BT-Drucksache 18/4942

Ausmaß von Samstags- und Wochenendarbeit

Vom 19. Mai 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4942
18. Wahlperiode 19.05.2015
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Susanna Karawanskij,
Katja Kipping, Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann (Zwickau) und
der Fraktion DIE LINKE.

Ausmaß von Samstags- und Wochenendarbeit

Mit dem Beschluss vom 14. Januar 2015 hat das Bundesverfassungsgericht die
Gültigkeit des besonderen Arbeitnehmerschutzes des Thüringer Ladenöffnungs-
gesetzes bestätigt (§ 12 Absatz 3 ThürLadÖffG). Demnach dürfen in Thüringen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen an mindestens zwei
Samstagen in jedem Monat nicht beschäftigt werden. Die Regelungen zum Ar-
beitnehmerschutz des Landes Thüringen legen fest, dass sich Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer an einem Samstag im Monat von der Beschäftigung frei-
stellen lassen können. Als Begründung führt das Bundesverfassungsgericht die
„mit den Ausweitungen der Ladenöffnungszeiten verbundene Verschlechterung
der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Einzelhandel“ an, „die sowohl die
Gesundheit wie das Familienleben beeinträchtigen können“.
Nach der erfolgreichen Arbeitszeitverkürzungskampagne des Deutschen Ge-
werkschaftsbunds (DGB) in den 50er- und 60er-Jahren hatte sich in Deutschland
die Fünf-Tage-Woche als Institution etabliert. Die Deregulierung und Flexibili-
sierung der Arbeitswelt hat diesen Standard in vielen Branchen in den letzten
Jahren aufgeweicht. Laut dem „Stressreport Deutschland 2012“, der Auswer-
tung einer repräsentativen Befragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin, gaben 64 Prozent der Befragten an, von Samstagsarbeit betrof-
fen zu sein.
Mit einem Anteil von 54 Prozent Wochenendarbeit liegt Deutschland knapp
über dem EU-Durchschnitt (Stressreport Deutschland 2012, S. 52). Laut eines
Berichts von Wolfgang Janisch in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 12. März
2015 sind gerade Geringverdiener mit höchstens 1 500 Euro brutto im Monat
von Wochenendarbeit betroffen. Er bezieht sich auf eine Sonderauswertung des
DGB-Index Gute Arbeit „Stressfaktor Wochenend-Arbeit“ aus dem Jahre 2011.
Dieser Auswertung nach liegt der Anteil der Beschäftigten, die oft bis sehr
häufig am Wochenende arbeiten müssen, insgesamt bei 35 Prozent. Während
Arbeitsverdichtung und Arbeitsbelastung immer weiter zunehmen, bleibt immer
weniger Zeit für Erholung, Familienleben sowie kulturelle und gesellschaftliche
Teilhabe. Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach hält das für „eine
problematische Entwicklung, die Beschäftigte, Familien und vor allem Allein-
erziehende und deren Kinder vor neue Schwierigkeiten stellt“. Dieser Trend, so
Annelie Buntenbach weiter, sei nicht gesund, „weder für die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer noch für die wirtschaftliche Entwicklung und auch nicht für
die Kultur“ (vgl. DGB-Index Gute Arbeit „Stressfaktor Wochenend-Arbeit“

Drucksache 18/4942 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2011). Es stellt sich daher die Frage nach dem Ausmaß und den Betroffenen von
Wochenendarbeit, speziell auch von Samstagsarbeit.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Beschäftigte sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell

absolut und relativ von Wochenendarbeit, und wie viele von Samstagsarbeit
betroffen (bitte nach Einkommensgruppen, Alter, Geschlecht, Ost und West
differenzieren)?

2. Welche Branchen sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell absolut
und relativ von Wochenendarbeit, und wie viele von Samstagsarbeit betrof-
fen (bitte nach Ost und West differenzieren)?

3. Welche Beschäftigungsgruppen sind nach Kenntnis der Bundesregierung
aktuell absolut und relativ von Wochenendarbeit, und wie viele von Sams-
tagsarbeit betroffen (bitte nach Ost und West differenzieren)?

4. Welche Haushaltstypen sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell
absolut und relativ von Wochenendarbeit, und wie viele von Samstagsarbeit
betroffen (bitte nach Ost und West differenzieren)?

5. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell der Anteil Allein-
erziehender, die von Samstagsarbeit betroffen sind (bitte nach Geschlecht
differenzieren)?

6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der Niedrig-
lohnempfänger mit einem Einkommen bis 1 500 Euro brutto im Monat, die
von Samstagsarbeit betroffen sind?

7. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2004 bis
2014 die Zahlen der von Wochenendarbeit und von Samstagsarbeit Betrof-
fener entwickelt (bitte nach Einkommensgruppen, Alter, Geschlecht, Ost
und West differenzieren)?

8. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2004 bis
2014 die Zahlen der von Wochenendarbeit und von Samstagsarbeit betrof-
fenen Branchen entwickelt (bitte nach Ost und West differenzieren)?

9. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2004 bis
2014 die Zahlen der von Wochenendarbeit und von Samstagsarbeit betrof-
fenen Beschäftigungsgruppen entwickelt (bitte nach Ost und West differen-
zieren)?

10. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2004 bis
2014 die Zahlen der von Wochenendarbeit und von Samstagsarbeit betrof-
fenen Haushaltstypen entwickelt (bitte nach Ost und West differenzieren)?

11. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Alleinerzie-
henden, die von Samstagsarbeit betroffen sind, in den Jahren von 2004 bis
2014 entwickelt (bitte nach Ost und West und Geschlecht differenzieren)?

12. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Niedriglohn-
empfänger mit einem Einkommen bis 1 500 Euro brutto im Monat in den
Jahren von 2004 bis 2014 entwickelt (bitte nach Ost und West und Alter dif-
ferenzieren)?

13. In welchen Ländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Regelungen
zum Arbeitnehmerschutz bei Samstagsarbeit, die über § 17 Absatz 4 des
Gesetzes über den Ladenschluss hinausgehen, und welche Regelungen ent-
halten diese?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4942
14. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer, die von Samstagsarbeit betroffen sind, durch die aktuelle Recht-
sprechung ausreichend geschützt sind, und auf welche wissenschaftliche
Grundlage stützt die Bunderegierung diese Annahme (bitte begründen und
ausführen)?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Übertragungskompetenz der Gesetz-
gebungskompetenz auf die Länder, angesichts der gesundheitlichen und
familiären Beeinträchtigungen, die für die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer durch Wochenendarbeit entstehen, wie es das Bundesverfassungs-
gericht in seiner Begründung zu seinem Beschluss 1 BvR 931/12 vom
14. Januar 2015 dargelegt hat?
Wäre aus Sicht der Bundesregierung eine Rückübertragung auf den Bund
hinsichtlich des Arbeitsschutzes sinnvoll oder geboten (bitte begründen)?

16. Welche Auswirkung hat Samstagsarbeit nach Kenntnis der Bundesregie-
rung auf die Gesundheit des Beschäftigten, und sieht die Bundesregierung
einen Zusammenhang mit der Zunahme psychischer Belastungen am Ar-
beitsplatz und einem Anstieg psychischer Erkrankungen (bitte begründen)?

17. Welche Studien und wissenschaftliche Publikationen sind der Bundesregie-
rung bekannt, die einen Zusammenhang psychischer Belastungen und psy-
chischer Erkrankungen und Samstagsarbeit beziehungsweise Wochenend-
arbeit untersuchen?

Berlin, den 18. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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