BT-Drucksache 18/5283

Energieaußen- und Klimapolitik in Folge der G7-Beschlüsse von Elmau

Vom 17. Juni 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/5283
18. Wahlperiode 17.06.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annalena Baerbock, Jürgen Trittin, Oliver Krischer,
Dr. Julia Verlinden, Bärbel Höhn, Marieluise Beck (Bremen),
Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs,
Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Doris Wagner, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Energieaußen- und Klimapolitik in Folge der G7-Beschlüsse von Elmau

Vom 7. bis 8. Juni 2015 kamen die Staats- und Regierungschefs der G7 unter
deutscher Präsidentschaft im bayerischen Elmau zusammen. Gemäß der Ab-
schlusserklärung des Gipfels bekannten sich die Staats- und Regierungschefs
zum Ziel, den globalen Anstieg der Temperatur auf maximal 2 Grad zu begren-
zen – ein Ziel, dass bereits in Kopenhagen (im Jahr 2009) und auch Cancun (im
Jahr 2010) im Rahmen der Weltklimakonferenz beschlossen wurde.
Außerdem erkennen die G7-Staaten die Erkenntnisse des jüngsten Weltklima-
berichts (IPCC – Fünfter Sachstandsbericht) an und schlussfolgern daraus eine
langfristige Etablierung einer kohlenstoffarmen Weltwirtschaft, tiefe Ein-
schnitte bei den weltweiten Treibhausgasemissionen und eine „damit einherge-
hende Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts“.
Im Hinblick auf die kommende Weltklimakonferenz in Paris bekräftigten die
G7 ihre „feste Entschlossenheit, im Rahmen der Klimakonferenz im Dezember
dieses Jahres in Paris (COP21) ein Protokoll, eine andere rechtliche Über-
einkunft oder ein vereinbartes Ergebnis mit rechtlicher Wirkung unter dem
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen
(UNFCCC) zu erzielen, was für alle Vertragsparteien gelten soll und ambi-
tioniert, tragfähig und alles umfassend ist, und sich entwickelnde nationale
Gegebenheiten spiegelt“ (www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/
G8_G20/2015-06-08-g7-abschluss-deu.pdf?_blob=publicationFile&v=4).
In Deutschland aber hat es die Bundesregierung bisher versäumt, die eigenen
Ziele mit konkreten Maßnahmen zu ihrer Umsetzung zu unterlegen. Die Pro-
Kopf-Emissionen der Deutschen gehören zu den höchsten innerhalb der Euro-
päischen Union (EU) und sind ca. 27 Prozent höher als der Durchschnitt in der
EU. Deutschland senkte dennoch seine Emissionen zwischen den Jahren 2005
und 2013 nur um 3,8 Prozent. Ziel waren 4,5 Prozent. Deutschland wird deshalb
nach Auffassung der Fragesteller das selbstgesteckte Ziel der Emissionsmin-
derung bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent nicht mehr erreichen. Deutschlands
Emissionen im Energiesektor sind höher als im EU-Durchschnitt, vor allem
durch die zu starke Rolle von Kohle im Energiemix. Diese wird von der Bundes-
regierung auch weiterhin geschont.

Drucksache 18/5283 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Auf europäischer Ebene wird derzeit an der Etablierung einer Energieunion ge-
arbeitet. Diese setzt aber vor allem auf die Diversifizierung fossiler Energie-
ressourcen.
Das G7-Mitglied USA plant, aufgrund des Fracking-Booms ab dem Jahr 2016
zum Exporteur von Flüssiggas (LNG) zu werden. G7-Mitglied Kanada ist be-
reits seit Jahren Netto-Exporteur fossiler Energien. Das G20-Präsidentschafts-
land Australien strebt an, den bisherigen Spitzenreiter im LNG-Markt Katar von
Platz eins zu verdrängen.
Innerhalb der G7 sowie der G20 werden also die Weichen in Richtung einer for-
cierten fossilen Infrastruktur gestellt. Diese sind mit hohen Investitionen ver-
bunden. Ein Ausstieg aus der fossilen Energiebereitstellung bis zum Jahr 2050
würde diese Investitionen gefährden.
Die Abschlusserklärung von Elmau versucht mit der erneuten Festlegung auf
das 2-Grad-Limit sowie dem Bekenntnis zu einer Dekarbonisierung den Ein-
druck einer ambitionierten Klima- und Energiepolitik durch die G7-Staaten zu
erwecken. Doch die aktuelle Politik in sämtlichen G7-Staaten zeigt tatsächlich
das Gegenteil. Vielmehr steht die deutsche, europäische und internationale
Klimapolitik teilweise sogar noch immer im Widerspruch zu diesen ohnehin un-
verbindlichen Beschlüssen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche konkreten energie- und welche konkreten wirtschaftspolitischen

Maßnahmen wurden unter den G7-Mitgliedstaaten im Elmau diskutiert, um
im Laufe des Jahrhunderts eine kohlenstoffarme Weltwirtschaft bzw. Ener-
giewirtschaft zu erreichen?

