dargelegt. Insofern werde auch noch einmal auf den Antrag auf Drucksache 18/4682 hingewie-
sen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses stellten
eine Zäsur dar, denen dieser Gesetzentwurf in keiner Weise gerecht wird. Das Bundesamt für Verfassungsschutz
und der Militärische Abschirmdienst (MAD) gehörten aufgelöst. Es bedürfe eines Neustarts. Der Rahmen der neu
zu schaffenden Sicherheitsarchitektur sei im vorgelegten Antrag auf Drucksache 18/4690 skizziert. Die Sachver-
ständigenanhörung habe die Mängel dieses Gesetzes bestätigt. Der Gesetzentwurf sei ungeeignet, die Missstände
beim bisherigen nutzlosen und desaströsen V-Leute-Einsatz zu beseitigen. Weitere Regelungen seien missglückt
oder zu unbestimmt. Schließlich widersprächen auch die neuen Vorschriften über den Informationsaustausch zwi-
schen Polizei und Nachrichtendiensten der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Auch die Bundes-
beauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit habe dieses Gesetz nachdrücklich kritisiert. Das
Bundesamt für Verfassungsschutz in eine „Big Data“-Behörde zu verwandeln, werde als Aufkündigung des da-
maligen Konsenses zu den Ergebnissen des NSU-Untersuchungsausschusses bewertet.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/5415

Berlin, den 1. Juli 2015

Clemens Binninger
Berichterstatter

Burkhard Lischka
Berichterstatter

Petra Pau
Berichterstatterin

Dr. Konstantin von Notz
Berichterstatter
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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