BT-Drucksache 18/4753

Rückzahlung der Zwangsanleihe an Griechenland

Vom 24. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4753
18. Wahlperiode 24.04.2015
Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Matthias W. Birkwald, Christine Buchholz
Annette Groth, Dr. André Hahn, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin
Kunert, Stefan Liebich, Dr. Gesine Lötzsch, Niema Movassat, Dr. Alexander S.
Neu, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Martina Renner, Dr. Petra Sitte,
Kersten Steinke, Azize Tank, Frank Tempel, Alexander Ulrich, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Rückzahlung der Zwangsanleihe an Griechenland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der griechischen Nationalbank wurde 1942 von den deutschen Besatzern eine soge-
nannte Besatzungsanleihe auferlegt, zu deren Rückzahlung sich das Deutsche Reich
verpflichtet hatte. Bei Kriegsende betrugen die deutschen Verbindlichkeiten noch
476 Millionen Reichsmark. Dieses Darlehen hat Deutschland bis zum heutigen Tag
nicht zurückgezahlt, obwohl es die vertraglichen Verpflichtungen des Deutschen
Reiches übernommen hat.

Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland
die Anleihe nicht behalten darf. Das gebietet insbesondere die politische und mora-
lische Verpflichtung Deutschlands, die aus den Verbrechen des sogenannten Dritten
Reichs entstanden ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. verbindlich zu erklären, dass sie eine Pflicht zur Rückzahlung der Anleihe aner-
kennt,

2. mit der griechischen Regierung Verhandlungen zu führen, um zu einer einver-
nehmlichen Klärung der Methoden zu kommen, mit denen der heutige Wert der
Anleihe unter Einbeziehung von Zins- und Zinseszinsen zu berechnen ist, und
im Anschluss daran die Zahlung vorzunehmen,

3. den Deutschen Bundestag regelmäßig über die Umsetzung dieses Beschlusses
zu unterrichten.

Berlin, den 5. Mai 2015

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

Drucksache 18/4753 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Die sogenannte Besatzungs- oder Zwangsanleihe, die das Deutsche Reich 1942 Griechenland auferlegte, sollte
im Wesentlichen dazu dienen, die Kosten der deutschen Besatzung zu begleichen.

Eine Tilgung dieses Darlehens ist bis heute nicht erfolgt.

Ein Datum für die Fälligkeit der Darlehensrückzahlung wurde weder 1942 noch später benannt, demzufolge
ist bis heute auch keine Verjährung der Rückzahlungspflicht Deutschlands eingetreten.

Die Bundesregierung wertet die Zwangsanleihe als Kriegsschaden, deren Begleichung völkerrechtlich als Re-
parationsangelegenheit zu betrachten sei. Diese Auffassung ist jedoch in keiner Weise zwingend. Der Wissen-
schaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat sich mit der Frage einer Rückzahlungspflicht beschäftigt,
ohne zu einer abschließenden Einschätzung zu kommen (WD 2 – 3000 – 093/13). Dabei hat er unter anderem
auf den weiten Beurteilungsspielraum hingewiesen, den das Völkerrecht biete.

Die Syriza-Regierung bemüht sich mit mehr Nachdruck als ihre Vorgängerinnen um die Rückzahlung der An-
leihe, sie ist aber bei weitem nicht die erste griechische Regierung, die das Thema anspricht. Auch unter Füh-
rung der Parteien PASOK bzw. Nea Demokratia wurden immer wieder entsprechende Forderungen erhoben.
Der Wissenschaftliche Dienst weist darauf hin, eine „Verwirkung“ der Ansprüche hätte Griechenland allenfalls
dann verursacht, wenn es sich nach 1990 nicht auf diplomatischem Weg um die Aufnahme von Verhandlungen
über die Rückzahlung der Anleihe bemüht hätte. Wie auch die Bundesregierung bestätigt (vgl. Antwort der
Bundesregierung vom 3. März 2015 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Drs. 18/4246),
hat die griechische Botschaft in Deutschland 1995 darauf hingewiesen, dass mit der Wiedervereinigung der
Grund für die auf der Londoner Schuldenkonferenz beschlossene Vertagung dieser Frage entfallen sei und
Gespräche zur Regelung der Schulden vorgeschlagen. Damit kann Deutschland, auch wenn sich die Bundes-
regierung damals weigerte, Verhandlungen aufzunehmen, nicht behaupten, die griechische Seite habe ihre An-
sprüche durch Nichtstun verwirkt.

Das Problem der Rückzahlung ist aber nicht nur (völker)rechtlicher Natur. Es geht hier auch um politische und
moralische Verpflichtungen. Deutschland muss sich glaubwürdig und vollumfänglich vom NS-Unrecht distan-
zieren. Damit ist es nicht vereinbar, Gelder zu behalten, die von den Nazis mit dem Versprechen auf Rückzah-
lung eingesammelt wurden.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages beziffert den Wert der Zwangsanleihe mit Stand
Ende 2011 bei einem Zinssatz von 3 Prozent mit 3,3 Milliarden Reichsmark. Für die Umrechnung von Reichs-
mark-Verbindlichkeiten in Euro gibt es verschiedene Ansätze. Der griechische Rechnungshof geht Medienbe-
richten zufolge von 11 Milliarden Euro aus. Andere Berechnungen veranschlagen einen aktuellen Gegenwert
von zwischen 3,5 Milliarden und 75 Milliarden US-Dollar (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. unter Drucksache 18/451).

Sollte zwischen den beiden Regierungen keine Einigkeit darüber hergestellt werden können, wie diese Um-
rechnung vorzunehmen ist, kann diese Frage ggf. einer neutralen Instanz übertragen werden, wie etwa einem
paritätisch zusammengesetzten Schiedsgericht oder dem Internationalen Gerichtshof.

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