2. Welche Vorbehalte verhinderten ein Bekenntnis zu einer weitgehend CO2-
emissionsfreien Energiewirtschaft der G7-Staaten bereits bis zur Mitte des
Jahrhunderts?

3. Wie definiert die Bundesregierung „kohlenstoffarme Weltwirtschaft“, und
gibt es ein gemeinsames Verständnis unter den G7 für diese Zielvorstellung?

4. Was versteht die Bundesregierung konkret unter „Entwicklung und Einsatz
innovativer Technologien“ im Hinblick auf die Zielformulierung einer koh-
lenstofffreien Energiewirtschaft?
Fallen Carbon Capture and Storage (CCS), Carbon Capture and Use (CCU),
Bio-Energie mit CCS (BECCS), Atomenergie aus Kernspaltung und Kernfu-
sion unter diese Zielvorstellung?
Welche G7-Staaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung das Ziel ei-
ner kohlenstofffreien Energiewirtschaft mittels Carbon Capture and Storage
(CCS), Carbon Capture and Use (CCU), Bio-Energie mit CCS (BECCS) oder
Atomenergie aus Kernspaltung und Kernfusion zu erreichen versuchen?

5. Wurde auf dem G7-Gipfel von Elmau explizit über Bio-Energie mit CCS
(BECCS) gesprochen, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht die
Bundesregierung aus diesem Austausch?

6. Was wird die Bundesregierung unternehmen, „um die Koordinierung und
Transparenz von Forschung, Entwicklung und Demonstration im Bereich der
sauberen Energien insgesamt zu verbessern“, und welche Formen der Ener-
giegewinnung gelten für die Bundesregierung als „sauber“?

7. Wie definiert die Bundesregierung „Dekarbonisierung“, und gibt es ein ge-
meinsames Verständnis unter den G7 für diese Zielvorstellung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5283
8. Welchen Einfluss auf das Ziel einer „kohlenstoffarmen Weltwirtschaft“
haben aus Sicht der Bundesregierung die Ankündigungen der USA
(www.telegraph.co.uk vom 26. April 2015 „US to launch blitz of gas ex-
ports, eyes global energy dominance“) und Australiens (www.reuters.com
vom 29. September 2011 „Australia to overtake Qatar as top LNG sup-
plier“), ab dem Jahr 2020 mehr Flüssiggas als Katar exportieren zu wollen?

9. Um wie viel erhöht sich nach Einschätzung der Bundesregierung die han-
delbare Menge an fossilen Brennstoffen auf dem Weltmarkt, wenn die USA
und Australien die genannten Ziele erreichen?

10. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung das in der statischen Reich-
weite fossiler Energien gebundene globale Kapital, und wie hoch schätzt sie
den Abschreibungsbedarf bei Einhaltung des 2-Grad-Ziels, für das nicht
einmal mehr die Hälfte dieser Ressourcen verbrannt werden darf?

11. In welchem Umfang sind nach Kenntnis der Bundesregierung Bund oder
Bundesländer mittel- oder unmittelbar (z. B. durch Fonds oder Anlagen) an
Firmen (bitte auflisten) beteiligt, die an der Exploration von fossilen Ener-
gieträgern beteiligt sind oder in diese investieren?

12. Wie groß ist nach Kenntnis der Bundesregierung das CO2-Äquivalent der
fossilen Energieträger, über die diese Firmen aktuell verfügen (bitte auflis-
ten) inklusive der noch nicht explorierten, aber in Besitz befindlichen La-
gerstätten?

13. Wird sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund der G7-Beschlüsse für
eine Erhöhung der europäischen CO2-Reduktionsziele, die Anhebung eines
verbindlichen Ausbauziels für erneuerbare Energien und für Energieeffi-
zienz einsetzen, und wenn ja, bis wann?

14. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass das G7-Ziel einer koh-
lenstoffarmen Energieversorgung auch auf die EU-Energie- und Klimapoli-
tik übertragen und als Zielbestimmung für die Energieunion und ihrer
Governance formuliert wird?
Wenn nein, warum nicht?

15. Wie deckt sich die Zielformulierung der kohlenstoffarmen Energiegewin-
nung mit der Deklaration für eine regionale Kooperation zur Versorgungs-
sicherheit im Rahmen des Energiebinnenmarktes und dem darin erneut
bestätigten Recht, selbstständig und national über den Energiemix zu ent-
scheiden (www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/J-L/joint-declaration-for-
regional-cooperation-on-security-of-electricity-supply-in-the-framework-
of-the-internal-energy-market,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,
rwb=true.pdf)?

16. Plant die Bundesregierung anlässlich des in Elmau erneut verabschiedeten
Bekenntnisses zum Abbau ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe
einen Abbau der umweltschädlichen Subventionen in Deutschland (etwa des
ungedeckelten Dienstwagenprivilegs, vgl. www.umweltbundesamt.de vom
15. Dezember 2014 „Umweltschädliche Subventionen liegen bei über
52 Milliarden Euro“), die nach Berechnungen des Umweltbundesamtes in
Deutschland zuletzt rund 52 Mrd. Euro jährlich betragen haben, und wann ist
mit einer entsprechenden Initiative zu rechnen?
Wie definiert die Bundesregierung „ineffiziente Subventionen für fossile
Brennstoffe“, und hält sie die Befreiung der Braunkohletagebaue von der
Wasserabgabe (www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/
publikationen/umweltschaedliche_subventionen_2014_0.pdf) für eine sol-
che ineffiziente Subvention, wenn nicht, warum nicht?

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17. Wie gedenkt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des in Elmau
verabschiedeten Bekenntnisses zum Abbau ineffizienter Subventionen für
fossile Brennstoffe darauf hinzuwirken, dass die Investitionen der KfW
Bankengruppe am 2-Grad-Limit ausgerichtet werden?
Wie hoch soll der genaue Mittelaufwuchs für den Klimaschutz, den die
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der G7-Abschlusserklärung verkün-
det hatte, in den kommenden Jahren gestaltet sein (bitte pro Jahr angeben
und Aufwuchspfad erläutern)?

18. Welche konkreten Maßnahmen plant bzw. prüft die Bundesregierung, um
verstärkt Finanzmittel aus öffentlichen und privaten Quellen für die interna-
tionale Klimafinanzierung bereitzustellen?

19. Plant die Bundesregierung, neue und zusätzliche Haushaltsmittel bereitzu-
stellen, um dem G7-Versprechen, bis zum Jahr 2020 400 Millionen mehr
Menschen Zugang zu direkten und indirekten Versicherungsleistungen bei
klimabedingten Katastrophen zur Verfügung zu stellen, Rechnung zu tra-
gen, und wenn ja, wie hoch sind diese, und in welchem Haushaltstitel sollen
sie abgebildet werden?

20. In welchem Umfang sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutsch-
land Investitionen im Bereich der Infrastruktur für fossile Energieträger ge-
plant (z. B. Pipelines, Speicher, LNG-Terminals etc.), für die öffentliche
Mittel zur Verfügung gestellt werden und bzw. oder beantragt sind (bitte
auflisten)?

21. Welche Abschreibungszeiträume fließen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung für die jeweiligen geplanten Projekte (Frage 20) in die Berechnung des
Nutzen-Kosten-Verhältnisses (NKV) ein?

22. In welcher Weise wird das Ziel einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft
Konsequenzen für die Ausgestaltung der Energieunion der EU haben – ins-
besondere im Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energien und die Stei-
gerung der Energieeffizienz?

23. Welchen geplanten Anteil haben Investitionen in Energieinfrastrukturen
und Erzeugungsstrukturen für fossile und bzw. oder atomare Energieträger
beim gerade aufgelegten Europäischen Fonds für strategische Investitionen
(EFSI)?

24. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die angestrebten Inves-
titionen mit Hilfe des EFSI dem Ziel „Dekarbonisierung in diesem Jahrhun-
dert“ unterzuordnen?

25. Teilt die Bundesregierung diesbezüglich die Auffassung der Fragesteller,
dass ohne eine entsprechende Emissionsminderung im fossilen Kraftwerks-
park die Glaubwürdigkeit Deutschlands beim Klimaschutz gefährdet wäre
(bitte begründen)?

Berlin, den 17. Juni 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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