BT-Drucksache 18/4688

Rechte indigener Völker stärken durch Ratifikation der ILO-Konvention 169

Vom 22. April 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/4688
18. Wahlperiode 22.04.2015
Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Claudia Roth (Augsburg), Uwe Kekeritz,
Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Matthias Gastel, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem
Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechte indigener Völker stärken durch Ratifikation der ILO-Konvention 169

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

370 Millionen Menschen in 90 Staaten zählen zu den indigenen Völkern. In den
Lebensräumen indigener Völker sind mehr als 60 Prozent der weltweit begehrtesten
Rohstoffvorkommen zu finden, so dass wirtschaftliche Interessen ihre Lebensgrund-
lagen und Rechte bedrohen. Menschenrechtsverletzungen von Seiten der Regierun-
gen wie von (trans-)nationalen Unternehmen sind an der Tagesordnung.

In ihrem aktuellen Menschenrechtsbericht versichert die Bundesregierung, „die ak-
tive Beteiligung indigener Völker als unverzichtbare Voraussetzung für die Verwirk-
lichung ihrer Menschenrechte auch auf internationaler Ebene (VN-Gremien, Ver-
tragsstaatenkonferenzen)“ zu unterstützen. Wohlweislich erwähnt die Bundesregie-
rung die Verwirklichung des Menschenrechtsschutzes der Indigenen auf internatio-
naler Ebene durch Deutschland nicht. Dies hat einen einfachen Grund: Deutschland
hat zwar 2007 der Konvention 169 der internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
über eingeborene und in Stämmen lebende Völker zugestimmt, sie aber bis heute
nicht ratifiziert. Dieses Versäumnis wird auch nicht dadurch kompensiert, dass
Deutschland sich im selben Jahr aktiv für die Erklärung der Vereinten Nationen über
die Rechte der indigenen Völker (Resolution 61/295) eingesetzt hatte, die mit über-
wältigender Mehrheit von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verab-
schiedet wurde. Denn zwar haben die Resolution der Generalversammlung der Ver-
einten Nationen und die ILO-Konvention 169 die gleiche Stoßrichtung, doch nur die
ILO-Konvention 169 ist rechtlich verbindlich.

Das häufig genannte Argument gegen die Ratifizierung der ILO-Konvention 169, in
Deutschland würden keine indigenen Völker leben, greift nicht. Die wirtschaftlichen
Aktivitäten deutscher Unternehmen und die Außen-, Wirtschafts-, Handels-, Um-
welt- und Entwicklungspolitik der Bundesregierung haben auch Einfluss auf die Le-
bensverhältnisse indigener Völker. Beteiligungen deutscher Firmen an Staudamm-
bauprojekten oder der Ausbeutung von Minen in Mittel- und Südamerika sind Bei-
spiele dafür. Auch die im Rahmen der Rohstoffstrategie der Bundesregierung durch-
zuführenden Maßnahmen berühren in vielen Fällen die Interessen indigener Völker.
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Drucksache 18/4688 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Nachdem die Bundesregierung die zweite internationale Dekade der Vereinten Na-
tionen für indigene Völker (2005 bis 2014) hat verstreichen lassen, ohne die ILO-
Konvention 169 zu ratifizieren, ist es nun höchste Zeit, verbindlichen Menschen-
rechtsschutz für Indigene zu schaffen. Deutschland sollte das Jahr des Vorsitzes im
Menschenrechtsrat dazu nutzen und lange überfällige Ratifikationen auf den Weg
bringen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dem Deutschen Bundestag die ILO-Konvention 169 über eingeborene und in Stäm-
men lebende Völker umgehend zur Ratifizierung vorzulegen.

Berlin, den 22. April 2015

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Die ILO-Konvention 169 von 1989 ist das einzige völkerrechtlich verbindliche Dokument, das die Rechte
indigener Völker weltweit und umfassend anerkennt.

Die in der ILO-Konvention 169 definierten Grundrechte decken im Wesentlichen folgende Bereiche ab:

die Verhinderung von Diskriminierung durch Anerkennung spezifischer Mindestrechte für indigene Be-
völkerungsgruppen mit dem Ziel der uneingeschränkten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben;

das Recht auf traditionelles Land und Territorien sowie die Gewährleistung der örtlichen Kontrolle über
natürliche Ressourcen;

das Recht auf kulturadäquate und selbstbestimmte Entwicklung. Dazu gehören der Anspruch auf Selbst-
verwaltung, Partizipation und Demokratisierung sowie die Festlegung der eigenen Prioritäten für den Ent-
wicklungsprozess und

das Recht auf die Aufrechterhaltung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme indigener Völ-
ker. Damit gehen die Schaffung kulturadäquater Arbeitnehmerrechte, die Förderung lokaler Produktionen,
eine angemessene soziale Absicherung und der Zugang zu Ausbildung (unter Berücksichtigung indigener
Sprachen) sowie zum Gesundheitswesen einher.

Die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 bietet die Grundlage zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen sowie des Gesundheits- und Bildungsstandes der indigenen Völker. Außerdem werden die Rechte
an der Erschließung, Bewirtschaftung und Nutzung der natürlichen Ressourcen auf dem Territorium der indi-
genen Völker garantiert. Die ILO-Konvention 169 verbietet zudem jegliche Diskriminierung hinsichtlich des
Arbeitsentgelts, der ärztlichen und sozialen Betreuung, der sozialen Sicherheit und der Vereinigungsfreiheit.
Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen ist ebenfalls festgeschrieben. Schließlich
fordert die ILO-Konvention 169 den diskriminierungsfreien Zugang zu den Systemen der sozialen Sicherheit
und der Gesundheitsversorgung.

Der besondere Wert der ILO-Konvention 169 liegt u. a. in den Vorgaben zu speziellen Konsultations- und
Partizipationsverfahren für alle Vorhaben Dritter auf indigenen Territorien. Diese Normen sind jedoch nur in
den Staaten verpflichtend und einklagbar, die das Abkommen ratifiziert und in nationale Gesetze überführt
haben.

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